Biographie

Dohrn, Carl August

Herkunft: Pommern
Beruf: Zoologe
* 27. Juni 1806 in Stettin/Pommern
† 10. Mai 1892 in Stettin/Pommern

Der einzige Sohn des Heinrich Dohrn (1769-1852) und der Johanna Hüttern wurde am 27. Juni 1806 in Stettin geboren. In dieser Stadt hatte Heinrich Dohrn das Handelshaus Jahn und Dohrn errichtet und war 1817 Mitbegründer der Pommerschen Provinzial-Zuckersiederei. Großvater Friedrich Dohrn kam aus Barth/Vorpommern, er war später Chirurg in Posen. Carl August Dohrn war hochmusikalisch. Eine Begabung, vom Vater ererbt, wurde von ihm an seine Kinder weitergegeben und zog sich als Familienmerkmal durch weitere Generationen.

Der vielseitige junge Mann besuchte das Marienstiftsgymnasium. Mit absolutem Gehör und einer schönen Stimme begabt, sang er bereits während seiner Gymnasialzeit im Chor der Jacobi-Kirche mit, noch später konnte er ganze Teile von Opern auswendig singen und sich selbst dabei begleiten. Frühzeitig legte er das Abiturab und entschloß sich zunächst für das Studium der Rechtswissenschaft, mehr aus Pflicht denn aus Neigung. Er schloß sein Studium an der Berliner Universität mit dem Staatsexamen ab und kehrte als Referendar nach Stettin zurück. Innerfamiliäre Schwierigkeiten veranlaßten ihn, den Wunsch seines Vater zu befolgen und eine kaufmännische Ausbildung zu absolvieren. Mit reichlichen Mitteln ausgestattet, reiste er zu den Haupthandelsplätzen. Gründlich sah er sich zunächst in Europa um: Von Hamburg aus bereiste er Skandinavien und Finnland, dann folgten die Schweiz, Holland, Frankreich und Italien. Besonders intensiv hat ihn Spanien beschäftigt. Von Marseille segelte er nach Algier. Dann folgten Reisen nach Brasilien, auch ins Innere des Landes und ebenso auf einige westindische Inseln. Er studierte die Sprachen im jeweiligen Aufenthaltsland sehr gründlich. Weit über eine kaufmännische Ausbildung hinausgehend, betrieb Carl August Dohrn Literaturstudien und legte den Grundstock zu seiner später weltberühmten Käfersammlung. Auch stellte er eine Sammlung von ausländischen Volksliedern zusammen, die er nach seiner Rückkehr sogar dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. in Potsdam vorspielen durfte. Carl August Dohrn war auf seinen Weltreisen ein unermüdlicher Briefeschreiber. In seinen Berichten hat er Menschen, Landschaften und Städte beschrieben und von sozialen, kirchlichen und politischen Zuständen berichtet. Der Zuckersiederei in Stettin kamen solche Erfahrungsberichte auf chemischem, technischem und kommerziellem Gebiet zugute.

Nach seiner Rückkehr im Jahre 1837 konnte Dohrn endlich seine große Jugendliebe Adelheid Dietrich in Berlin heiraten, sie stammte ebenfalls aus einer musikalischen Kaufmannsfamilie. Dem Ehepaar wurden vier Kinder geboren: Tochter Anna und die Söhne Heinrich, Wilhelm und Anton Dohrn. Nach seiner Rückkehr und der Heirat übte er keinen seiner Berufe aus. Das Familienvermögen erlaubte es Carl August Dohrn, ein großes Haus zu führen und seine vielfältigen Fähigkeiten zu entfalten. Er beschäftigte sich mit der Übersetzung spanischer Literatur und veröffentlichte vier Bände spanischer Dramen und einige Komödien von Calderón, außerdem übersetzte er auch die Liedertexte des schwedischen Komponisten Lindblad ins Deutsche.

