Biographie

Ecklebe, Alexander

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Komponist
* 12. Januar 1904 in Cosel/Oberschlesien
† 8. September 1983 in Berlin

Der „schlesische Berliner“ Alexander Ecklebe ist in dieser Eigenschaft beinahe ein typischer Fall, war doch vor dem Kriege die Reichshauptstadt Berlin der Ort, an dem nach Breslau die größte Zahl schlesischer Komponisten ein angemessenes Wirkungsfeld und zumeist auch ihre zweite Heimat fand. Andererseits ist Ecklebe dadurch ganz untypisch, daß er den größeren Teil seines künstlerischen Daseins als freischaffender Komponist, also ohne feste berufliche Bindungen, gestalten konnte, ohne jene Notsituation zu erfahren, die für das Bild des freien Künstlerlebens lange Zeit als unvermeidbar und als besonders kennzeichnend betrachtet wurde. Aus der Gruppe der kurz nach der Jahrhundertwende geborenen schlesischen Komponisten ist der Lebensgang Ecklebes dadurch gekennzeichnet, daß er trotz zweier Weltkriege und trotz politischer Wirren und schlimmer wirtschaftlicher Krisen beinahe gradlinig und ohne allzu große Verluste und Brüche verläuft. Zwar bleibt auch ihm nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches und nach der Entlassung aus Kriegsgefangenschaft eine zeitweilige Tätigkeit als Barpianist, Gartenarbeiter und Notenkopist nicht erspart, aber bald kann er in vertrauter Umgebung dort mit seiner Arbeit wieder anknüpfen, wo er gegen Ende des Krieges aufhören mußte, nachdem er als Volkssturmmann in russische Gefangenschaft geraten war. Er wurde als Mitarbeiter zum Berliner Rundfunk geholt, bei dem er bereits von 1930 bis Anfang 1945 ununterbrochen gearbeitet hatte. Von 1948 bis 1950 war er hier zuerst als Referent für Kammermusik und zuletzt als kommissarischer Abteilungsleiter für die Ernste Musik fest angestellt. Da ihm die Verwaltungsarbeit kaum noch das Komponieren erlaubte, kündigte er seine Anstellung und wagte den Schritt zum freischaffenden Komponisten. Daß dieses Wagnis glückte, beweist nicht nur der Umfang des Verzeichnisses der danach entstehenden Werke, sondern auch die Frische seiner Schaffenskraft, die immer wieder Neues entstehen läßt aus Freude, sich seinen Hörern in vielfältiger Weise mitteilen zu können. Und er hat sich mit seinem thematisch weitgespannten Werk einen großen Hörerkreis erworben.

Ecklebe, 1904 im oberschlesischen Cosel geboren, übersiedelte im Kindesalter mit seinen Eltern nach Breslau. Früh regte sich bei ihm der Wunsch nach Beschäftigung mit der Musik. Hier erhielt er am Breslauer Konservatorium Unterricht in Cello und Klavier, später besuchte er das Schlesische Konservatorium, das ihm unter Leitung von Hermann Buchal eine umfassende und gründliche musikalische Ausbildung vermittelte. Das theoretische Handwerk erlernte er bei dem Reger- und Humperdinckschüler Adolf Ehrenberg. Später beeinflußten ihn Gerhard Strecke und besonders Ernst August Voelkel, der vor allem der damals modernen Musik gegenüber aufgeschlossen war. Er legte bald das Organistenexamen ab. Durch das rege Musikleben Breslaus lernte er nicht nur die Werke fast aller berühmten Komponisten dieser Zeit sehr früh kennen, sondern erhielt im Opernhaus tiefe Eindrücke durch Werke Franz Schrekers. Seine Bewerbung für einen Platz in dessen Meisterklasse für Komponisten an der Musikhochschule in Berlin war erfolgreich; 1929 wechselte er nach Berlin über, das er für längere Zeit nicht mehr verlassen sollte. Die Lehrzeit bei Franz Schreker hinterließ bleibende Wirkungen auf seinen Persönlichkeitsstil, aber auch seine Liebe zur Beschäftigung mit der Form der Oper. Schon in Breslau hatten seine Kompositionen im Konzertsaal und im Rundfunk auf ihn aufmerksam werden lassen. Nun holte sich der Berliner Rundfunk im Jahre 1931 den Komponisten noch während seines Studiums als Mitarbeiter an die Opernabteilung. Später war er auch in anderen Ressorts wie Unterhaltungsmusik, Oper und Konzert und nach dem Kriege noch einmal drei Jahre lang dort tätig. Danach entfaltete sich sein kompositorisches Werk unabhängig von Berufspflichten. Aus der Vielfalt von Gattungen und Formen heben sich drei Schwerpunkte heraus, während die Großform der Sinfonie fast vollständig fehlt. Der erste Schwerpunkt ist die durch sein gesamtes Schaffen reichende Bemühung um die Oper, die sich von dem Erstlingswerk „Genoveva“, 1936 uraufgeführt, bis „Jungfer Maleen“, 1974, dokumentiert, wozu auch Funkopern, Funkmärchen, Musik zu Balletten, zu Filmen (auch im Fernsehen) und zu Fernsehspielen treten.

