Biographie

Egermann, Friedrich

Herkunft: Siebenbürgen
Beruf: Glasbläser, Glas- und Pozellanmaler
* 5. März 1777 in Schluckenau/Nordböhmen
† 1. Januar 1864 in Haida

Vor 225 Jahren wurde in Schluckenau (Šluknov) Friedrich Egermann, eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der böhmischen Glasindustrie, geboren. Sein Leben lang widmete er sich voll dem Glase. Er arbeitete sich nach und nach aus armseligen Verhältnissen zu einem anerkannten Glasmaler, Technologen, gewandten Glasgeschäftsmann und geachteten Bürger empor.

Nach einer kummervollen Kindheit lernte er bei seinem Onkel, dem Glashüttenmeister Anton Kittel in Falkenau (Falknov), das Handwerk des Glasmachers und Glasmalers. Er wurde in die Zunft der Kreibitzer „Glasschneider, Vergolder und Glasmaler“ aufgenommen.

Danach ging er auf Wanderschaft. Als einfacher Messerschleifer und Drahtbinderjunge kam er in bedeutende sächsische Porzellanmanufakturen in Gera und auf die Albrechtsburg in Meissen. Trotz der strengen Geheimhaltung gelang es ihm, sich mit der Zubereitung der Farben, Pinsel und der Technik der feinen Porzellanmalerei bekannt zu machen.

Nachder Rückkehr in seine Heimat lernte er zwei Jahre lang fleißig Zeichnen im Piaristenkollegium bei Professor Marcellin Fromm in Haida (Bor) und begann sich allmählich als fähiger Glasmaler durchzusetzen. Mit 29 Jahren heiratete er Elisabeth, die Tochter des Lusterunternehmers Benedikt Schürer aus Blottendorf (Polevsko). Mit dieser Heirat sicherte er sich finanziell ab. In seiner Werkstatt befaßte er sich anfangs mit fein gemalten Dekors auf Milch- und Alabasterglas. Die ersten kommerziellen Erfolge hatte Egermann im Jahre 1809 mit der neuen Maltechnik des Mattierens von Milchglas, dem sog. Agatieren. Weitere Malertechniken, vor allem die Verbesserung der weißen Farbe zu dem glänzenden Perlmutteremail und dem matten Bisquitemail, standen im Jahre 1824 sicher noch unter dem Einfluß der Erfahrungen aus Meissen. Diese Emails wurden auch in Pastellschattierungen getönt: nämlich in Gelb, Blau und Rotbraun. Diese Technik des Auftragens des plastischen Emails (am Anfang nur in Form von kleinen Perlen) wurde erfolgreich auch auf die Verzierung von Spiegelrahmen übertragen.

Egermanns Beiträge betreffen auch die handwerkliche Geschicklichkeit und das Design. Obwohl er selbst kein Spitzenmaler war, gelang es ihm, für sein Atelier erstklassige Maler zu gewinnen und junge begabte Handwerker heranzubilden. Es arbeiteten mit Egermann z.B. Carl von Scheidt, Alois Knispel, Anton Bendel, Alois Eiselt, A.F. Schierer, Wilhelm Görner und andere zusammen. Bei ihm erlernten das Handwerk spätere Meister, wie z.B. der Graveur Karl Pfohl, Egermanns Sohn Anton Ambrosius und der Bildhauer Emanuel Max.

Bereits ab 1816 befaßte sich Egermann ununterbrochen mit Experimenten des Glasfärbens in dünnen Schichten durch Bei-zen. Zwischen 1817 und 1818 gelang es ihm, die Technologie der gelben Silberbeize zu bewältigen. Dazu muß erwähnt werden, daß sich mit der Technik der Gelbbeize, die bereits von der mittelalterlichen Kirchenfensterherstellung her bekannt und später vergessen war, zur gleichen Zeit oder sogar schon früher, auch noch andere bedeutende Maler befaßten. Egermann nützte aber alle Möglichkeiten der Silberbeize aus, so zum Beispiel bei der Produktion von Lithyalingläsern und durch die Kombination von Gravur und Transparentfarben.

