Biographie

Ernst, Eugen

Herkunft: Posener Land
Beruf: Politiker
* 20. September 1864 in Murowana Goslin
† 31. Mai 1954 in Havel a.d. Oder

Das Leben der einfachen Menschen aus dem Handwerk ist zumeist nicht erforscht. So ergeht es auch mit der Familie des Eugen Ernst. Geboren wurde er als Sohn eines Tischlers in der kleinen Stadt Murowana Goslin (Murowana Goślina) im Kreis Obornik der Provinz Posen.

Hier lebten seit Jahrhunderten Deutsche, und die evangelische Gemeinde bestand seit 1776. Die Stadt würde man heute nicht als solche bezeichnen. Kurz vor der Geburt Eugens (1858) zählte der Ort nur 1.449 Einwohner und bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein hat sich der Ort auch nicht entwickelt.

Eugen Oswald Gustav Ernst wurde hier am 20. September 1864 geboren. Auch wenn in seiner Vita angegeben wird, dass er konfessionslos war, ist schon aufgrund der gewählten Vornamen anzunehmen, dass er aus einer ursprünglich evangelischen Familie stammte. Über sein familiäres Umfeld als auch über seine Jugend ist nichts bekannt.

Er besuchte die Volksschule, vermutlich noch in Murowana Goslin und erlernte danach von 1878 bis 1882 das Schriftset­zerhandwerk. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass er dies noch in seinem Geburtsort ablegen konnte.

Bis 1892 war er in diesem Beruf tätig, ehe er dann endgültig in die Politik wechselte. Bereits 1884 trat er dem Verband der deutschen Buchdrucker bei und wurde 1886 Mitglied in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Hier machte er rasch Karriere. Bereits 1889 wurde er Vorsitzender und Vertrauensmann von sechs Berliner Wahlkreisen. Er setzte sich vor allem für das Wahlrecht ein und organisierte Wahlrechtsdemonstrationen in ganz Preußen, vor allem in Berlin.

1891 wurde er auch Vertrauensmann und Vorsitzender der in­ner­parteilichen Oppositionsgruppe der „Jungen“. Da ihn seine anderen Aufgaben aber zu sehr banden, beendete er diese Arbeit bereits 1893, obwohl er als mustergültiger Organisator galt.

Als gelernter Buchdrucker und Setzer war er für die Parteizeitung Vorwärts der geeignete Mann. Seit 1892 war er dessen Druckereifaktor als Geschäftsführer (bis 1903) bzw. Hausverwalter (1903-1918) der Buchdruckerei Vorwärts.

Eugen Ernst gehörte zu den führenden Männern der SPD und bekleidete höchste Ämter auch in der Gesamtpartei. Von 1900 bis 1903 und von 1917 bis 1919 war er Mitglied des Parteivorstandes und 1905 bis 1917 war er Mitglied der Kontrollkommission. 1906 bis 1919 fungierte er als Vorsitzender der Groß-Berliner und der Preußischen Landesorganisation der SPD.

Die Zeit des Zusammenbruchs, der Revolution nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg, wurde zu seiner größten Zeit. Als führendes SPD-Mitglied wurde er im November 1918 Mitglied im Arbeiter- und Soldatenrat von Groß-Berlin. Bis März 1919 war er im Rang eines Ministers des Inneren Mitglied im preußischen Rat der Volksbeauftragten.

Sein Versuch auch das Amt des Polizeipräsidenten von Berlin von Emil Eichhorn (1863-1925) zu übernehmen löste den Berliner Januaraufstand aus. Nachdem er sein Ministeramt niedergelegt hatte, wurde er von April 1919 bis April 1920 Polizeipräsident von Berlin.

Um ihn offenbar aus der Kritik und den Angelegenheiten in Berlin herauszuhalten, wurde er im Mai 1920 in gleicher Funktion nach Breslau versetzt. Aber auch hier konnte er seine Aufgabe nicht erfüllen. Nachdem eine erregte Menschenmenge am 26. August 1920 die Konsulate Frankreichs und Polens in Breslau gestürmt hatte, wurde er im September 1920 zur Disposition gestellt, d.h. entlassen.

In derselben Zeit war Ernst auch Mitglied der verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung in Weimar und in der Legislaturperiode vom 16. Januar 1919 bis Juni 1920 Mitglied des Reichstags für den Wahlkreis 3 (Potsdam II). Damit endete seine große Zeit. Er war zwar einer der führenden Mitglieder der SPD, hat aber nie nachhaltige Impulse gesetzt und auch nach 1920 keine führende Rolle mehr eingenommen.

1926 wurde er zum Stadtrat in Werder a. d. Havel gewählt, dem er bis 1933, bis zur Gleichschaltung, angehörte. In der Zeit des Nationalsozialismus blieb er ohne Funktion und es ist auch nicht bekannt, dass er verfolgt und inhaftiert worden wäre. Vermutlich arbeitete er in seinem erlernten Beruf. Auch sein Familienstand ist nicht bekannt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg trat er der wiedergegründeten SPD in der Sowjetischen Besatzungszone bei. Ernst war nie ein Ideologe, so vollzog er den Zusammenschluss von SPD und KPD 1946 zur SED mit.

Eugen Ernst starb am 31.5.1954 in Werder a.d. Havel wenige Monate vor seinem 90. Geburtstag.

Lit.: Eugen Ernst, Ein Leben für die Arbeiterbewegung. Ansporn für unsere Jugend, Berlin 1948. – Georg Kotowski, Ernst, Eugen Oswald Gustav, in: Neue Deutsche Biographie (NDB), Band 4, Berlin 1959, S. 628. – Frauke Mingerzahn, Eugen Ernst. Lebensbild eines Sozialdemokraten im Spannungsfeld zwischen Reaktion und gesellschaftlichem Fortschritt, Potsdam 1989. – Martin Schumacher (Hrsg.), M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung, 1933-1945. Eine biographische Dokumentation. 3., erheblich erweiterte und überarbeitete Auflage. Düsseldorf 1994.

Bild: Bundesarchiv Bild 183-16469-0001, Eugen Ernst, von Bundesarchiv, Bild 183-16469-0001/Köhler, Gustav/CC-BY-SA. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 de über Wikimedia Commons.

Martin Sprungala