Erich von Falkenhayn gehört zu den hervorragenden, wenn auch vielfach umstrittenen Persönlichkeiten der preußisch-deutschen Militärgeschichte. Er wurde als Sohn eines Gutsbesitzers geboren. Mit elf Jahren Kadett in Culm und drei Jahre später der Hauptkadettenanstalt in Lichterfelde bei Berlin überwiesen, wurde er nach dem Abschlußexamen der Selecta mit 18 Jahren als Second-Leutnant dem Oldenburgischen Infanterie-Regiment Nr. 91 überwiesen. Auf der Kriegsakademie (1887-1890) zählten Hindenburg in Taktik und Geheimrat Reinhold Koser in Geschichte zu seinen Lehrern. Seinem Kommando zum Großen Generalstab, zunächst in die Topographische, dann in die Eisenbahn-Abteilung, folgte 1894 eine kurzfristige Tätigkeit als Hauptmann im Generalstab des unter Führung des Generals Graf von Waldersee stehenden IX. Armeekorps in Altona. Nach neunmonatiger Verwendung als Kompaniechef im Infanterie-Regiment von Borcke (4. Pommersches) Nr. 21 in Thorn ließ sich Falkenhayn – mit der Aussicht auf spätere Wiedereinstellung in die Armee – verabschieden. Dieser Abgang bildete die Grundlage für spätere Verdächtigungen, Falkenhayn habe wegen Spielschulden die Armee verlassen müssen. Der zumindest gewichtigere Grund dürfte darin bestanden haben, daß ihm der Dienst in der Armee zu eintönig war und daß es ihn reizte, an der dringend erforderlichen Reform der chinesischen Armee maßgebend mitzuwirken, wie das General Meckel in der japanischen Armee vergönnt war.
Falkenhayn wurde Militärinstrukteur in China und baute dort die Militärschule in Wu Chang auf, ohne freilich – vielleicht auf Grund seines begrenzten ”Einfühlungsvermögens in die Verhältnisse seines Gastlandes” (Afflerbach, S. 32) – eine wirksame Unterstützung der chinesischen Militärbehörden zu finden, so daß er froh war, 1898 zum Gouvernement Kiautschou überwechseln zu können und als Major mit Patent vom 25.3.1899 à la suite des Generalstabs der Armee wieder in die preußische Armee aufgenommen zu werden. Schon bald nach seiner Rückkehr nach Deutschland war er als China-Kenner dafür prädestiniert, dem Generalstab des Kommandos des Ostasiatischen Expeditionskorps zugeteilt zu werden, wo er bis Oktober 1903 – zuletzt als 1. Generalstabsoffizier beim Kommando der Ostasiatischen Besatzungs-Brigade in Tientsin – verblieb.
Nach einem längeren in der Mandschurei und in Korea verbrachten Urlaub wurde Falkenhayn im April 1904 zum Bataillonskommandeur im Braunschweigischen Infanterie-Regiment Nr. 92 ernannt. Im April 1906 als Abteilungschef für die Ausbildung der Generalstabsoffiziere in den Großen Generalstab versetzt, wurde er schon ein Jahr später Chef des Generalstabes des XVI. Armeekorps in Metz und machte sich dort vor allem als Leiter von Übungsreisen und Kriegsspielen einen Namen. Im Januar 1911 zum Kommandeur des 4. Garde-Regiments zu Fuß ernannt, wurde er bereits ein Jahr später auf Grund unvorhergesehener personeller Schwierigkeiten beim IV. Armeekorps in Magdeburg noch einmal Chef des Generalstabs eines Armeekorps. In dieser Stellung war er maßgeblich an der Vorbereitung der Kaisermanöver 1912 beteiligt.
