Biographie

Emin Pascha, Mehmed (Eduard Schnitzer)

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Arzt, Geograph, Ethnologe, Forschungsreisender
* 28. März 1840 in Oppeln/Oberschlesien
† 23. Oktober 1892 in Kinena/Afrika

Emin Pascha war Arzt, Afrikaforscher und ägyptischer Regierungsbeamter. Er hat die ethnographischen Anschauungen des 19. Jahrhunderts über einen Teil der zentralafrikanischen Reiche völlig verändert und richtiggestellt und damit der geographischen Wissenschaft bedeutsame Anstöße gegeben. Eduard Schnitzer, wie sein eigentlicher Name lautete, wurde als Sohn jüdischer Eltern am 28. März 1840 zu Oppeln geboren. Nach dem Umzug nach Neisse verstarb dort sein Vater bereits 1845. Der Sohn wurde in Neisse 1846 getauft. Nach dem Besuch des Gymnasiums studierte er 1859-1864 Medizin in Breslau, Königsberg und Berlin und schloß das Studium ohne Staatsexamen mit der Promotion ab. Danach trat er alsbald in Albanien in türkische Dienste und ließ sich als Distrikts- und Quarantänearzt in Antivari nieder. Dort lernte er eifrig die Sprachen des Balkans und verstand es, sich in das Leben des Orients einzufügen. Er gewann Zutritt zu den höheren Kreisen und gehörte seit 1871 zum persönlichen Gefolge des türkischen Gouverneurs Hakki Pascha, den er als Hausarzt nach Konstantinopel und später auf amtlichen Reisen durch den gesamten Orient begleitete. Er erwarb sich eine vollkommene Beherrschung der arabischen Sprache sowie der Lehren und Gebräuche des Islam, so daß seiner Naturalisation als Türke nichts im Wege stand. Ein formaler Übertritt zum mohamedanischen Glauben ist nicht nachweisbar. In dieser Zeit schrieb er fortlaufend Berichte an wissenschaftliche Institute, Zeitschriften und Zeitungen, unterhielt so den geistigen Austausch mit Europa und wurde Mitglied mehrerer wissenschaftlicher Gesellschaften. Nach dem Tode des Gouverneurs besuchte er die Heimat, verließ sie aber bereits nach einem Jahr wieder. 1876 übernahm er für die Äquatorialprovinz des ägyptischen Sudan die Stelle eines Regierungsarztes und nahm den Namen seines Amtsvorgängers Dr. Emin Effendi an. Bald gewann er die Anerkennung des Gouverneurs Gordon, der ihn mit politischen Missionen in die umliegenden afrikanischen Reiche sandte. Emin hatte hierbei auf Grund seines ungewöhnlichen Einfühlungsvermögens in die Mentalität der Eingeborenen überraschende Erfolge. Als 1877 Gordon zum Generalgouverneur des gesamten Sudan aufrückte, wurde Emin mit dem Titel „Bey“Gouverneur der Äquatorialprovinz. In dieser Stellung erlangte er die Würde eines Pascha. Als Gouverneur organisierte er die Verwaltung neu, kämpfte gegen Sklaverei und Ausbeutung der Eingeborenen durch skrupellose Beamte, vermehrte den Viehbestand, führte neue Kulturpflanzen ein, ließ Verkehrswege anlegen und mehrte auf diese Weise den Wohlstand der Einwohner. Daneben war er weiter als Arzt tätig und vermehrte seine Kenntnisse des Landes durch große Erkundungsreisen in die Länder westlich und Östlich des oberen Nil. Seine geographischen, ethnographischen und naturwissenschaftlichen Beobachtungen hielt er in Briefen und Zeitschriftenaufsätzen fest und legte sie von 1875 an bis zu seinem Tode in einem sorgfältig geführten Tagebuch nieder. 1883 bereiteten sie Mahdistenaufstände dieser Tätigkeit ein jähes Ende. Dieser religiös-politischen Bewegung gelang es unter Führung von Fanatikern, die Äquatorialprovinz von Ägypten und dem Sudan abzuschneiden. 1885 fand der Generalgouverneur Gordon bei der Einnahme der Hauptstadt des Sudan, Karthum, durch die Mahdisten den Tod. Einige Jahre gelang es Emin Pascha, völlig abgeschnitten von Ägypten und dem Sudan – und damit von der zivilisierten Welt – sich trotz allmählicher Einbußen an Menschen und Ansehen mit Mut und Umsicht in seiner Provinz gegen die Mahdisten zu behaupten. Das Schicksal des eingeschlossenen Forschers alarmierte die öffentliche Meinung in Europa, zumal die ägyptische Regierung für eine Hilfe zu schwach war. Doch wo rasche Hilfe nottat, entwickelte sich ein britisch-deutscher Interessenkonflikt. Eine deutsche Entsatzexpedition brach 1885 von Sansibar auf, scheiterte aber an der feindlichen Haltung des Königs von Uganda. Eine britische Expedition unter dem Afrikaforscher H. M. Stanley machte sich erst 1887 von der Westküste Afrikas auf den Weg. Sie hatte außer dem Entsatz von Emin Pascha vor allen den Auftrag, ein möglichst großes Gebiet von Zentralafrika zu erforschen und als britische Interessensphäre sicherzustellen. Nach dem weiten Weg durch das Kongogebiet traf Stanley erst im Frühjahr 1888 mit Emin Pascha zusammen und war selbst unterstützungsbedürftig. Es kam zu Auseinandersetzungen, weil Emin von seinem Platz nicht weichen wollte. Schließlich machten beide Forscher sich auf den Weg zur deutschen Station Bayamoyo an der Ostküste Afrikas. Hier begrüßte Ende 1889 der Kommandeur der deutsch-ostafrikanischen Schutztruppe, Major Wißmann, Emin Pascha mit einem Glückwunschtelegramm Kaiser Wilhelms II. Bald darauf trat Emin – sehr zum Mißvergnügen der britischen Regierung – in den Dienst des deutschen Reiches. Erst später wurde ihm klar, daß er damit auf Grund des deutsch-englischen Abkommens über die Abgrenzung der ostafrikanischen Interessensphären die Möglichkeit verloren hatte, wieder in seinen einstigen Wirkungsbereich zurückzukehren.

