Biographie

Dunin Sulgustowski, Marcin

Herkunft: Posener Land
Beruf: Erzbischof von Gnesen-Posen
* 11. November 1774 in Wal/Masowien
† 26. Dezember 1842 in Posen

Marcin Dunin, der einer kinderreichen polnischen Adelsfamilie entstammte, wurde schon früh für die geistliche Laufbahn bestimmt. Seiner Erziehung nahm sich sein Onkel Wawrzyń, selbst Exjesuit und Domkapitular in Włocławek, an. Nach dem Schulbesuch in Rawa und Bromberg kam Dunin 1793 an das Collegium Germanicum nach Rom, wo er am 23.9.1797 die Priesterweihe empfing. In der polnischen Hierarchie stieg er rasch auf. 1798 holte ihn der Krakauer Ordinarius Turski in seine Umgebung und vermittelte ihm ein Kanonikat im Kollegiatstift Wiślica. Seit 1800 Mitglied des Domkapitels von Włocławek und Propst in Słuźewo, wechselte er 1808 nach Gnesen, wohin ihn Erzbischof Raczyński als Domherrn und Auditor berufen hatte. Der 1815 mit der Prälatenwürde ausgezeichnete und mit dem Kanzleramt betraute Geistliche empfahl sich als begabter, fleißiger und konzilianter Mitarbeiter auch den preußischen Staatsbehörden, welche ihn 1818 zum Schulrat bei der Regierung Posen ernannten. In der Folgezeit war Dunin maßgeblich an der Reorganisation der katholischen Kirche auf der Grundlage der Bulle „De salute animarum“ von 1821 beteiligt, die die Vereinigung der Diözesen Gnesen und Posen zu einem Erzbistum vorsah. 1826 hatte die preußische Regierung Dunin als Kandidat für die Nachfolge des verstorbenen Erzbischofs Gorzeński ins Auge gefaßt, mußte allerdings den als polenfreundlicher geltenden Teofil Wolicki akzeptieren. Nach dessen Tod trat Dunin am 27.12.1829 als Kapitularvikar an die Spitze der Erzdiözese. Wenig später subdelegierte ihn der päpstliche Exekutor Joseph von Hohenzollern mit der weiteren Ausführung der Bulle „De salute animarum“ im Gnesen-Posener Sprengel. Nun stand der Wahl Dunins zum Erzbischof am 15.3.1830 nichts mehr im Wege. Am 10.7.1831 konnte er in Gnesen die Bischofsweihe empfangen und sein neues Amt antreten.