Seine Experimente führte er in einem Schuppen in Blottendorf aus, wo ein Muffelofen mit direkter Holz- und Kohlenfeuerung stand. Bei den Versuchen mit Silber erlitt er eine ernste Verletzung am Scheitel – anscheinend erzeugte er Knallsilber –, worauf er bis an sein Lebendsende eine typische Mütze trug, so wie wir ihn von der Zeichnung nach Johann Zacharias Quast kennen (siehe Abbildung).

Um 1820 war Egermann schon so erfolgreich, daß er in Haida das Bürgerrecht erlangte und in den Häusern Nr. 100 und 101 auf dem Stadtplatz eine umfangreiche Glasraffinerie errichten konnte. Im gleichen Jahr 1820 übernahm er als Nachfolger seines Onkels, des Glasmachermeisters Anton Kittel, für die Dauer von zwei Jahren die Verwaltung der Glashütte Neuhütte (Nová Huť) in der Gemarkung Röhrsdorf (Svor), nicht in Blottendorf, wie oft falsch angeführt wird.

Ab der zweiten Dekade des 19. Jahrhunderts, in der Zeit des Biedermeiers, war das Interesse auf Farbglas gerichtet. Die edelste Farbe war das Goldrubin, mit Golddukaten gefärbt. Diese Technologie beherrschten damals in Böhmen nur wenige Glas- und Kompositionshütten. Mit höchster Wahrscheinlichkeit versuchte auch Egermann, in Neuhütte Goldrubin zu erzeugen.

Einige Erwähnungen in der Literatur und die Tatsache, daß er in jener Zeit für seine Experimente mehr als 200 Thaler aufbrachte, weisen darauf hin, daß er offensichtlich nicht erfolgreich war.

Das scheinbar zufällige Ergebnis von Egermanns unterschiedlichen Versuchen waren Steingläser. So bezeichnen wir heute eine bestimmte Art von sattfärbigen, getrübten Gläsern mit wesentlichen nichthomogenen Teilen (Streifen, Marmorierungen), die den Naturhalbedelsteinen (Marmor, Jaspis, Achat u.a) ähnlich sind. Diese Glasschmelzen waren in den meisten Glashütten, die Farbglas erzeugten, allgemein bekannt. Egermanns Beitrag besteht darin, daß er die Marmorglasschmelzprodukte dekorativ schleifen und auf die geschliffenen Flächen und Medaillons die Gelb- und Rotbeize einbrennen ließ. Damit gewann er einen neuen Typ des Erzeugnisses mit effekt- und ausdrucksvoll verfärbten nichthomogenen Teilen und verschiedenfarbiger Oberfläche. An der Wiener Technischen Hochschule wurde das Produkt Lithyalin (von griech. „lithos“ = Stein) benannt.

Für die Erfindung der Lithyalingläser gewann er 1829 das kaiserliche Privilegium, und noch im demselben Jahr brachte er Lithyaline in großem Umfang auf den Markt. Die Lithyaline weisen aufgrund der verschiedenen Sorten von Glasrohlingen und den nachfolgenden unterschiedlichen Beizen eine breite Palette von Farbnuancen auf. Das zeigen auch die erhaltenen Mustertafeln im Kunstgewerbemuseum in Prag und im Technischen Museum in Wien.

Große Erfolge erzielte Egermann mit seinen Lithyalinen auf den Industrieausstellungen. Im Jahr 1831 gewann er in Prag die Silbermedaille, 1835 in Wien die Bronzemedaille. Dies regte die Konkurrenten und vor allem die Rohglaslieferanten Egermanns zu Nachahmungen an.

