Biographie

Deinhardt, Johann Heinrich

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Pädagoge
* 15. Juli 1805 in Nieder Zimmern
† 16. August 1867 in Bromberg

Die Provinz Posen verfügte bei ihrer Entstehung als Großherzogtum Posen nach dem Wiener Kongress über nur sehr wenige Hochschulen. Als bischöfliche Lubrański-Akademie entstand das spätere Maria-Magdalena-Gymnasium in Posen im Jahr 1573. Noch älter war die Schule der Böhmischen Brüder in Lissa (1555), das spätere Comenius-Gymnasium.

Für eine so große Provinz wie das Posener Land war das natürlich viel zu wenig. Auch fehlte es allenthalben an Elementarschulen. Da die neue Provinz in zwei Regierungsbezirke eingeteilt wurde, war es unerlässlich notwendig, dass auch Bromberg (Bydgoszcz) ein Königliches Gymnasium erhielt.

Im Herbst 1817 nahm das neu organisierte Gymnasium im ehemaligen jesuitischen Konventsgebäude seinen Schuldienst auf. Dieses Gebäude stammte wahrscheinlich aus dem Jahr 1631. Erster Direktor wurde Ludwig Müller (1772-1848). Er stammte aus dem heutigen Thüringen und war an der bekannten ostbrandenburgischen Eliteschule, dem Pädagogium in Zül­lichau (Sulechów) Inspektor gewesen, bevor man ihn nach Bromberg berief.

Nach längerer Krankheit wurde er 1844 in den Ruhestand versetzt. Bei der Suche nach einem Nachfolger stieß man erneut auf einen gebürtigen Thüringer, Johann Heinrich Deinhardt (1805-1867).

Johann Heinrich Deinhardt wurde am 15. Juli 1805 in Nieder Zimmern bei Weimar als jüngstes von sechs Kindern eines Bauerngutsbesitzer geboren. Seine erste Bildung erhielt er in der Dorfschule, ehe er 1815 an die Parochial- oder Predigerschule nach Erfurt ging. Seine schulischen Leistungen waren so gut, dass er bereits nach anderthalb Jahren in die Tertia des Gymnasiums aufgenommen wurde. Die Leistungen seiner Schule wurden zu jener Zeit jedoch nicht so gut befunden. Erst nach 1820, unter einem neuen Direktor, hob sich das Niveau.

Zu Ostern 1825 bestand Deinhardt das Abitur mit einer guten Note. Er hatte die Absicht, Theologie in Berlin zu studieren, entschied sich dann aber für das Lehrfach, vor allem in den naturwissenschaftlich-mathematischen Fächern. Sein Besuch an Vorlesungen war sehr breit gefächert, bis hin zur Philosophie, wodurch er einen guten Bildungsstand errang.

Zu Ostern 1828 wurde er als stellvertretender Lehrer der Fächer Mathematik und Physik nach Wittenberg berufen. Bald darauf legte er seine Oberlehrerprüfung ab und wurde zu Michaelis 1828 ordentlicher Lehrer, später Oberlehrer. Da der Direktor in Wittenberg ein gestrenger Anhänger der alten Sprachen war, musste sich Deinhardt hierin bewähren, wollte er Erfolg haben.

Deinhardt war von pietistischen Kreisen beeinflusst und förderte das wissenschaftliche Interesse seiner Schüler, bei denen er beliebt war, denn wider den Zeitgeist war er ein Gegner der körperlichen Züchtigung. Auch er selbst arbeitete wissenschaftlich und veröffentlichte zahlreiche pädagogische Schriften.

Durch seine literarische Tätigkeit erlangte er die Aufmerksamkeit der Behörden, die ihn ermutigten, nach Höherem zu streben. Vor der wissenschaftlichen Prüfungskommission in Halle a.d. Saale legte er 1844 die Rektoratsprüfung „colloquium pro rectoratu“ ab und wurde anschließend als Direktor an das Gymnasium in Bromberg berufen.

Er hatte hier mit sehr vielen Problemen zu kämpfen, vor allem mit dem immer stärker werdenden Nationalitätenkonflikt. Er wirkte in dieser Hinsicht ganz im Sinne des preußischen Staates. In den 23 Jahren seiner Amtszeit stieg die Schülerzahl von 160 auf 700 an. Es war vor allem der Anteil der evangelischen deutschen Schüler der erheblich anwuchs und dann die Mehrheit darstellte.

Auch bei dem teilweise widerstrebenden Lehrerkollegium hatte er große Widerstände zu überwinden. Deinhardt vereinheitlichte und überprüfte die Lehrpläne, schulte mangelhafte Lehrer und führte Klassenprüfungen ein. Auch die Schulgesetzgebung in Preußen führte nach und nach zur Verbesserung der Leistungen. Erst kurz vor seinem Tod wurde die bereits seit 1845 bestehende, aber privat geführte Vorbereitungsklasse zu einer dreiklassigen Vorbereitungsschule des Gymnasiums umgewan­delt (1864).