Dunins kirchlicher Aufstieg fiel in eine Zeit der politischen Krise. Der Novemberaufstand in Kongreßpolen fand auch bei den Polen im benachbarten Preußen ein begeistertes Echo. Dunin, welcher sich seiner Gratwanderung zwischen der Regierung und seinen Diözesanen wohl bewußt war, mahnte in einem Hirtenbrief vom 8.12.1830 allgemein zur Mäßigung, was ihm den Unmut beider Seiten eintrug. Zudem erwuchs ihm in der Person des Oberpräsidenten von Posen, Eduard von Flottwell (seit Dez. 1830), ein schwieriger Gegner. Während Dunin auf einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen von Kirche und Staat bedacht war, suchte Flottwell rücksichtslos das ius circa sacra des Staates durchzusetzen. Mit der religiösen Problematik eng verwoben war der sich verschärfende Nationalitätenkonflikt. So ergaben sich ständig Auseinandersetzungen, z.B. um Religionsunterricht, Predigt- und Amtssprache, Kirchenvermögen und Klostersäkularisation. In den ersten Jahren fand der Erzbischof allerdings Rückhalt bei Kultusminister von Altenstein in Berlin. Dadurch war es ihm möglich, die institutionell-pastorale Erneuerung in seinem Sprengel fortzuführen (z. B. 1833 Einrichtung eines Lehrerseminars im säkularisierten Zisterzienserkloster Paradies, 1835 eines Priesterseminars mit wissenschaftlichem Zweig in Posen und Pastoralkurs in Gnesen, Herausgabe eines nach ihm benannten Gebetbuchs). Im Gefolge des sogenannten Kölner Kirchenstreits um die Mischehengesetzgebung geriet jedoch auch der Metropolit von Gnesen-Posen in einen schweren Konflikt mit der Staatsführung. Vor dem Hintergrund des Allgemeinen Landrechts und seiner Nachfolgebestimmungen bestand die Regierung darauf, daß in konfessionsverschiedenen Ehen die religiöse Kindererziehung den Eltern zu überlassen sei, wobei in der Regel die Konfession des Vaters den Ausschlag geben solle. Dieses Gesetz widersprach dem kanonischen Recht, das vor der Trauung einer gemischtkonfessionellen Ehe von den Brautleuten das schriftliche Versprechen zur katholischen Kindererziehung verlangt. Mit einem Breve Papst Pius‘ VIII. vom 25.3.1830 zeichnete sich ein Kompromiß ab, indem der Heilige Stuhl die Trauung von Mischehen ohne die kanonisch vorgeschriebene Zusage bezüglich der Kindererziehung gestattete, und zwar unter passiver Assistenz des Priesters. In diesem Sinne hatte sich auch Dunin am 20.1. desselben Jahres geäußert. Nachdem sich unter Papst Gregor XVI. und dem Kölner Erzbischof Clemens August von Droste-Vischering der Mischehenkonflikt erneut zugespitzt hatte, stellte sich Dunin jedoch nach gescheiterten Verhandlungen mit der Regierung in einem Rundschreiben an seine Dekane vom 30.1. sowie in einem Hirtenbrief vom 27.2.1838 ganz auf den Standpunkt des kanonischen Rechts. Das Ministerium der geistlichen Angelegenheiten erklärte am 25.6.1838 den erzbischöflichen Erlaß für ungültig. Wegen Überschreitung seiner Kompetenzen suspendierte das Oberappellationsgericht in Posen Dunin am 23.2.1839 von seinem Amt und verurteilte ihn zu sechs Monaten Festungshaft. Daraufhin schaltete sich Friedrich Wilhelm III. persönlich ein. Er lud den Erzbischof zu Verhandlungen nach Berlin, ließ, da Dunin nicht nachgab, das Urteil zwar verkünden (25.4.1839), verwandelte die Festungsstrafe jedoch in einen Hausarrest in Berlin. Als Dunin am 3.10.1839 dennoch die preußische Hauptstadt heimlich verließ und in seine Erdiözese zurückkehrte, eskalierte die Situation. Am 8.10.1839 ließ der König den intransigenten Kirchenfürsten verhaften und auf die Festung Kolberg bringen. Erst nach dem Thronwechsel in Berlin erreichte Dunin seine Rehabilitierung. Gegen gewisse formale Zugeständnisse in der Mischehenfrage begnadigte ihn Friedrich Wilhelm IV., so daß er am 5.8.1840 wieder nach Posen heimkehren konnte, wo ihm seine Diözesanen, die seinetwegen die Kirchentrauer ausgerufen hatten, einen triumphalen Empfang bereiteten. Allerdings hatte der „Kirchenkampf“ Dunin ziemlich mitgenommen. Ein Gallenleiden machte ihm zunehmend zu schaffen, an dem er zwei Jahre später starb. Seine sterbliche Hülle ruht in der Kathedrale zu Posen; sein Herz wurde im Gnesener Dom beigesetzt. Im Schicksal Marcin Bunins spiegeln sich zwei Grundprobleme des preußischen Staats im 19. Jahrhundert, zum einen der Konflikt der staatskirchlich-protestantisch ausgerichteten Regierung mit der katholischen Hierarchie, zum anderen die schwierige, letztlich zum Scheitern verurteilte Integration der polnischen Bevölkerung in den Ostprovinzen.

Lit.: F. Pohl: Martin von Dunin, Erzbischof von Gnesen und Posen. Eine biographische und kirchenhistorische Skizze, Marienburg 1843. – M. Laubert: Die preußische Polenpolitik von 1772-1914, Krakau 31944 (weitere Veröffentlichungen von M. Laubert zum Thema zit. bei Klimkiewicz u. Bautz). – W. Klimkiewicz: Art. D. S.M., in: Polski Slbwnik Biograficzny 5 (1939-1946) S. 477f. – E. R. Huber/W. Huber: Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert. Dokumente zur Geschichte des deutschen Staatskirchenrechts, Bd. 1, Berlin 1973, bes. S. 406-438. – F.W. Bautz: Art. D., M., in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 1 (1975), Sp. 1421-1423. – Z. Grot: Art D.S., M. v., in: Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1785/1803–1945. Ein biographisches Lexikon, hrsg. v. E. Gatz, Berlin 1983, S. 149–151.

Bild: Stich, aus: F. Pohl: Martin von Dunin, Titelvorsatz.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_von_Dunin

Barbara Wolf-Dahm