Biographie

Deutsch, Ernst

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Schauspieler
* 16. September 1890 in Prag
† 22. März 1969 in Berlin

Die Augen funkeln böse, kalt ist der Blick: Kaum ein anderer hätte die Figur des Baron Kurtz aus Graham Greenes Der Dritte Mann in seiner dämonischen Undurchschaubarkeit so zum Leben erwecken können, wie es Ernst Deutsch in der Verfilmung des Klassikers getan hat. Zwar gehört die Filmrolle zu den bekanntesten Arbeiten Deutschs, doch ist der Schauspieler zeit seines Lebens ein Mann der Bühne gewesen. Seit er 1916 erstmalig den Sohn in Walter Hasenclevers gleichnamigen Drama verkörpert, gilt Deutsch als der expressionistische Schauspieler.

Sein Talent ist unbestritten. Doch obgleich der Regisseur Leopold Jessner über ihn sagt: „An seiner Wiege haben die Grazien das hohe C gesungen“, ist die Karriere Deutschs auf den Bühnen und vor den Kameras dieser Welt nicht unbedingt vorherbestimmt. Am 16. September 1890 als Sohn des Prager Kaufmanns Ludwig Deutsch und dessen Frau Louise geboren, hat er zunächst für sich eine sportliche Laufbahn im Visier. In der Tat schafft er es bis auf Rang sieben der österreichisch-ungarischen Tennisrangliste. Doch es soll ganz anders kommen: Ernst Deutsch entdeckt das Theater für sich, zunächst als Zuschauer, dann von dem Willen beseelt, selbst zu spielen. Sein erstes Engagement erhält er 1914 an der Wiener Volksbühne unter Berthold Viertel. Geprobt für das Vorspiel bei Viertel habe Deutsch, so besagt eine Anekdote, nachts unter dem offenen Sternenhimmel auf dem Hradschin in Prag, unter den Augen seiner Freunde Egon Erwin Kisch und Franz Werfel, die ihn warnen sollen, falls ein Polizist des Weges kommt. Mit Werfel ist Deutsch ab 1922 gar weitläufig verwandt, als er seine Jugendfreundin Anuschka Fuchs heiratet, deren Cousin der Ehemann von Werfels Schwester ist.

1916 holt ihn Edgar Licho an das Alberttheater nach Dresden. Für beide Seiten ein überaus guter Schachzug. Durch Deutschs Auftritte als Franz Moor in Schillers Die Räuber, als Moritz Stiefel in Frank Wedekinds Frühlings Erwachen und eben in Hasenclevers Der Sohn erlangen das Theater, aber mehr noch Deutsch selbst große Berühmtheit. Ganz und gar beeindruckend muss Deutsch bereits zu dieser Zeit auf der Bühne gewirkt haben, „mit einem schmalen Schädel und schmalem Antlitz, gerahmt von dunklen Haaren, mit leuchtend dunklen Augen. Und seine Stimme, bereits von ausgereifter Kraft, umfasste alle Sehnsüchte der Jugend mit zartester Empfindlichkeit“, wie Hugo Zehder über ihn schreibt.

Sein Aufenthalt in Dresden dauert nicht lange. 1917 geht er, als bekannter Schauspieler, nach Berlin.„Heute weiß jeder Mensch in Konstantinopel, wer Ernst Deutsch ist“, sagt Max Reinhardt ein Jahr später über ihn. Der berühmte Regisseur ist es auch, der Deutsch nach Berlin ans Deutsche Theater holt. In den kommenden Jahren spielt der Prager an verschiedenen Bühnen der Stadt. Dazu gesellen sich Gastspiele in Wien, Hamburg, Prag und Stockholm. 1930 geht er mit dem Berliner Ensemble gar auf Südamerika-Tour. Zu dieser Zeit hat Deutsch ebenso bereits in zahlreichen Stummfilmen sein Können unter Beweis gestellt, obgleich, so die Einschätzung Zehders, ihn der Film zwar interessiert, jedoch nie ausgefüllt habe.

