Biographie

Dientzenhofer, Kilian Ignaz

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Baumeister
* 1. September 1689 in Prag
† 18. Dezember 1751 in Prag

Die Dientzenhofer waren eine ursprünglich aus Bamberg stammende Familie von Baumeistern und Architekten, die aus der Kunstlandschaft des fränkisch-bayerischen, vor allem aber des böhmischen Raumes gar nicht mehr wegzudenken sind. In ihren Werken, zu ganz überwiegenden Teilen sakrale Bauten, spannt sich der gesamte Bogen des süddeutschen Barock, von den frühen Arbeiten eines Georg Dientzenhofer, des Schöpfers u.a. der Wallfahrtskirche „Kappel“ bei Waldsassen sowie der Abteikirche der Zisterzienser ebenda, bis zur Kirche St. Nikolaus in Prag.

Diese wurde begonnen von Christoph Dientzenhofer, dem Vater von Kilian Ignaz, der um 1685 aus seiner Heimat nach Prag kam. In der böhmischen Metropole wurde am 1. September 1689 dann auch Kilian Ignaz geboren. Offenbar zunächst für den geistlichen Stand bestimmt, besuchte dieser das Gymnasium in Prag und wandte sich auf der Universität, zunächst Philosophie, dann Naturwissenschaften studierend, auf dem Weg über die Mathematik der Architektur zu.

Ersten Unterricht in der Baukunst erhielt er von seinem Vater, bevor er sich zum Zwecke einer systematischen Fortbildung 1709 nach Wien begab, um in der Werkstatt des Johann Fischer von Erlach zu arbeiten. Im Zuge seines weiteren Ausbildungsweges scheint er auch bei Lucas von Hildebrandt gelernt zu haben; gesichert ist dies, wie auch die genauen Stationen seiner anschließenden ausgedehnten Reisen, jedoch nicht. An Aufenthaltsorten werden aber Italien, Frankreich und sogar England genannt.

Seit spätestens 1722 ist Kilian Ignaz Dientzenhofer dann wieder dauerhaft in Prag nachweisbar, von wo aus er bis zu seinem Tode eine ausgedehnte Bautätigkeit entfaltete. Den Grundstein seiner Berühmtheit legte er mit seinen ersten Werken, der „Villa Amerika“, einer Art Gartenhaus in der Prager Neustadt, und der Ursulinenkirche St. Johannes Nepomuk auf dem Hradschin. Beide Bauten waren in einer Art höfisch-elegantem, dabei aber von klarer Reflexion und an klassischen Vorbildern geschulter Kühle gehaltenem Stil errichtet, der genau dem Geschmack der Zeit entsprach und Dientzenhofer allgemeine Aufmerksamkeit sicherte.

In der Folge wurde er mit einer Fülle von Aufträgen überhäuft. Um alles bewältigen zu können, baute er eine große Werkstatt, fast schon eine Art „Baukanzlei“ auf, in der von ihm für einzelne Aufgaben speziell geschulten Mitarbeitern die konkrete Ausführung der Entwürfe des Meisters oblag. So ist es schwer, genau den persönlichen Anteil Dientzenhofers an der Masse der unter seinem Namen überlieferten Werke zu ermitteln, zumal seine Fähigkeit, sich ganz auf die Wünsche der Auftraggeber, die landschaftliche und städtebauliche Umgebung der Projekte sowie den Zeitgeschmack einzustellen, auch die Identifikation einer persönlichen Handschrift, eines spezifischen und unverwechselbaren Stils, erschwert. Dennoch existieren eine Vielzahl von Bauwerken, die ziemlich eindeutig Kilian Ignaz Dientzenhofer zuzuordnen sind. Schwerpunkt seiner Tätigkeit waren sakrale Gebäude, und gerade bei den Kirchen ist eine gewisse Tendenz zum Zentralbau nicht zu verkennen.

Ob bereits die Marienkirche in Nitzau (vollendet 1727) ganz von ihm selbst stammt, ist nicht mit letzter Bestimmtheit festzustellen, sicherlich aber läßt sich dies bei der Bartholomäuskirche in Prag (um 1725), der Pfarrkirche in Pocapel bei Leitmeritz (1724–1725) und vor allem bei der Klosterkirche in Wahlstatt bei Liegnitz (1727–1731) sagen, letztere ein Bau von grandiosem Gesamteindruck. Dientzenhofers Vorliebe für Kuppelbauten zeigt sich auch beim Bau der Kirche St. Johannes am Felsen in Prag (1731–1739), doch erweist er sich auch als Meister von Langhausanlagen, etwa bei St. Peter und Paul, ebenfalls in Prag (nach 1722), und Klosterkomplexen, so beim Benediktinerkonvent in Plass (1730–1733) oder in Braunau (1727–1733). Ja, er versuchte sich sogar beim Neubau des abgebrannten Benediktinerklosters in Kladrau, auf Wunsch des Abtes Maurus, an einer historisierenden Rekonstruktion im gotischen Stil.

