Biographie

Dierig, Christian Gottlob

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Textilunternehmer
* 1. Januar 1781 in Langenbielau/Schlesien
† 24. Januar 1848 in Langenbielau/Schlesien

Christian Gottlob Dierig wurde in eine Familie hineingeboren, die schon seit Generationen als Weber in Schlesien tätig war. Es lag daher nahe, daß auch er den Weberberuf erlernte. Er wird als „intelligent“ und „betriebsam“ geschildert, zudem begabt mit einem Sinn „dafür, jedermann die Ware recht zu machen“. Im Jahre 1805 verließ er sein Elternhaus, um als selbständiger Handwerker zu arbeiten. Das bedeutete, daß er nicht mehr in einem lohnabhängigen Verhältnis stand, sondern Garne aufkaufte, die er entweder an Lohnweber zur Verarbeitung gab oder selbst verwebte, um dann die fremd- und selbstgefertigten Produkte unter seinem Namen zu verkaufen. So wurde das Jahr 1805 zum Geburtsjahr der Firma Christian Dierig in Langenbielau.

Das Gründungsjahr fiel in eine für das schlesische Spinnstoffgewerbe schwierige Zeit, denn es war bereits seit den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts im Niedergang begriffen, zumal infolge seiner technischen Unterlegenheit gegenüber der englischen Konkurrenz. Zwar brachten die Jahre der Kontinentalsperre den Produzenten auf dem europäischen Festland im allgemeinen einen beträchtlichen Aufschwung, da die Wareneinfuhr nach dem Kontinent für England erheblich erschwert wurde. Die schlesischen Spinnstoffproduzenten vermochten jedoch nicht an dem Aufschwung zu partizipieren. Für sie bedeutete die Kontinentalsperre vielmehr eine weitere Beeinträchtigung ihrer Absatzmöglichkeiten auf dem infolge der bisherigen britischen Dominanz ohnehin schon fast bedeutungslos gewordenen westeuropäischen Markt, denn nun bauten die Niederlande, Frankreich und Spanien eigene Textilproduktionen auf. Hinzu trat die Kapitalarmut der schlesischen Weber, was die Modernisierung ihrer Produktionsbetriebe, die im wesentlichen auf die Einführung des mechanischen Webstuhls hinauslief, verhinderte. Angesichts dieser Situation erscheint es um so erstaunlicher, daß Christian Gottlob Dierigs Betrieb sich gut entwickelte. Der Grund dafür lag darin, daß er nicht Massen-, sondern Nischenware produzierte, und zwar Drell und Züchen, Kattun und Barchent sowie Jaquard-Möbelstoffe aus Leinen und Seide. Außerdem baute er eine eigene Färberei für Garne und Gewebe, um damit auch dem farblichen Geschmack seiner Kunden entsprechen zu können. Dadurch vermochte er auch über die Jahre der Kontinentalsperre hinaus zu reüssieren.

Nachdem er 1820 aus seiner zu klein gewordenen Werkstatt in ein Fabrikgelände umgezogen war, entstand 1830 eine eigene Jaquardweberei. Damit war Christian Gottlob Dierig zum Fabrikbesitzer und Unternehmer geworden. Eigene Arbeiter beschäftigte er allerdings nur in der Jaquardweberei und in der Färberei, während im engeren und weiteren Umkreis von Langenbielau 3.000 Handweber und 1.000 Spinner für ihn Auftragsarbeiten selbständig erledigten. Durch mehr als 30 „Garnausgebereien“, die sich bis Lebin in der Grafschaft Glatz und Strehlen erstreckten, wurden sie von Dierig mit Rohware versorgt. Sogar in Leipzig und Berlin unterhielt er Niederlassungen. Erfolgreich war zumal das Konzept, Rohgarne einzukaufen und dann in der eigenen Färberei zu färben.