Nach 1840 kam es zu einem Rückgang des Interesses für Stein-und Lithyalingläser. Da führte Egermann bereits seine einzigartige Erfindung – die Rotbeize – auf den Markt ein. Anlaß für diese Erfindung bildete ein zufällig gefundener Scherben mit Rotbeize beim Muffelofen. Zuerst bemühte er sich, die rote Verfärbung durch Gold (ähnlich wie bei der Silberbeize durch Silber) zu gewinnen. Später, um 1824, fand er den richtigen Weg durch die Verwendung von Kupferverbindungen. Nach 16 Jahren harter Arbeit (es werden rund 5.000 Experimente angeführt), kam der Erfolg. Es gelang ihm, die Grundkomponenten zu bestimmen, die richtige Aufbereitung der Substanzen festzulegen, einschließlich der komplizierten Art des dreifachen Brennens.

Ab 1832 begann er die Rotbeize in seiner Raffinerie in Haida industriell zu erzeugen. Die gebeizten Rohgläser wurden weiter mit Schliff und der „Rutschgravur“ mit den für die Biedermeierzeit und das zweite Rokoko typischen Motiven verziert. Der ausschließliche Abnehmer wurde die Firma Vogelsang & Müller aus Frankfurt am Main.

Die Erfindung der Lithyaline und der Rotbeize brachte Egermann hohe Anerkennung. Es wurde ihm der Titel „privilegierter Erzeuger“ zugesprochen, und in den Jahren 1833 und 1848 erhielt er vom „Verein zur Ermunterung des Gewerbefleißes in Böhmen“ die Silber- und Goldmedaille. In seiner Raffinerie in Haida veredelte er mit seinen 200 Mitarbeitern Glaserzeugnisse von hohem handwerklichen, technischen und ästhetischen Niveau. So wurden allein im Jahr 1842 etwa 2.000 bis 2.500 Zentner Glas veredelt.

Mit Ruhm und Erfolg pflegt auch der Neid anderer verbunden zu sein. Da Egermann den anderen Glasveredlern das Prinzip und den Prozeß der Erzeugung von der Rotbeize nicht vermitteln wollte, ließen die Konkurrenten sein technologisches Labor, die „Brennküche“ ausrauben. Dabei entwendeten sie Rezeptbücher und Muster und kopierten seinen speziell hergerichteten Einbrennofen für den Reduktionsbrennvorgang. Die Kenntnis der Rotbeize verbreitete sich so allmählich in Europa und gelangte auch nach Übersee.

Nach Egermanns Tod im der Neujahrsnacht 1863/64 leitete sein Sohn Anton Ambrosius die Firma weiter, bis die Egermannsche Raffinerie Ende 1888 ihren Betrieb völlig einstellte. Egermanns Name bleibt jedoch als Begriff eines Selfmademans erhalten, der sich um die böhmische Glaskunst verdient gemacht hatte und zu einer der größten Persönlichkeiten der Glasindustrie in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde. Seine bedeutendste Erfindung – die Rotbeize – wird unter der traditionellen Bezeichnung „EGERMANN“ fortlaufend erzeugt, und zwar nicht nur in Nový Bor (Haida), sondern auch in Deutschland von Firmen, die ursprünglich aus dem Gebiet um Haida stammen.

Lit.: J. Brožová: Lithyaliny a Friedrich Egermann, in: Ars vitraria 5, Jablonec n. Nisou, S. 75–97. – J. Brožová: Bedřich Egermann a severočeské sklo jeho doby. Ausstellungskatalog, Jablonec n. Nisou 1977. – A. Busson: Biedermeier Steingläser, Wien 1991. – M. Kovacek: Glas aus 5 Jahrhunderten, Wien 1990. – G. Pazaurek: Gläser der Empire- und Biedermeierzeit, Leipzig 1923. – R. Hais: Friedrich Egermann, in: New Glassreview 1 (1995), S. 218. – R. Hais: Friedrich Egermann, in: Weltkunst, 67. Jahrgang, Nummer 17 (1997).

Bild: Nach dem Bild von Johann Zacharias Quast aus dem Archiv des Verfassers.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Egermann

Rudolf Hais