Biographie

Engelbert, Kurt

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Theologe, Kirchenhistoriker
* 17. Juli 1886 in Wansen/ Schlesien
† 12. September 1967 in Hildesheim

Kurt Engelbert wurde am 17. Juli 1886 als Ältester der drei Söhne des Ehepaares Paul und Klara Engelbert, geb. Depènes, in Wansen, Kreis Strehlen, geboren. Sein Urahn mütterlicherseits stammte aus Südfrankreich, kam in der Armee Napoleons nach Schlesien und „blieb dort hängen“ – vielleicht als Fußkranker, vielleicht als Verliebter. Der Sohn des Franzosen wurde in Schlesien geboren und zu einem anerkannten Pädagogen, und auch Kurt Engelberts Vater Paul und Kurts ältester Bruder (Paul jr.) übten den Lehrerberuf aus.

Wansen war eine 2.300 Einwohner beherbergende, im 12. Jahrhundert nach deutschem Recht angelegte Kleinstadt, mit einer zu einem Drittel katholischen Bevölkerung. Nach einigen Volksschuljahren wurde Kurt Schüler des zu einem Drittel von Katholiken besuchten Gymnasiums in Strehlen, wo er das Glück hatte, den wissenschaftsfreudigen Stadtpfarrer Dr. phil. Otto Fink als Religionslehrer zu erhalten, über den Engelbert in einem dankbar-würdigenden Nachruf schrieb: „Mit dem Verstorbenen ist eine der charaktervollsten und geistig hervorragendsten Persönlichkeiten des schlesischen Klerus dahingegangen.“ Auf die 1907 abgelegte Reifeprüfung folgte das Studium der katholischen Theologie, das er zur Gänze an der Breslauer Universität verbrachte, auf der ihn „der Altmeister der schlesischen Kirchengeshichte“ Professor Dr. Joseph Jungnitz besonders positiv beeindruckte. Am 22. Juni 1911 empfing der Fünfundzwanzigjährige aus den Händen des Fürstbischofs von Breslau, Georg Kardinal Kopp, die Priesterweihe.

Im Dezember 1911 erhielt der Neupriester seine erste Anstellung: als Schlosskaplan bei Johannes Reichsgraf von Oppersdorff in Thomaswaldau bei Bunzlau, dessen drei Töchter (aus zweiter Ehe) er unterrichtete. Schon ein Jahr später wurde er als Hel­fer des Geistlichen Direktors des Mutterhauses der Borromäerinnen nach Trebnitz versetzt. Während des Weltkrieges von 1914-1918 wirkte er auch in Brieg, Öls und Trebnitz im Lazarettdienst, wofür ihm mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse am weißschwarzen Bande und einem Verdienstkreuz des Malteser-Ritter-Ordens gedankt wurde. In der freien Zeit las er viel Historisches und verfasste etwa 20 einschlägige Beiträge, wobei Wansen und seine Umgebung den Schwerpunkt bildeten. 1911 trat Engelbert dem Verein für Geschichte Schlesiens bei.
Mit Wirkung vom 1. April 1918 berief Fürstbischof Adolf Kar­di­nal Bertram ihn in das General-Vikariat-Amt, also in die Bistumsverwaltung, nach Breslau: als Registratur-Vorsteher. Kurz darauf wurde Engelbert auch Notar im Bistumskonsistorium (Rechtsprechung), dann 1920 zusätzlich Ordinariats-As­ses­­sor und schließlich Ende 1923 Konsistorial-Assessor. 1918 erfolgte auch seine Ernennung zum Diözesan-Direktor des Kindheit-Jesu-Vereins. Zeitlebens war er nie in der Pfarrgemeinde-Seelsorge angestellt.

Trotz der Ämterfülle setzte der junge Priester seine historischen Studien fort, und so konnte er sich 1923 darüber freuen, dass ihn die Katholisch-theologische Fakultät der Universität Breslau aufgrund der bei dem anerkannten Kirchenhistoriker Franz Xaver Seppelt (Papstgeschichte; nach 1945 an der Universität München) angefertigten, sehr umfangreichen (über 500 Seiten!) Arbeit Kaspar von Logau, Bischof von Breslau (1562-1574). Ein Beitrag zur schlesischen Reformationsgeschichte zum Dr. theol. promovierte. Ebenfalls im Jahre 1923 wählte die noch heute bestehende Historische Kommission für Schlesien Engelbert zum Mitglied.