Dohrns größte Neigungen aber lagen auf dem Gebiet der Naturwissenschaften und der Musik. Im Hause dieses Mannes erklangen in künstlerischer Ausführung die Kammermusikwerke von Beethoven und Schubert. Als Jenny Lind, die schwedische Nachtigall, nach Deutschland kam, sang sie zuerst in seinem Haus in Stettin. Seine Verbindungen mit großen Musikern seiner Zeit, Frédéric Chopin oder Felix Mendelssohn-Bartholdy – dieser wurde Taufpate seines jüngsten Sohnes Anton – brachten es mit sich, daß er auch großen Einfluß auf das Musikleben in Stettin ausüben konnte, das sich zu jener Zeit von Berlin zu lösen begann und zu einer Eigenständigkeit fand, die europäische Geltung erreichte. Er war mit dem berühmten Balladen-Komponisten Carl Loewe befreundet und nannte den Organisten der Jacobi-Kirche „den dicken Liebling Apolls“. Carl August Dohrn zählte auch bedeutende Maler, Schriftsteller und Naturwissenschaftler zu seinen Freunden. Entscheidend für Dohrns spätere wissenschaftliche Tätigkeit aber war die Gründung des Stettiner Entomologischen Vereins (auf Entomologie = Insektenkunde bezogen) im Jahre 1837 durch Dr. Schmidt. Er trat sofort dieser Vereinigung bei. Schon bald wurde er Präsident des Vereins, der unter seiner Leitung weltweite Bedeutung erlangte; in Deutschland war er der einzige seiner Art. So wurde auch seine Vaterstadt Stettin oft Tagungsort von Wissenschaftlern aus aller Welt. Erwähnenswert ist die dort 1863 abgehaltene Versammlung „Deutscher Naturforscher und Ärzte“, auf der der Zoologe Ernst Haeckel sein Bekenntnis zu Darwin vortrug und der berühmte Pommer Rudolf Virchow einen Vortrag über Zellularpathologie hielt. Von 1843-87 gab Dohrn die Entomologische Zeitung heraus, von 184666 verfaßte er die Linnaea entomologica in 16 Bänden, die noch heute weltweite Bedeutung haben, 1855 den Catalogus Coleopterorum Europae und 1859 den Catalogus Hemipterorum. Er wurde zu einem hervorragenden Kenner und Förderer auf dem Gebiet der Entomologie. Dafür verlieh ihm die Universität Königsberg 1862 die Ehrendoktorwürde. Er war Ehrenmitglied zahlreicher in- und ausländischer wissenschaftlicher Vereine und ein anerkannter Referent auf Fachtagungen in aller Welt in der jeweiligen Sprache des Gastlandes. Eine lebenslange Freundschaft verband ihn mit Alexander von Humboldt, der ihm einst auch den Weg in diese Sparte der Zoologie gewiesen hatte. 1859-61 war Carl August Dohrn Abgeordneter für Stettin im Preußischen Abgeordnetenhaus. Von 1846-72 leitete er die von seinem Vater (Heinrich Dohrn +1852) gegründete Zuckersiederei. 1887 feierte der Entomologische Verein Stettin sein 50jähriges Jubiläum, danach zog er sich aus der aktiven Vereinsarbeit zurück. Die Leitung und die Herausgabe der Vereinspublikationen übernahm sein Sohn Dr. Heinrich Dohrn, ebenfalls Naturwissenschaftler. Dieser Sohn war auch Begründer und Förderer des Museums an der Hakenterrasse in Stettin, wohin die umfangreiche Käfersammlung seines Vaters (über 40000 Insektenarten) kam, dazu noch andere Sammlungen aus dem Dohrnschen Familienbesitz, die als Schenkung der Stadt Stettin vermacht wurden. Ein Zeichen des Mäzenatentums großer Stettiner Unternehmerfamilien. Dies alles wurde 1945 vernichtet oder verschleppt. Verbrannt sind auch die erwähnten Berichte Dohrns von seinen Weltreisen. Im Alter verbrachte Carl August Dohrn die Winter bei seinem Sohn Anton, dem Leiter und Begründer der zoologischen Forschungsstation in Neapel. Dort in der „Casa Dohrn“ fanden sich Vater und Sohn nicht nur bei gemeinsamen Interessen auf zoologischem Gebiet, hier wurde auch mit vielen befreundeten Künstlern die Musik gepflegt.

Carl August Dohrn starb am 10. Mai 1892 in Stettin und wurde auf dem Familienfriedhof in Stettin-Hökendorf beigesetzt. Heute ist diese Grabstelle, auf der viele Angehörige dieser Familie ihre letzte Ruhestätte fanden, ausgelöscht.

Lit.: Klaus Dohrn: Von Bürgern und Weltbürgern – eine Familiengeschichte, Verlag Günther Neske, Pfullingen 1983. – Allg. Deutsche Biographie, Bd. 47, 1903 S. 779 — Neue Deutsche Biographie, Bd. 4, 1959, S. 56.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_August_Dohrn

Ilse Gudden