Vom Friedensbetrieb in der Armee unbefriedigt, spielte Falkenhayn immer wieder mit dem Gedanken, in China eine ihm zusagende Verwendung zu finden. Ende 1912 war er als möglicher Gesandter in China im Gespräch. Schließlich hoffte er im Juni 1913, die frei gewordene Stelle eines Generals in türkischen Diensten zu erhalten. Auf einer Sondierungsfahrt nach Berlin erfuhr er aber ”zu seiner eigenen – und der gesamten deutschen Öffentlichkeit – Überraschung” (Afflerbach, S. 103) von seiner Ernennung zum preußischen Staats- und Kriegsminister unter gleichzeitiger Beförderung zum Generalleutnant ohne Patent. Dieser außergewöhnliche Personalvorgang war wohl dadurch zu erklären, daß man es Falkenhayns soldatischem und gewandtem Auftreten zutraute, die für 1913 vorgesehene Heeresvermehrung im Reichstag durchzusetzen. Doch erwies sich Falkenhayn keinesfalls als der Vollstrecker der Forderungen des Generalstabs, alle Wehrfähigen zum Wehrdienst einzuberufen. Vielmehr war er bestrebt, die innere Verfassung der Armee in Bezug auf Ausbildung, Ausrüstung und Förderung des Offizier- und Unteroffiziernachwuchses im aktiven Heer wie in der Reserve zu stärken. Falkenhayn war ein überzeugter Verfechter der kaiserlichen Kommandogewalt. Als solcher hat er Angriffe im Reichstag gegen die Armee im Zusammenhang mit der Zabern-Affäre und mit Vorwürfen Rosa Luxemburgs wegen der auch ihm mißliebigen Mißhandlungen in der Truppe in provokativer Redeweise abgewehrt. Vergeblich beschwor er den Reichskanzler, die knappen Haushaltsmittel in den Ausbau des Heeres zu investieren, anstatt sie für die Flottenrüstung, die er für ”unsinnig” hielt, zu verwenden (Afflerbach, S. 134 f.).
Mit Kriegsbeginn gehörte Falkenhayn dem Kaiserlichen Hauptquartier – fern von Berlin – an. Im Gegensatz zu dem jüngeren Moltke hatte er sich gegen eine Kriegserklärung an Rußland ausgesprochen, ”weil er schädliche politische Wirkungen befürchtete” (von Bethmann Hollweg, Bd. I, S. 156). Als der Chef des Militärkabinetts Mitte August 1914 befürchtete, daß Generaloberst von Moltke möglicherweise schon bald gesundheitlich nicht mehr in der Lage sein würde, die Operationen in West und Ost zu leiten, erklärte sich Falkenhayn auf Anfrage grundsätzlich bereit, das Amt des Chefs des Generalstabes des Feldheeres mitzuübernehmen. Am 14. September war der Zeitpunkt der Übernahme gekommen. Zwar blieb Moltke noch im Hauptquartier, doch wurden die Frontbefehlshaber darüber unterrichtet, daß im Auftrage des Kaisers erfolgende, von Falkenhayn unterzeichnete Weisungen und Befehle zu befolgen seien. Noch in der Nacht zum 15. September entwarf Falkenhayn einen Operationsplan, in dem er ”durch einen exzentrischen Rückzug des deutschen rechten Heeresflügels und durch offensiven Einsatz der bei Maubeuge zu versammelnden 6. Armee zu einer nochmaligen großen umfassenden Offensivoperation gegen den feindlichen linken Heeresflügel zu gelangen dachte” (Erfurth, S. 566). Doch schon am nächsten Tag gab er diesen Plan wieder auf und leitete damit den Übergang zum Stellungskrieg ein, hoffend, ”so die Freiheit des Handelns wieder zu gewinnen, dort mit ausreichenden Kräften zu schlagen, wo zur Entscheidung angesetzt werden sollte” (von Falkenhayn, Oberste Heeresleitung, S. 35).
