Biographie

Doebbelin (Döbelin), Carl Theophilus (Carl Gottlieb)

Herkunft: Ostbrandenburg
Beruf: Schauspieler, Theaterdirektor
* 24. April 1727 in Königsberg/Neumark
† 10. Dezember 1793 in Berlin

Mit dem Tode Friedrichs des Großen im Sommer 1786 wich die Kühle des traditionellen, in Konventionen erstarrten französischen Stiles von der Stadt Berlin, um dem gemütvollen Ton der neuen deutschen Bildung Platz zu machen. Der Neffe und Nachfolger König Friedrichs, Friedrich Wilhelm II., übergab das französische Komödienhaus am Gendarmenmarkt in der Friedrichstadt, das in den Jahren 1774 bis 1776 für eine französische Theatertruppe gebaut worden war, nun aber schon acht Jahre leer stand, seiner neuen Bestimmung als „Nationaltheater“. Er fügte dem die wohlgesinnten Worte hinzu: „Wir sind Teutsche und wollen es bleiben.“

Es war Carl Theophilus Doebbelin, der in der benachbarten Behrenstraße unter sehr bescheidenen Umständen wirkende Theaterunternehmer, dem der neue König zuvor in einer Audienz erklärt hatte: „Der deutschen Thalia und Melpomene soll Unterstützung widerfahren … Alles Ungemach, so Er bisher großmütig ertragen hat, soll Ihm jetzt versüßt werden. Ich gebe Ihm das Komödienhaus auf dem Gendarmenmarkt …“ Doebbelin war ganz überwältigt gewesen und hatte geantwortet: „Huld und Gnade von Euer Majestät verjüngen den eisgrauen Doebbelin und machen ihn zum kühnen Jüngling … Heil dem Monarchen, dessen Gnade in mirdie Worte erstickt!“ Nach der Aufforderung des Königs: „Geh Er geschwind nach Hause, denn in meinem Schlosse will ich keine Ohnmächten haben!“, war er, ohne ohnmächtig zu werden, mit theatralischen Gesten davongeeilt, so wie er seine Lear-Abgänge spielte.

Wer war Doebbelin, wie kam er zu der königlichen Gnade? Ein Sohn der Neumark, hatte er am Ersten Schlesischen Krieg 1740/1742 teilgenommen und nach dem Besuch des Gymnasiums zum Grauen Kloster in Berlin an den Universitäten Frankfurt a. O. und Halle a. S. Rechtswissenschaften studiert, aber, da er an studentischen Tumulten beteiligt gewesen war, die Universität verlassen müssen. Er wandte sich dem Theater zu und debütierte 1750 als Protagonist bei der Gesellschaft der Neuberin in dem anhaltinischen Residenzstädtchen Zerbst. Schließlich war er seit 1754 bei der Ackermannschen Truppe, bis er 1756 die Gründung einer eigenen Truppe wagte. Mit ihr wirkte er in Weimar, wo er aber mit Herzog Ernst August Constantin, dem Gemahl der noch minderjährigen Anna Amalia, 1757 in Unstimmigkeiten geriet. Danach wieder bei Ackermann, dann bei Schuch in Berlin, dem er bei der Abschaffung der Stegreif-Komödie half, begründete er 1767 abermals eine eigene Gesellschaft, mit der er mehrere preußische Provinzen durchzog, seit 1771 aber auch in Halle, Leipzig, Magdeburg, Braunschweig und Dresden spielte. Als im Jahre 1775 der Prinzipal Koch in Berlin gestorben war, konnte Doebbelin dessen Generalprivileg erwerben und mit seiner Truppe in der preußischen Haupt- und Residenzstadt seßhaft werden. Er erwarb von der Witwe Kochs auch das Theater seines Vorgängers im Hinterhof des Hauses Behrenstraße 55 mit etwa 700 Plätzen, das Goethe bei seinem Besuch in Berlin im Mai 1778 nicht zu besuchen versäumte. Doebbelin, dessen (1775 von ihm geschiedene) Frau Katharina Friederike sowie dessen Kinder Karoline Maximiliane und Karl Konrad Kasimir ebenfalls spielten, war ein hochtalentierter Mime, auch ein geschickter, flinker Verseschmied, „ein richtiger Komödiant bis zur undisziplinierten Schludrigkeit“ (H. Knudsen). Er spielte Könige und Helden, Charakter- und Vaterrollen. Er stand mit seiner Kunst insofern nicht auf der Höhe der Zeit, als er in Deklamation und Gestik am französischen Stil des 17. Jahrhunderts festhielt, der im Lichte der deutschen Natürlichkeitsbestrebungen Ekhofs in Gotha oder Friedrich Ludwig Schröders in Hamburg und Wien als Schwulst erscheinen mußte. DoebbelinsBedeutung liegt in seinem Wirken als Prinzipal, als der er übrigens seinen Schauspielern ein wahrer Vater war. Doebbelin war um einen literarisch anspruchsvollen Spielplan bemüht und hat sich in seinem vaterländischen Empfinden vornehmlich für das deutsche Drama eingesetzt. Vor allem um Lessing machte er sich verdient. Im März 1768 hatte er Minna von Barnhelm, bei ihrer Uraufführung 1767 in Hamburg wenig erfolgreich, in Berlin herausgebracht und damit so viel Resonanz gefunden, daß in sechs Wochen 19 Vorstellungen möglich gewesen waren. 1772 hatte Doebbelin in Braunschweig Emilia Galotti zum ersten Male aufgeführt. 1783 endlich brachte er in der Behrenstraße Nathan den Weisen, der bisher als unaufführbar gegolten hatte, heraus. Man versteht, warum König Friedrich Wilhelm II., der selbst Künstler war, Doebbelin das neue Nationaltheater anvertrauen konnte. Freilich sollte dieser die in ihn gesetzten Erwartungen kaum erfüllen. Vielleicht war seine schöpferische Kraft versiegt. Zudem drohten hohe Schulden, die das Ergebnis seiner lebenslangen Spielleidenschaft waren, das Theater in eine geschäftliche Unordnung zu stürzen. Es wurde eine Generaldirektion berufen und Doebbelins Stellung auf die eines Regisseurs und Schauspielers begrenzt. 1789 mußte er sich ganz zurückziehen. Doch fand der König ihn auf die nobelste Weise ab. Er kaufte ihm den gesamten Fundus, den er in das Nationaltheater eingebracht hatte, ab und setzte ihm eine lebenslängliche Pension aus.

Lit.: Alfred Muhr: Rund um den Gendarmenmarkt. Von Iffland bis Gründgens. Zweihundert Jahre musisches Berlin, Oldenburg i. O. und Hamburg 1965. – Hans Knudsen: Carl Theophilus Doebbelin, in: Neue Deutsche Biographie 44 (1959), S. 9-10 (hier weitere Literatur).

Bild: Nach einer Zeichnung von Chodowiecki aus dem Jahre 1779, Bildarchiv des Süddeutschen Verlages München.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Theophil_D%C3%B6bbelin

Peter Mast