Ab der Mitte der 1730er Jahre setzt Dientzenhofers zweite große Schaffensperiode ein, in der einige seiner bekanntesten Werke entstehen. Neben kleineren Arbeiten, etwa der Prager Katharinenkirche (1735–1740) sowie den Pfarrkirchen in Gutwasser bei Budweis (1733–1735), Wodolka (ebenfalls 1733–1735) und Priesen bei Komotau (1739–1742) ragen dabei besonders die Nikolauskirche in der Prager Altstadt (1732–1737) und die Kirche St. Maria Magdalena in Karlsbad (1733–1736) heraus.

Hauptwerk Kilian Ignaz Dientzenhofers ist aber wohl zweifellos die Vollendung der Kirche St. Nikolaus auf der Prager Kleinseite. Bereits Dientzenhofers Vater Christoph hatte 1703–1711 Fassade und Langhaus aufgeführt, nun lag es am Sohn, den Bau seinem krönenden Abschluß zuzuführen. Ab 1739 entstand der Chor mit der imposanten Kuppel, ein in seltener Virtuosität ausgeführtes Werk, das sich durch Monumentalität der Raumwirkung und weitgehenden Verzicht auf ornamentale Überladung auszeichnet.

An weiteren Sakralbauten schuf Dientzenhofer, um nur einige zu nennen, Kloster und Kirche der Ursulinen in Kuttenberg (1735–1743), die Kirche St. Karl Borromäus in Prag (um 1735), diese wieder ein Langhausbau, sowie wahrscheinlich die Pfarrkirche in Grüssau bei Landeshut (1728–1735) und die Florianskapelle in Kladno (1746–1748).

Außerdem entstanden nun auch profane Bauten, eingeleitet vom Invalidenhaus in Karolinenthal bei Prag (1731–1735) und fortgesetzt mit einigen Prager Adelspalais, etwa dem Palais Piccolomini oder dem Palais Kinsky sowie dem Portheimischen Hause in Smichow und dem Pavillon im dortigen Botanischen Garten. Dientzenhofers Anteil an diesen Bauten ist aber meist nur schwach gesichert, er dürfte Pläne oder vielleicht auch nur Entwürfe geliefert haben, nach denen dann andere, seien es Angehörige seines Umkreises in relativer Selbständigkeit, seien es sogar andere Baumeister, die Gebäude aufgeführt haben.

Jedenfalls zeugt die Vielzahl der gesicherten Bauten bzw. Zuschreibungen vom Ruhm, den Dientzenhofer bereits Zeit seines Lebens besaß. Seine Könnerschaft, mit der er spielerisch-leicht Elemente unterschiedlichster stilistischer Formen harmonisch verband und Bauten von großer Eleganz und beeindruckender Monumentalität schuf, ohne der Versuchung zu verfallen, bloße Kopien einzelner Versatzstücke miteinander zu kombinieren oder mittels überladenem Pomp imponieren zu wollen, ließ Werke entstehen, die allen Ansprüchen genügten und ihre Umgebung bis heute prägen, ohne sie zu beherrschen.

Hoch geehrt und im Kreise seiner zahlreichen Familie – er war zweimal verheiratet und hatte 13 Kinder – ist Kilian Ignaz Dientzenhofer am 18. Dezember 1751 im Alter von 62 Jahren in Prag verstorben. Mit ihm verlor Böhmen einen seiner letzten großen Barockbaumeister.

Lit.: Heinrich Gerhard Franz: Kilian Ignaz Dientzenhofer, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hg.): Neue Deutsche Biographie, Bd. 3, Berlin 1957, S. 650–651. – Bernhard Grueber: Kilian Ignaz Dinzenhofer, in: Historische Commission bei der Königl. Akademie der Wissenschaften (Hg.): Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 5, Leipzig 1877, S. 245–246. – Hugo Schmerber: Kilian Ignaz Dientzenhofer, in: U. Thieme (Hg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker, Bd. 9, Leipzig 1913, S. 240–243. – Otto Albert Weigmann: Eine Bamberger Baumeisterfamilie um die Wende des 17. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Geschichte der Dientzenhofer (Schriften zur Deutschen Kunstgeschichte; 34), Straßburg 1902. – Hans Zimmer: Die Dientzenhofer. Ein bayerisches Baumeistergeschlecht in der Zeit des Barock, Rosenheim 1976.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Kilian_Ignaz_Dientzenhofer

Bernhard Mundt