Biographie

Ehre, Ida

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Schauspielerin, Regisseurin und Theaterleiterin
* 9. Juli 1900 in Prerau/ Mähren
† 16. Februar 1989 in Hamburg

Obwohl Helmut Schmidt nach ihrem Tode sagte: „Keinem Künstler schulden wir Hamburger mehr als Ida Ehre“, ist Ida Ehre bei ihren Landsleuten aus Mähren fast vergessen. Dabei sind in Hamburg und Bad Oldesloe Schulen nach ihr benannt, auch Plätze in Hamburg-Eimsbüttel und Böblingen. Auch ein Kulturverein in Hamburg trägt ihren Namen.

Ida Ehre kam im Jahr 1900 als Tochter des jüdischen Oberkan­tors im mährischen Prerau bei Olmütz zur Welt. Sie war das zweitjüngste von sechs Kindern. Nach dem frühen Tod des Vaters zog die Mutter mit den Kindern nach Wien. Dort begann Ida zu Beginn des Ersten Weltkrieges schon mit 14 Jahren die schau­spielerische Ausbildung an der Akademie für Musik und Darstellende Kunst. Ihr erster Auftritt mit 18 Jahren war in Bielitz in Schlesien. Bald folgten Engagements in Budapest, Cottbus in der Niederlausitz, Bonn am Rhein und Königsberg. Stuttgart und Mannheim schlossen sich an. Eine Zeitlang arbeitete sie bei ihrem Mann Bernhard Heyde in dessen Praxis in Böblingen als Arzthelferin. 1930 ging sie nach Berlin ans Lessing-Theater, musste aber 1933 infolge des Berufsverbots durch die Nazis ihre Schauspielerkarriere unterbrechen.

Bernhard Heyde war „Arier“ und konnte seine Frau zunächst schützen. Als sich dann die Familie massiv bedroht fühlte, versuchte das Ehepaar, mit der 1928 geborenen Tochter Ruth 1939 nach Chile zu emigrieren, doch bevor sie am Ziel waren, brach der Krieg aus, und das Schiff musste umkehren. So wurde sie „in Hamburg an Land gespült“, wie Ida Ehre in ihrem Buch schreibt. Sie musste aufgrund der Mischehe keinen Stern tragen und hatte dadurch einen gewissen Schutz. Obwohl sie mit ihrem Mann nicht mehr zusammenlebte, hielt er ihretwegen an der Ehe fest. Aber sie war ständig in Gefahr, denn sie konnte aufgrund der Rassegesetze keine Konzerte, kein Theater oder Kino besuchen: Juden durften nicht einmal auf einer Parkbank sitzen. Ihr Mann versuchte sie vergeblich mit einem Brief an Heinrich Himmler, mit dem er auf der Schulbank gesessen hatte, zu retten. Ida Ehre kam ins KZ Fuhlsbüttel, überlebte aber den Holocaust, während ihre Mutter und ihre Schwester in Theresienstadt umkamen.

Ida Ehre reichte dann in Hamburg bereits im Juni 1945 bei der englischen Militärregierung den Antrag ein, in einem Theaterge­bäude in der Hartungstraße, das bis zur Zwangsarisie­rung vom Jüdischen Kulturbund genutzt worden war, die Hamburger Kammerspiele gründen zu dürfen. Besondere Unterstützung fand sie im britischen Theateroffizier John Olden und dem Chief-Controller de Nordwestdeutschen Rundfunks, Hugh Carleton Greene, und wenig später in dem Verleger Ernst Rowohlt und dem Autor Günther Weisenborn.

Am 10. Dezember 1945 hatte das neue Theater Premiere mit dem Stück Leuchtfeuer von Robert Audrey Auch wenn nur drei Leute im Zuschauerraum saßen, war Ida Ehre jeder einzelne wichtig. 1947 brachte sich die Uraufführung von Wolfgang Borcherts Draußen vor der Tür heraus. Der bereits schwerkran­ke Borchert war unter den Zuschauern. Ab da wurde es immer wieder aufgeführt, dazu auch klassische, heitere und moderne Stücke. Auch Dramen von Thomas Stearns Elliot, Jean Giraudoux, Jean-Paul Sartre, Thornton Wilder und Franz Werfel waren für das deutsche Publikum zum ersten Mal zu sehen.