Das zweite reich bestellte Feld ist das der Kammermusik. Es weist auf: Duos für die verschiedensten Instrumente, Trios und Quartette, wobei die Streichtrios und seine drei Streichquartette im Vordergrund stehen, weiter die vielen Kompositionen für Bläserbesetzungen, die Klavier- und Orgelmusik; der musizierende Laie, aber auch der Berufsinterpret finden in diesem Werk ein breites Angebot dankbarer, künstlerisch anspruchsvoller Musik.

Ecklebe dürfte nicht Schlesier sein, wenn das dritte bevorzugte Schaffensgebiet nicht das Lied wäre. Dabei dominiert das Klavierlied. Beinahe die Hälfte der von ihm vertonten Dichter sind Schlesier. Das Sololied mit Begleitung in verschiedensten Instrumentalbesetzungen, die Liedkantate, das Chorlied für gemischten Chor und Männerchor, a cappella und mit Begleitung, alle diese Formen sind reichlich in seinem Werk vertreten. Die enge Verbindung seines Schaffens mit dem Lied, vor allem auch mit dem Volkslied ist ein tragendes Element in seinem Komponieren – bis heute. Ein Grund dafür ist sicherlich die weiterhin bestehende enge Zusammenarbeit mit dem Rundfunk und die daher rührenden Anregungen und Aufträge. Aber die Bindung an das grundschichtige Singen ist für den schlesischen Musiker ganz allgemein charakteristisch. Im übrigen ist die thematische Spannweite der Musik Ecklebes immer sehr groß gewesen. Sie reicht von der geistlichen Musik über die Musik im Konzertsaal und für die technischen Medien, von Oper und Ballett bis zur Unterhaltungsmusik. Bis auf wenige Ausnahmen bleibt sie tonal, freilich in einer erweiterten Tonalität. Gekennzeichnet ist sie durch melodischen Erfindungsreichtum, rhythmische Vitalität, durch souveräne Beherrschung der instrumentalen Mittel und Verwendung der Klangfarbe als subtiles Gestaltungsmittel. Aus der Tradition der Spätromantik wächst Ecklebe heraus, assimiliert Elemente der Neuen Musik und schreibt auch heute noch in bewundernswerter Schaffenskraft weiterhin Werk auf Werk, immer mit dem Ziel, von einer möglichst großen Zahl von Hörern verstanden zu werden.

Lit.: Selbstdarstellung „Mein musikalischer Werdegang“, in „Zeitgenössische schlesische Komponisten“ Bd. III; Laumann Verlag Dülmen i. W. 1982. Darin vollständiges Werkverzeichnis (Stand 1981) und Literaturverzeichnis. Riemann-Musiklexikon, Ergänzungsband; Mainz 1972. Frank-Altmann: Kurzgefaßtes Tonkünstler-Lexikon, Ergänzungsband; Wilhelmshaven 1974. Hans Joachim Moser: Musiklexikon, 4. Auflage, Hamburg 1955. International Who’s Who in Music and Musician’s Directory; Cambridge 1980.

Gotthard Speer