Nach einem schweren Unfall ging Emin als Leiter einer großen Expedition ins Innere von Deutsch-Ostafrika, um die Landschaft des südlichen Ukerewesees und östlich davon bis zum Albertsee für Deutschland zu sichern. In Mpapua traf er mit dem Gründer der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft, Dr. Carl Peters, zusammen, der sich ebenfalls zuvor mit einer Hilfsexpedition, unterstützt von einem deutschen Emin-Pascha-Komitee, zum Entsatz des deutschen Forschers auf den Weg gemacht hatte.

Emin gründete noch die deutsche Station Bukoba am Viktoria-See und entschloß sich gegen eine Weisung des deutschen Reichskommissars zu einem Zug quer durch Afrika in das Hinterland der deutschen Kolonie Kamerun. Die Expedition scheiterte in Zentralafrika aus Mangel an Mitteln, an Hunger und Krankheit. Die Gesunden schickte Emin zurück an die Küste und verblieb bei den Kranken, selbst schwer krank und fast erblindet. In Kirundu wurde er im Auftrag des Häuptlings 1892 ermordet. 1893 fand der Belgier Kapitän Dhanis die Tagebücher des Forschers, die dann nach Hamburg gelangten, wo der Senat ihre Veröffentlichung veranlaßte. Emin Pascha gehört zu den bedeutendsten Pionieren der Erforschung Innerafrikas. Alle, die ihn näher kannten, rühmen seine Uneigennützigkeit, seinen tiefen Humanismus und sein wissenschaftliches Ethos. Andererseits zeigt sein tragisches Ende seine Grenzen auf, die zuweilen in einer Überschätzung seiner Möglichkeiten lagen.

Lit.: Emin Pascha – Eine Sammlung von Reisebriefen und Berichten. Herausgegeben von D. Schweinfurth und F. Ratzel, Leipzig 1886; G. Schweitzer – Emin Pascha, Eine Darstellung seines Lebens und Wirkens mit Benutzung seiner Tagebücher, Briefe und wissenschaftlichen Aufzeichnungen, Berlin 1889; Rochus Schmidt – Emin Pascha, in: „Schlesische Lebensbilder“ Band III, S. 328-335, 2. Aufl. Sigmaringen 1985; Allgemeine Deutsche Biographie, 48 Band, S. 346-353, Leipzig 1904; Neue Deutsche Biographie, 4 Band, S. 479-481, Berlin 1959