Zu seinen Schülern zählte der spätere Posener Oberpräsident Hugo v. Wilamowitz-Moellendorff (1840-1905).

Auch um die Verbesserung der Lage der Lehrer kümmerte er sich und stiftete seine Vortragshonorare u.a. für eine von ihm mit hervor gerufene Stiftung für unverheiratete Töchter von verstorbenen Lehrern (1853) und für die Witwen- und Waisenstiftung (1857).

Obwohl er viel für die Schule im Sinne des Staates tat und überzeugter deutscher Patriot war, verhinderte seine politische Gesinnung als Vertreter der Demokratiebewegung die geplanten Berufungen nach Parchim (1850) und Anklam (1852).

Bereits im Jahr 1846 nahm er klar Stellung gegen die polnische Freiheitsbewegung und fühlte sich zum politischen Engagement veranlasst, vor allem während der Revolution von 1848, die mit einem polnischen Aufstand gegen die Teilungsmacht Preußen einherging. Seine Gegner beschimpften ihn in der Kreuzzeitung als eines der Häupter der Bromberger Demokratie und nannten ihn einen gefährlichen Verführer der Jugend. Dies führte dazu, dass sich auch seine Berliner Gönner von ihm abwandten und er einen Verweis erhielt. Seine Unterrichte standen seither unter kritischer Beobachtung und die Schule wurde mehrfach visitiert. Deinhardt wäre damals gerne an eine andere Schule in Pommern oder gar an eine Universität gewechselt, aber dies war nicht möglich. Erst nach Jahren legte sich das Misstrauen gegen ihn und seine Arbeit fand wieder Anerkennung.

Beim Jubiläum der philosophischen Fakultät der Berliner Universität im Jahr 1860 wurde ihm der Ehrendoktortitel verliehen und anlässlich der Krönung König Wilhelm I. in Königsberg (1861) wurde ihm der Roten Adlerorden IV. Klasse verliehen.

Während seiner letzten Lebensjahre plagten ihn gesundheitliche und psychische Beschwerden, so dass er sich mehr und mehr aus der Öffentlichkeit zurückzog. Zur Genesung unternahm er Kuren in Seebädern oder Gebirgsreisen. 1867 kehrte er zu diesem Zwecke sogar in seine thüringische Heimat zurück, von wo er am 26. Juli krank nach Bromberg zurückkehrte, wo das 50-jährige Jubiläum seiner Schule bevorstand. Bei der Feierstunde begann er noch mit seinem Vortrag, brach dann zusammen und nach wenigen Tagen verstarb er am 16. August 1867 in Bromberg.

Deinhardt hinterließ neben einer großen Zahl von Schriften und Abhandlungen drei verheiratete Töchter von seiner bereits vier Jahre zuvor verstorbenen Frau Wilhelmine Schmidt († 1863), einer mecklenburger Pastorentochter und Schwester seines Freundes H. Schmidt.

Lit.: Th. Bach, J. H. Deinhardt, ein Beitrag zur Geschichte des preußischen Gymnasialwesens in Masius‘ Jahrbuch für Pädagogik 1873 und in einem Separatabdruck, Leipzig 1874. – Joachim Heinrich Balde, Beiträge zu einem Biographischen Lexikon der Deutschen aus dem Raum der Provinz Posen, Herne 2003. – Wilhelm Brunck, Festschrift zum 110. Stiftungsfest des Königlichen Friedrich-Gymnasiums zu Bromberg 1817-1927, nebst Anhang: Verzeichnis ehemaliger Schüler und Schülerinnen höherer Lehranstalten der Provinz Posen, Charlottenburg 1929. – Friedrich August Eckstein, Deinhardt, Johann Heinrich, in: Allgemeine Deutsche Biographie 5 (1877), S. 30-33. – Franz Kössler, Personenlexikon von Lehrern des 19. Jahrhunderts, Berufs­biographien aus Schul-Jahresberichten und Schulprogrammen 1825-1918 mit Veröffentlichungsverzeichnissen, Gießen 2008. – Janusz Kutty (Red.), Bydgoski słownik biograficzny.: Kujawsko-Pomorskie Tow. Kulturalne, Bydgoszcz 1995-2000, 7 Bänden. – Franz Lüdtke, Johann Heinrich Deinhardt, in: Historische Monatsblätter für die Provinz Posen, 1917, S. 97-126.N

Bild: Cover Johann Heinrich Deinhardt, Der Gymnasialunterricht nach den wissenschaftlichen Anforderungen der jetzigen Zeit, Hamburg 1837.

Martin Sprungala