Biographie

Erdmann, Benno

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Philosoph, Psychologe
* 30. Mai 1851 in Guhrau, Glogau/Niederschlesien
† 7. Januar 1921 in Berlin

Erdmann hat das Verdienst, die entwicklungsgeschichtliche Methode, die ihre ersten Erfolge im Bereich der Bibelkritik (Leben-Jesu-Forschung) und in der Altphilologie (Platon-Forschung) errungen hatte, auf die Erforschung der Philosophie Kants angewendet zu haben. In Bezug auf Hegel war ihm der in Grünberg geborene Rudolf Haym mit seinem 1857 erschienenen Werk „Hegel und seine Zeit“ vorangegangen. Erdmann hat seinen Beitrag zur historisch-kritischen Erforschung der kantischen Philosophie begonnen mit einer Arbeit über den Universitätslehrer Kants im Fach Philosophie, Martin Knutzen, die den bezeichnenden Titel trägt, der mit Untertitel lautet: „Martin Knutzen und seine Zeit. Ein Beitrag zur Geschichte der Wolffischen Schule und insbesondere zur Entwicklungsgeschichte Kants.“ Darin bestimmt Erdmann 1876 die Position Knutzens im Rahmen der Wolffschen Schule und dessen Rolle im Rahmen der Universitätsbildung Kants. Das Rüstzeug für seine historisch-genetischen Arbeiten haben ihm seine altphilologischen Studien bei Hermann Bonitz und Eduard Zeller vermittelt. Das Interesse an Kant wird bereits in seiner Berliner Dissertation von 1873 deutlich: „Über die Stellung des Dinges an sich in Kants Ästhetik und Analytik“ (gemeint sind diese beiden Teile in Kants Kritik der reinen Vernunft). So hat er sich dann nach der Arbeit über Knutzen vor allem dem Vergleich der beiden Auflagen der Kritik der reinen Vernunft zugewandt (1781 und 1787). Einen vermeintlichen Widerspruch Kants bezüglich der Frage der Erkennbarkeit der Dinge an sich hielt Erdmann für bedeutsam für die Entwicklung Kants, und seine Datierung Kantischer Reflexionen hat Ernst Adickes mit Hilfe äußerer Kriterien als fehlerhaft erwiesen. Es bleibt aber ein Verdienst von Benno Erdmann, die historisch-genetische Bearbeitung Kants in Gang gebracht zu haben, als es Mode war, sich für eigene philosophische Intentionen, sei es zustimmend oder ablehnend, auf Kant zu berufen.

Systematisch galt die Arbeit Erdmanns der Erkenntnistheorie und der Logik. In der Frage der Gültigkeit der normativen logischen Grundsätze steht er im Gegensatz zu Husserl auf der Seite der englischen Empiristen, namentlich John Stuart Mill. Seine Hauptthese ist, daß aus der Denknotwendigkeit nicht auf die absolut allgemeine Gültigkeit der logischen Grundsätze (also auch für jedes etwaige nicht-menschliche Denken) geschlossen werden kann. Im übrigen hat er zahlreiche Untersuchungen zu erkenntnis- und wahrnehmungspsychologischen Fragen veröffentlicht. Sein Hauptwerk auf diesem Gebiet sind die „Grundzüge der Reproduktionspsychologie“ von 1920.

Sein Werdegang ist geradezu der eines Senkrechtstarters. Seine Arbeit „Die Axiome der Geometrie“, in der er die erkenntnistheoretische Bedeutung der nicht-euklidischen Geometrien behandelt, wurde von Helmholtz als Habilitationsschrift vorgeschlagen. So war Erdmann bereits 1876 Privatdozent in Berlin. 1878 wurde er in Kiel außerordentlicher Professor, 1879 dort bereits Ordinarius. 1884 folgte er dem Ruf nach Breslau, 1890 nach Halle, 1898 nach Bonn und schließlich 1909 nach Berlin. Im Rahmen der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften übernahm er nach Diltheys Tod (1911) die Leitung der Kant- und der Leibniz-Ausgabe der Akademie.

Lit.: Eine vollständige Bibliographie ist in der 3. Auflage von Erdmanns Logik, 1923 von E. Becher herausgegeben, enthalten. Außer Becher haben C. Stumpf, E. Wentscher und J.B. Rieffert Erdmann vor allem in den Kant-Studien gewürdigt.

Bild: Archiv der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Benno_Erdmann

Eberhard Günter Schulz