In dieser Nachkriegszeit war es ihr sehr wichtig, aus den Erfahrungen, die sie in der NS-Zeit und im Konzentrationslager gemacht hatte, die Menschen durch ihr Spiel wachzurütteln und vor der Trägheit des Hirns und des Herzens zu bewahren. Das spiegelte sich auch in der Auswahl ihrer Stücke und Schauspie­ler: Sie hatte in ihrem Repertoire vor allem Autoren mit Emigrationshintergrund. Die besten den damaligen Schauspieler wirk­ten an ihrem Theater wie Gustaf Gründgens, Wolfgang Liebeneiner, Hilde Krahl, Grethe Weiser, Dieter Borsche, Lil Dagover oder Michael Degen.

Da sie gleichzeitig Intendantin, Regisseurin und Schauspielerin war, trug sie zur Belebung der Theaterkultur in Hamburg und darüber hinaus maßgeblich bei.

Mutter Courage und Hebuka oder die Irrenärztin in Friedrich Dürrenmatts Die Physiker waren einige ihrer großen Rollen. Auch in anderen Städten wirkte sie als Schauspielerin und Regisseurin.

In Filmen der Nachkriegszeit wie In jenen Tagen (1947), Der Banjosträfling (1949) oder Die toten Augen von London (1961) spielte sie ebenfalls mit. Darüber hinaus war sie häufig in Hörfunk und Fernsehen tätig. Fernsehrollen hatte sie bei­spielsweise in Tevya und seine Töchter (1962), Der Unbestech­liche (1968), Tartuffe oder Der Betrüger (1969), Der rote Schal (1973), Alberta und Alice (1981) und Bei Thea (1988), in ihren letzten Fernsehrollen an der Seite von Marianne Hoppe und Hannes Jaenicke.

Mit 80 Jahren stand sie noch auf der Bühne in Sarah Bernard, wo sie die gleichnamige Titelheldin spielte. Ihr 65-jähriges Bühnenjubiläum feierte sie als Schauspielerin mit der Darstel­lung der alten Dame in Colettes Gigi. Aus Anlass des 50. Gedenkens an die Reichsprogromnacht rezitierte Ida Ehre während der Gedenkfeier im Bundestag die Todesfuge von Paul Celan. 1985 erhielt sie als erste Frau der Freien und Hansestadt Hamburg die Ehrenbürgerwürde, und 1988 wurde ihr die Ehrendoktorwürde des Fachbereichs Sprachwissenschaft der Universität Hamburg verliehen.

Als Ida Ehre starb, wurde sie mit einem Staatsakt geehrt. Dabei wurde durch Helmut Schmidts Worte und andere Nachrufe deutlich, was sie der Hansestadt bedeutete: „Sie brachte Jean Anouilh und Jean Giraudoux und Jean-Paul Sartre, Nikolai Wassilijewitsch Gogol, Max Frisch, sie brachte uns all die großen Dramatiker der Welt, von denen wir damaligen jungen Leute nicht einmal die Namen gekannt haben. Es war – inmitten einer geistigen wie physischen Wüste – eine ganz einmalige, nicht wiederholbare Leistung“, würdigte Schmidt seine gute Freundin. Als Leuchtturm habe Ida Ehre nach dem Zweiten Weltkrieg Heimkehrern aus den Konzentrationslagern, den Gefängnissen, den Bunkern und Schlachtfeldern geholfen, ihren Weg zu finden.

Ebenso gilt sie als Mutter Courage des Theaters, wie sie Verena Joos in dem Buch Die Mutter Courage des Theaters Ida Ehre nannte, das 1999 erschien. Im selben Jahre wurde das Buch Zeugen des Jahrhunderts Ida Ehre veröffentlicht. 2001 wurde der Kulturverein Ida Ehre gegründet. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen im Laufe ihrer großen Karriere wie den Schillerpreis der Stadt Mannheim oder das Große Bundesverdienstkreuz, womit ihr politisches Engagement für Frieden und Freiheit gewürdigt wurde.

Weblink: https://de.wikipedia.org/wiki/Ida_Ehre

Bild: Ida Ehre Kulturverein e.V.

Hildegard Schiebe