Im Jahre 1936 erschien in Breslau der erste Band des Jahrbuchs Archiv für schlesische Kirchengeschichte. Kardinal Bertram, der selbst sehr kirchenhistorisch interessiert und als Autor tätig war und eine dreibändige Geschichte seines Heimatbistums Hildesheim geschrieben hatte, schätzte das historische Schaffen Engelberts, und so übernahm dieser auf Bertrams Wunsch ab Band 2 (1937) die Herausgabe des Archivs, die zum Lebenswerk Engelberts wurde. „Das Archiv ist unter seiner tatkräftigen, immer neue Kräfte gewinnenden und die alten, bewährten Mitarbeiter anspornenden Leitung zum anerkannten Organ für schlesische Kirchen- und Kulturgeschichte geworden. Die ersten sechs Bände erschienen noch in Schlesien, dann geboten die Nazis Einhalt“ (G. Münch, 1966).

Am 1. Januar 1940 wurde Kurt Engelbert, von Kardinal Bert­ram ernannt, Direktor des Breslauer Diözesanarchivs, des Diözesanmuseums und der Dombibliothek, unter teilweiser Entlastung von seinen Aufgaben beim Ordinariat. Gegen Kriegsende, in der Mitte der 40er Jahre, im schlesischen Inferno, gelang es ihm, sehr viele Kulturgüter zu retten, so durch Auslagerung und Heimholung. Doch im Zuge der Entdeutschung und Polonisierung der Ostgebiete musste auch er die Heimat verlassen, im Oktober 1946, und wurde er schließlich nach Hildesheim verschlagen, wo ihn Bischof Joseph Godehard Machens freundlich aufnahm und mit Arbeitsbereichen betraute, die Engelbert gut kannte. So amtierte er ab 1. April 1947 als Generalvikariatsrat, dann auch als Leiter der berühmten Dombibliothek Beverina, seit 1949 als Vizeoffizial und 1956 als Offizial, also oberster kirchlicher Richter des Bistums. Am 1. Mai 1961 trat er, fast 75 Jahre alt, in den Ruhestand, nach viereinhalb Jahrzehnten im kirchlichen Verwaltungsdienst.

Hildesheim war kurz vor dem Ende der Kampfhandlungen 1945 durch Bombenangriffe zum großen Teil zerstört worden, so wie Breslau. Engelbert musste also auch hier unter erschwerten Bedingungen arbeiten. Dennoch war ihm die Wiederbegründung des Archivs für schlesische Kirchengeschichte ein Herzensanliegen, in das er viel Zeit und Kraft investierte. Das mutige Vorhaben gelang, und bereits im Jahre 1949 erschien im angesehenen katholischen Hildesheimer Verlag Lax ein neuer Band des Jahrbuches: schlechtes Papier, unaufgeschnittene Bögen, armselig aussehend – ein typisches Produkt der Not der Zeit, und gleichzeitig eine großartige Leistung, im Umfang von 280 Seiten. Das Anknüpfen an die Breslauer Tradition beweisen u.a. die Fortsetzung der Zählung der Buchreihe als Band 7, die Widmung des Bandes „Dem Andenken an Adolf Kardinal Bertram“ und der erste Aufsatz: eine Würdigung des toten Erzbischofs aus der Feder von Engelbert.

In der Folge erschien mit schöner Regelmäßigkeit jährlich eine Ausgabe des Archivs, bis 1967, einem Jahr nach seinem Tode, mit seinem Namen gezeichnet. Jeder Band enthält Texte von ihm, insgesamt sehr viele, darunter „eine Unmenge“ oft sehr nützlicher und pointierter Buchbesprechungen. Auf Engelberts Initiative entstand das Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte, dessen Leitung er übernahm und bis zum Tod innehatte. – Er war seit 1927 Ehrenbürger seiner Heimatstadt Wansen, seit 1950 Päpstlicher Hausprälat, Gründungsmitglied des Kulturwerks Schlesien, seit 1954 Mitglied der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen und seit 1956 Träger des Bundesverdienstkreuzes I. Klasse.

Am 12. September 1967 erlag er, bis zuletzt historisch tätig, in Hildesheim einem Magenleiden und wurde nach dem vom Hildesheimer Bischof Heinrich Maria Janssen gehaltenen Requiem auf dem Magdalenenfriedhof beigesetzt, auf dem auch Kardinal Bertrams Eltern ihre letzte Ruhe gefunden hatten, und 1969 Kurt Engelberts jüngerer Bruder und Unterstützer Joseph, Päpstlicher Geheimkämmerer und Hildesheimer Diözesan-Flücht­lingsseelsorger, folgte.