Nach wie vor übte Kaiser Wilhelm II. die oberste Kommandogewalt über die Armee und die Marine aus. Sein Generalstabschef war – formell – sein erster Gehilfe und hatte in seinem Namen die Befehle auszugeben. Doch Falkenhayn handelte auch in der Form selbständig; ”immer wieder” gingen ihm ”die Pferde durch”, wie Wild von Hohenborn es nannte, so daß sich der Kaiser bei diesem, seinem Schulfreund, der am 20. Januar 1915 Falkenhayn als Kriegsminister ablöste, darüber beschwerte, daß sein Generalstabschef ihn ”zu wenig orientiere” (Wild von Hohenborn, S. 168). Die Beziehungen Falkenhayns zu den Frontbefehlshabern, insbesondere zu denen im Osten, waren häufig gespannt. Das lag nicht nur an sachlichen Meinungsverschiedenheiten, sondern beruhte weitgehend darauf, daß diese Generale – mit Ausnahme der Fürstlichkeiten – nicht unerheblich älter waren als er und zumeist auch über eine längere Truppen- und Generalstabserfahrung verfügten. Falkenhayn war nach wie vor der Ansicht, daß die Kriegsentscheidung im Westen falle, und daher nicht bereit, der Ostfront Verbände freizugeben, die über den zur Verteidigung oder zur Bereinigung einer Lage erforderlichen Bedarf hinausgingen, während es dem Feldherrnpaar Hindenburg-Ludendorff nach dem Festfahren der Fronten im Westen geboten erschien, zunächst im Osten die Entscheidung zu suchen. Aus demselben Grunde wuchs der Gegensatz zwischen Falkenhayn und dem österreichischen Generalstabschef Conrad von Hötzendorf ständig und ”vertiefte sich im Laufe des Jahres 1915 bis zur offenen Feindschaft” (Beyerhaus, S. 26 f.).
Vergebens forderte Falkenhayn, als die Vorbereitungen für den Angriff auf Verdun liefen, zunächst noch gemeinsam mit dem Chef des Admiralstabes, von Holtzendorf, den uneingeschränkten U-Bootkrieg, weil ohne ihn ”ein Ende des Krieges mit England nicht abzusehen” sei ”und damit auch nicht mit unseren anderen Gegnern.” (nach Solger, S. 97) Seine Theorie, durch die Angriffsoperationen bei Verdun 1916 die Franzosen, die aus patriotischen Gründen diese Festung kaum aufgeben konnten, zum Ausbluten zu bringen, erwies sich als verfehlt, da die Verluste der deutschen Verbände bei Verdun kaum geringer als die der Franzosen waren. Dennoch mag es Falkenhayn – nach den unbezweifelbaren Abwehrerfolgen an der Somme und gegenüber der Brussilow-Offensive im Osten – überrascht haben, im August 1916 ”den Wink zum Abgang zu erhalten” (Arminius, S. 35).
Den Botschafterposten in Konstantinopel, der ihm angeboten wurde, lehnte er ab, ”da er nicht Untergebener Bethmann Hollwegs werden und sich lieber soldatisch betätigen wolle” (Wild von Hohenborn, S. 198). Als Oberbefehlshaber der 9. Armee bewies Falkenhayn, daß er durchaus in der Lage war, eine Armee zum Siege zu führen. Es gelang ihm und seinen hervorragende Leistungen erbringenden Truppen, die rumänische Front ”durch einen Stoß in die Westflanke und weiter durch Vorgehen entlang dem Nordhang der Transsilvanischen Alpen zum Einsturz zu bringen” (Reichsarchiv Band XI, S. 332 f.).
Mitte Juli 1917 übernahm Falkenhayn auf Bitten Enver Paschas als türkischer Marschall die Führung der Heeresgruppe F, deren Kräfte im Irak standen und bei Aleppo neu gebildet wurden, um euphratabwärts gegen die Westflanke der Engländer vorzustoßen. Nach langen, die Schwierigkeiten einer solchen Operation offenbarenden Auseinandersetzungen mit der türkischen Führung wurde Falkenhayn Ende September 1917 schließlich Oberbefehlshaber in Palästina. Obwohl er sich bewußt war, daß hier kein moderner Krieg, sondern ein ”Krieg wie zur Zeit des Zusammenbruchs der Kreuzzüge im Mittelalter” stattfand (Neulen, S. 302), führte er – nach dem Urteil des Generals Freiherr Kreß von Kressenstein – ”die türkische Armee im Grenzgebiet der Wüste, wie man eine deutsche Armee im zivilisierten Europa führt” (Wallach, S. 220). Da ihm hier kein Erfolg beschieden war, mochte er es als Erlösung empfinden, Anfang März 1918 noch einmal Oberbefehlshaber einer deutschen Armee, der 10. Armee, zu werden, mit der er Besatzungsaufgaben im Osten durchführte, nachdem der nach dem Frieden von Brest Litowsk entstandene Plan, nach Moskau zu marschieren, aufgegeben worden war. Die deutschen Truppen hielten damals ”die allgemeine Linie Gomel – Mogilew – Orscha – Polozk” (von Zwehl, S. 302). Mit seinem regen Interesse für alle organisatorischen Fragen bemühte sich Falkenhayn, durch Heranziehung von Fachleuten aus den einschlägigen zivilen Bereichen die Verwaltung des Landes wieder in Gang zu bringen. Nach Kriegsende suchte er – zum Teil in sehr schwierigen Auseinandersetzungen mit den Soldatenräten – die Geschlossenheit der Armee zu erhalten und sie geordnet zurückzuführen. Von Minsk, Wilna und Grodno aus behielt er trotz immer wieder aufflackernden revolutionären Unruhen die Zügel der Armeeführung in der Hand, unterstützt von nicht wenigen Vertrauensmännern in den Soldatenräten. Gesundheitsstörungen veranlaßten Falkenhayn Ende Januar 1919, um Urlaub zu bitten und sich mit einem seine Haltung charakterisierenden Tagesbefehl von seiner Armee zu verabschieden.
