Biographie

Dientzenhofer, Kilian Ignaz

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Baumeister
* 1. September 1689 in Prag
† 18. Dezember 1751 in Prag

Kilian Ignaz Dientzenhofer ist der bedeutendste Architekt des böhmischen Hochbarock. Ausgebildet bei seinem Vater Christoph Dientzenhofer (1655-1722), vollendet er nach dessen Tod die Kirche Maria Loreto in Prag. Und es sind die vielen großen und kleineren Kirchenbauten, welche unter seiner Regie in Böhmen und Schlesien errichtet werden, die seinen Ruhm und auch seinen Einfluß auf die gleichzeitige und nachfolgende Architektur im Deutschen Reich begründen.

Die Profangebäude bleiben in seinem gesamten Schaffen von nur untergeordneter Bedeutung, wenngleich sich auch hier mit der Villa Amerika (1730), der Villa Portheim-Buquoy (1735) und dem Palais Sylva-Tarouca (1749) in Prag hervorragende Beispiele für eine in Komposition und Dekoration gelungene herrschaftliche Baukunst finden.

Beeinflußt vom Wiener Barock, löst sich Kilian Ignaz Dientzenhofer bei seinen Kirchbauten schon in den 1720er Jahren immer mehr von den böhmischen Barockformen in der Art seines Vaters oder Santini Aichels. Das Motiv des Baldachins, die Elemente des Wandpfeiler- und des Doppelschalensystems werden in immer neuen Variationen in die Komposition der Kirchenräume eingefügt. In den Jahren zwischen 1724 und 1730 erreichen Dientzenhofer-Bauten mit der Klosterkirche in Legnickie Pole (Wahlstatt) in Schlesien (1727-1731) und mit der Kirche Johannes Nepomuk am Felsen in Prag (um 1730) einen ersten Höhepunkt.

Die Zeit nach 1730 ist vor allem von dem Versuch gekennzeichnet, das System der Wandpfeilerhalle mit den Vorstellungen eines stark zentralisiert ausgerichteten Innenraumes zu verbinden. Dabei wird der Raum streng aus Kuben, Zylindern und geometrisch definierten Gewölben strukturiert, wie bei St. Nikolaus in der Altstadt (1732-1737); der Grundriß kann aber auch die Durchdringung einzelner Räume, ein- und ausknickende Wandflächen und eine Verschleifung der einzelnen Gewölbezonen zeigen, siehe die Maria-Magdalena-Kirche in Karlovy Vary (Karlsbad) /1732-1735) und die Entwürfe für die Kirche der Ursulinerinnen Kulná Hora (Kuttenberg) (1732-1735).

Immer wieder verarbeitet Dientzenhofer unterschiedlichste Anregungen, so daß die Grundriß- und Raumgestaltungen wie auch die Fassadenlösungen jenseits einmal gefundener, stereotyper Muster bleiben. Er beherrscht dabei sowohl die ruhige, von Frankreich angeregte „klassische“ Stillage wie auch die dynamisierte Architekturapparatur in der Nachfolge Guarino Guarinis.

Der oft bis zum Höchsten gesteigerten Ausdruckskraft der sakralen Innenräume korrespondiert häufig eine monumentale Wirkung des Kirchenäußeren. Dabei kann die Dynamik des Inneren auf die Außenwand und selbst auf die Türme übertragen werden, die gelegentlich aus der Achse des Langhauses herausgedreht werden. Mächtige Doppelturmfassaden und auch die auf Fernsicht hin angelegte Kuppel auf hohem Tambour schaffen nicht nur auf das Kirchengebäude selbst bezogene Eigenwerte, sondern wollen in die
Stadt hinein wirken. Die St. Nikolaus-Kirche in der Prager Altstadt (1732-1737) und die dem gleichen Heiligen geweihte Kirche auf der Prager Kleinseite (1737-1755) sind die im Schaffen Kilian Ignaz Dientzenhofers unübertroffenen Höhepunkte. Deutlich genug ist bei diesen Bauten auch der Einfluß Johann Bernhard Fischer von Erlachs und damit eine Rezeption der mit imperialen Ansprüchen auftretenden Architektur der Wiener Metropole. Dientzenhofers Bauten in Böhmen und auch in Schlesien haben weitreichenden Einfluß auf die gesamte mitteleuropäische Baukunst des Spätbarock gehabt. Bietet doch seine Sakralarchitektur eine Fülle neuartiger Motive, Raumstrukturen und Fassadenlösungen, die von den Architekten in Bayern, Franken, Schlesien und Schwaben aufgegriffen werden.

Lit.: Heinrich Gerhard Franz, Bauten und Baumeister der Barockzeit in Böhmen, Leipzig 1962, S. 135-159. – Erich Bachmann, in: Barock in Böhmen, hrsg. Karl M. Swoboda, München 1964, S. 51-59. – Christian Norberg-Schulz, Kilian Ignaz Dientzenhofer e il barocco boemo, Rom 1968.

Bild: Stahlstich von Jan Vilímek (1860-1938).

Ulrich Schütte