Im Jahre 1961 ist dem früheren Breslauer und damaligen Kölner Weihbischof Joseph Ferche und Kurt Engelbert Band II des Schlesischen Priesterjahrhuches zum Goldenen Priesterjubiläm gewidmet worden. Zu Engelberts 80. Geburtstag wurde eine Festschrift vorbereitet, die erst nach dessen Tod fertig wurde und 1969 als Gedenkschrift erschien: voluminös, 700 Seiten stark und auch wissenschaftlich-historisch ein Schwergewicht. Die vom sehr gründlich arbeitenden Bibliotheksdirektor Robert Samulski erstellte Bibliographie Kurt Engelbert erfasst 507 Titel, einschließlich der Rezensionen. – Gute Nachfolger setzten das Werk Engelberts, dem das Verwenden eines scharfen
Griffels nicht fernlag, fort: beim Archiv für schlesische Kirchengeschichte Joseph Gottschalk und beim Institut für Ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte Bernhard Stasiewski und Gottschalk. In der von ihnen für das Institut im Archiv veröffentlichten Nachruf-Würdigung Engelberts heißt es: „Selbstlos und treu diente er immer und überall der Kirche und der Heimat. Seinen Namen halten sehr viele Veröffentlichungen zur schlesischen Geschichte für immer fest. Uns allen bleiben sein großer Eifer, sein unermüdlicher Fleiß und sein hohes Verantwortungsbewusstsein Vorbild und Ansporn zugleich.“ Das gilt!

Werke: Kaspar von Logau, Bischof von Breslau (1562-1574). Ein Beitrag zur schlesischen Reformationsgeschichte (T. I.), (Maschinenschriftl.) Breslauer Kath.-Theol. Diss., gedruckt Breslau 1926 (Darstellungen und Quellen zur schlesischen Geschichte, XXVIII). – Geschichte der Stadt Wansen und des Wansener Haltes, T. I., Ohlau 1927. – Geschichte der Pfarrei St. Mauritius in Breslau, Breslau 1935 (Zur schlesischen Kirchengeschichte, XIII). – Hrsg.: Archiv für schlesische Kirchengeschichte, Bd. II-VI, Breslau 1937-1941; Bd. VII-XXV, Hildesheim 1949-1967. – Geschichte der Pfarrei St. Michael in Breslau, Breslau 1941 (Zur schlesischen Kirchengeschichte, XLIII), 2. AufI., Hildesheim 1949. – Adolf Kardinal Bertram, Fürsterzbischof von Breslau (1914-1945), in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte VII, 1949, S. 7-37. – Die deutschen Frauen der Piasten von Mieszko I. († 922) bis Heinrich I. († 1238), ebd. XII), 1954, S. 1-51; auch als Sonderdruck, Hildesheim 1954. – Hrsg.: Josef Negwer, Geschichte des Breslauer Domkapitels im Rahmen der Diözesangeschichte vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, Hildesheim 1964. – Die Anfänge der lutherischen Bewegung in Breslau und Schlesien, Hildesheim 1965. – Robert Samulski, Bibliographie Kurt Engelbert, in: Beiträge zur schlesischen Kirchengeschichte. Gedenkschrift für Kurt Engelbert, hrsg. von Bernhard Stasiewski, Köln/ Wien 1969, S. 597-640.

Lit.: Gerhard Moschner, Weihbischof Joseph Ferche und Prälat Dr. Kurt Engelbert 50 Jahre Priester, in: Schlesisches Priesterjahrbuch II, 1961, S. 10-15, hier S. 14-15 (P). – Gotthard Münch, Der schlesische Kirchenhistoriker Dr. Kurt Engelbert, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte XXIV, 1966, S. 283-302 (P). – Werner Marschall, Ein Brennpunkt schlesischer kirchengeschichtlicher Forschung. 50 Jahre „Archiv für schlesische Kirchengeschichte“, ebd. 44, 1986, S. 3-16. – Bernhard Stasiewski, Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e.V. 1958-1987, Köln/ Wien 1988 (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands, 23). – Michael Hirschfeld, Kurt Engelbert (1886-1967), in: Schlesische Kirche in Lebensbildern, Bd. 7, hrsg. von M. Hirschfeld, Johannes Gröger und W. Marschall, Münster 2006, S. 47-51.

Bild: Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte.

Hans-Ludwig Abmeier