Biographie

Esau, Abraham

Herkunft: Westpreußen
Beruf: Physiker
* 7. Juni 1884 in Tiegenhaben, Kr. Marienburg/ Westpr.
† 12. Mai 1955 in Düsseldorf

Abraham Esau wurde am 7. Juni 1884 in Tiegenhagen, ca. 4 km nördlich von Tiegenhof, in dem Teil des Kreises Marienburg in Westpreußen geboren, der seit 1920 zum Freistaat Danzig gehörte. Seine Eltern bzw. Vorfahren waren mennonitische Bauern- und Predigerfamilien mit hier im Großen Marienburger Werder so bekannten Namen wie Wiebe und Regier (aus letzterer stammte auch seine Mutter, die bereits mit 30 Jahren, 1892, verstarb).

Nach seiner Gymnasialzeit studierte Esau Mathematik und Physik an der Universität Berlin und der 1904 neu gegründeten TH Danzig, arbeitete bei K.E.F. Schmidt an der Universität Halle und als Assistent bei Prof. Max Wien in Danzig. 1908 hatte er in Berlin zum Dr. phil. promoviert.

Als er 1912 Laboratoriumsleiter bei der Firma Telefunken wurde, erhielt er aufgrund seiner Arbeiten zur Entwicklung der drahtlosen Nachrichtenübermittlung schon ein Jahr später den Auftrag zum Aufbau einer Großfunkstation in Kaminz in der deutschen Musterkolonie Togo. Unmittelbar nach Fertigstellung wurde sie bei Besetzung der Kolonie durch die Franzosen im August 1914 völlig zerstört. Esau selbst wurde in französischer Gefangenschaft in Nordafrika gehalten, aus der er erst 1917 nach Deutschland ausgetauscht wurde. In dieser Zeit traf ihn ein zweiter Schicksalsschlag durch den frühen Tod seiner 1886 geborenen Frau Nora geb. Marcus.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Esau Chef sämtlicher Telefunken-Laboratorien, veröffentlichte weitere Arbeiten auf dem Gebiet der Hochfrequenztechnik und nahm in den Jahren 1921 und 1922 Großfunkstationen in Argentinien und Brasilien in Betrieb. 1925 kehrte er an die Universität zurück, wurde a.o. Professor für Technische Physik in Jena und zwei Jahre später ordentlicher Professor. 1932 wurde er Rektor und bewährte sich durch organisatorische und menschliche Qualitäten.

Im Jahre 1939 schließlich wurde Esau Ordinarius für Fernmeldetechnik an der TH Berlin-Charlottenburg, dieses und weitere verantwortungsvolle Ämter verwaltete er vorbildlich bis 1945. Als der Nobelpreisträger Prof. J. Stark 1939 von seinem Amt als Präsident der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt zurücktrat, wurde Esau in dieses verantwortungsvolle Amt berufen und hatte damit u. a. 80 Laboratorien zu betreuen. Esau wurde Mitglied des Reichsforschungsrates für Motoren der Deutschen Akademie für Luftfahrtforschung und im Kriege schließlich Bevollmächtigter für Hochfrequenzforschung in Deutschland. Seine Ideen fanden jedoch in Deutschland nicht die nötige Unterstützung, so daß die Entdeckung des Radargerätes und die kriegswichtige Entwicklung der Radartechnik und der Radarverteidigung in England erfolgte. Wegen seiner Ämter wurde Esau nach Kriegsende von 1945 bis 1948 in den Niederlanden als „Kriegsverbrecher“ inhaftiert. Hier übersetzte er das Geschichtswerk eines amerikanischen Historikers über die Mennoniten ins Deutsche, das auch seine Heimat an der unteren Weichsel betraf.

Nach seiner Rehabilitierung gelang Esau ein Neuanfang mit einer Honorarprofessur für Ultrakurzwellentechnik und Ultraschall im Jahr 1949 an der TH Aachen. Zusätzlich war er ab 1950 Gastdozent an der Technischen Akademie Bergisches Land und übernahm 1953 die Leitung des Instituts für Hochfrequenztechnik in Mülheim (Ruhr), einer Abteilung der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt. Sein 70. Geburtstag wurde mit einem Festkolloquium in Bonn und im Kloster Maria Laach durch seine Schüler, Doktoranden und Freunde feierlich begangen. Er erhielt aus diesem Anlaß die Ehrendoktorwürde der medizinischen Fakultät an der Universität Freiburg – für seine Entwicklung von Methoden zur medizinischen Kurzwellenbestrahlung. Am 12. Mai 1955 verstarb Abraham Esau in Düsseldorf an einer Embolie nach einer Operation. Esau war Wegbereiter der modernen UKW-, Dezimeter- und Zentimeterwellentechnik, deren Anwendung für Rundfunk und Funkmeßtechnik er untersuchte. Wichtige Grundlagen schuf er zur Einrichtung des Überseefunkverkehrs, des Fernsehens und zur biologischen und therapeutischen Anwendung der Ultrakurzwellen.

Als Fachwissenschaftler und als Mensch war er gleichermaßen hochgeehrt und anerkannt.

Werke: Zahlreiche Artikel in Fachzeitschriften über: Skineffekt, Selbstinduktions- und gegenseitigen Induktionskoeffizienten verschiedener Leiterformen, atmosphärische Einflüsse auf Sender und Empfänger, Rahmenantennen, Richtcharakteristiken von verschiedenen Antennensystemen, z. B. „Ortung mit elektrischen und Ultraschallwellen“, in: Technik und Natur, 1953, „Die Bedeutung des Ultraschalls für technische Anwendungsgebiete“, in: Naturwissensch., 1956.

Lit.: H. Gerlach, in: Westpreußen-Jahrbuch, Band 27, S. 57, Münster 1977; H. Rindfleisch, in: Physikalische Blätter, Heft 11, S. 318, Mosbach (Baden) 1955; Dieter Hoffmann, Rüdiger Stutz: Grenzgänger der Wissenschaft: Abraham Esau als Industriephysiker, Universitätsrektor und Forschungsmanager in „Kämpferische Wissenschaft“-Studien zur Universität Jena im Nationalsozialismus, Uwe Hoßfeld, Jürgen John, Oliver Lemuth, Rüdiger Stutz (Hrsg.), Köln 2003.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Abraham_Esau

Hans-Jürgen Kämpfert