Die goldenen Jahre in Deutschland vergehen. Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht im Land übernehmen, verlässt Deutsch, jüdischen Glaubens, Berlin. Über Wien, Brüssel, Prag, Zürich und London kommt er 1938 in die USA. Hier führt ihn der Weg zunächst, wie sollte es für einen Schauspieler seines Kalibers auch anders sein, an den Broadway nach New York. Allerdings nicht für lange. Wenig später steht Deutsch, nun mit amerikanischer Staatsbürgerschaft, unter dem Pseudonym Ernest Dorian in der Traumfabrik Hollywood vor der Kamera. Man mag es als Posse der Geschichte erachten, dass Deutsch als ein vor den Nazis Geflohener in den USA auch Nazi-Figuren mimt. Den größten Erfolg als Filmschauspieler hat er aber nicht in Amerika, sondern, wie schon erwähnt, in der Verfilmung des Dritten Mann durch den Briten Carol Reed 1949 sowie ein Jahr zuvor in dem Streifen Der Prozeßdes österreichischen Regisseurs Georg Wilhelm Pabst, wofür er im gleichen Jahr auf den Filmfestspielen von Venedig ausgezeichnet wird. Zu diesem Zeitpunkt hat Deutsch seinen Wohnsitz bereits wieder nach Europa verlegt. Nach Station in Wien kehrt er 1951 nach Berlin zurück, wohl auch durch die Zusprache von Berlins Oberbürgermeister Ernst Reuter.

Dies bedeutet auch die Rückkehr auf die Bühnen der Stadt. Deutsch spielt am Schiller- sowie am Schlossparktheater. Ebenso steht er für einige Film- und Fernsehproduktionen erneut vor der Kamera. Dafür erhält er 1964 das Filmband in Gold. Bereits 1962 wurde er in Wien mit dem Titel „Kammerschauspieler“ ausgezeichnet.

Am 22. März 1969 stirbt Ernst Deutsch im Alter von 78 Jahren in Berlin. Seine letzte Ruhestätte findet er auf dem Jüdischen Friedhof Heerstraße. Doch auch nach seinem Tod vergeht sein Stern in Theaterkreisen nicht. 1973, zu seinem vierten Todestag, wird das „Junge Theater“ in Hamburg in „Ernst Deutsch Theater“ umbenannt. Noch kurz vor seinem Tod hat Deutsch hier als Nathan der Weise aus Schillers gleichnamigen Stück das Publikum in seinen Bann gezogen. Überhaupt gehört diese Rolle zu den sein Leben prägenden. Im Laufe seiner Karriere spielt er den Nathan über 1000-mal.

Dass ein großer Schauspieler nicht ohne eine große Portion Talent auskommt, liegt auf der Hand. Doch Ernst Deutsch ist ebenso bewusst gewesen, dass nur großes Engagement und unbedingter Einsatzwille zum Ruhm führt, getreu des ihm zugeschriebenen Satzes: „Wer vom Glück nur träumt, darf sich nicht wundern, wenn er es verschläft.“

Lit. (Auswahl): Julius Bab, Schauspieler und Schauspielkunst. Oesterheld & Co. Berlin 1926. – Kerstin Hagemeyer, Jüdisches Leben in Dresden. Ausstellung anlässlich der Weihe der neuen Synagoge Dresden am 9. November 2001. Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Berlin 2002. – Hannes Reinhardt (Hrsg.), Das bin ich: Ernst Deutsch, Tilla Durieux, Willy Haas [u.a.] erzählen ihr Leben. Piper München 1970. – Hugo Zehder, Ernst Deutsch, Rembrandt-Verlag Berlin 1962. – Georg Zivier, Ernst Deutsch und das Deutsche Theater. Fünf Jahrzehnte Deutscher Theatergeschichte – Der Lebensweg eines Großen Schauspielers, Haude & Spenersche Berlin 1964.

Bild: Archiv der Kulturstiftung.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Deutsch

Christoph Meurer