Die für Dierig günstige Konjunkturlage änderte sich infolge des Siegeszugs der Baumwolle und der Überlegenheit desmechanischen Webstuhls, denen Schlesien, das stets das Land der Handleinenweber gewesen war, kaum etwas entgegenzusetzen hatte. Als selbst in Sachsen bereits mechanische Webstühle Baumwolle verarbeiteten, gab es in Schlesien immer noch 26.000 Handwebstühle. Durch Kürzung der ohnehin knapp bemessenen Löhne sowie Kurzarbeit versuchten die schlesischen Produzenten der Konkurrenz der Baumwolle und des mechanischen Webstuhls zu begegnen. Und da der preußische Staat weder durch Zollmaßnahmen gegen die überlegene Konkurrenz vorging noch durch die Gewährung von Krediten eine Modernisierung des schlesischen Textilgewerbes ermöglichte, geriet dieses in eine existenzbedrohende Lage mit katastrophalen Folgen für die Beschäftigten. Für die „mühevolle 14- bis 16stündige Arbeit“, so schreibt der zeitgenössische Schriftsteller Wilhelm Wolff, „zugleich für Abnutzung der Gerätschaften, Benutzung der Wohnräume, Heizung und Beleuchtung“ bekamen die schlesischen Weber und Spinner täglich nicht mehr als zwei bis drei Groschen. Im Sommer 1844 entlud sich ihre Not im Weberaufstand, zunächst in Peterswaldau. Von dort aus griff er auf die Nachbardörfer über. In Langenbielau zerstörten am 5. Juni 3.000 Weber die Geschäftsräume der Firma Christian Dierig. Trotz Einsatzes des herbeigerufenen Militärs, das sofort nach seinem Erscheinen zu schießen begann und 11 Personen, darunter Frauen und Kinder, tötete sowie 24 schwer verletzte, wurde auch das Dierigsche Wohnhaus besetzt. Doch am darauffolgenden Tag konnte der Widerstand der Weber durch das Militär gebrochen werden. Ihre Dörfer wurden besetzt, über hundert von ihnen als Gefangene nach Breslau verbracht und dort zu langen Zuchthausstrafen, verschärft durch Auspeitschung, verurteilt.

Der durch den Weberaufstand bei Dierig entstandenen Schaden war beträchtlich. Der Verlust allein an Garnen und Geweben soll umgerechnet 250.000 Mark betragen haben. Dadurch war nicht nur der größte Teil der Aktiva verloren gegangen, sondern auch das Lebenswerk Christian Gottlieb Dierigs in erheblichem Umfang vernichtet worden. Wie schwer ihn der Schlag des Weberaufstands getroffen hatte, geht daraus hervor, daß er sich noch 1844 enttäuscht und vergrämt aus dem Geschäft zurückzog. Seine Söhne Wilhelm und Friedrich traten an seine Stelle. Die Firma nannte sich jetzt „Gebrüder Dierig“. Sie lebt fort in der Dierig Holding AG, Augsburg, die sich derzeit freilich von der Textilproduktion zugunsten von Immobilien- und Handelsgeschäften trennt; Spinnerei und Weberei schlossen zum 30. Juni 1997.

Christian Gottlob Dierig war eine Persönlichkeit von zurückhaltendem Wesen. Der Grund für den außergewöhnlichen Aufstieg seines Unternehmens lag zumal in seinem Geschick bei der Herstellung von ausgefallenen, der Nachfrage entsprechenden Mustern sowie in seinen außerordentlichen kaufmännischen Fähigkeiten. Sein soziales Empfinden war demgegenüber offenbar weniger entwickelt.

Lit.: Gottfried Dierig: Christian Gottlob Dierig, in: Schlesische Lebensbilder I (21985), S. 174-176. – „Das Werk von fünf Generationen“. 150 Jahre Dierig. Hrsg. von der Christian Dierig Aktiengesellschaft Augsburg (1955). – Christian Gottlob Dierig: Über uns und etwas mehr (Augsburg 1993).

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Gottfried_Dierig

 Konrad Fuchs