Nach seiner Rückkehr in die Heimat widmete sich Falkenhayn, immer wieder von gesundheitlichen Rückschlägen geplagt, den Aufzeichnungen über seine Tätigkeit als Kriegsminister, Generalstabschef und Oberbefehlshaber der 9. Armee. Seit 1918 lebte er im Schloß Lindstedt bei Potsdam, das von den Hohenzollern an Familien vermietet wurde, die nach Tradition und Verdienst dem Hause nahestanden. Falkenhayn war der letzte Mieter. Seine letzte Ruhe fand er auf dem Bornstedter Friedhof, nahe Schloß Sanssouci.
Werke: Die Oberste Heeresleitung 1914-1916 in ihren wichtigsten Entschließungen. Berlin 1920. – Der Feldzug der 9. Armee gegen die Rumänen und Russen 1916/17. Berlin 1921.
Lit.: Henry Holthoff: Offizier-Stammliste des Infanterie-Regiments von Borcke (4. Pommerschen) Nr. 21. Oldenburg 1913. – Holger Afflerbach: Falkenhayn. Politisches Denken und Handeln im Kaiserreich (Beiträge zur Militärgeschichte, Bd. 42). München 1994. – Arminius: Feldherrnköpfe 1914/18. 2. Aufl. Leipzig 1932. – Th. von Bethmann Hollweg: Betrachtungen zum Weltkriege, 1. und 2. Teil. Berlin 1919 und 1921. – Gisbert Beyerhaus: Einheitlicher Oberbefehl. Ein Problem des Weltkrieges. München 1938. – Waldemar Erfurth: Die Verteidigung im Landkriege. In: Militärwissenschaftliche Rundschau (MWR) 1 (1936), S. 437-462, 565-591. – Ders.: Die Überraschung im Kriege. In: MWR 2 (1937), S. 597-622, 750-777, 3 (1938), S. 39-68, 171-202, 313-346. – Wolfgang Foerster: Falkenhayns Plan für 1916. In: MWR 2 (1937), S. 304-330. – Edmund Glaise von Horstenau: Feldmarschall Franz Graf Conrad von Hötzendorf zur 85. Wiederkehr seines Geburtstages. In: MWR 2 (1937), S. 707-726. – Karl-Heinz Janßen: Der Kanzler und der General. Die Führungskrise um Bethmann Hollweg und Falkenhayn (1914-1916). Göttingen 1967. – Ders.: Der Wechsel in der Obersten Heeresleitung 1916. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 7 (1959), S. 337-371. – Friedrich Freiherr Kreß von Kressenstein: Mit den Türken zum Suezkanal. Berlin 1938. – Wilhelm Ritter von Leeb: Die Abwehr. In: MWR 1 (1936), S. 683-694, 2 (1937), S. 13-43, 154-188, 278-303. – Hans-Werner Neulen: Feldgrau in Jerusalem. Das Levantekorps des Kaiserlichen Deutschland. München 1990. – Wilhelm Solger: Falkenhayn. In: Heerführer des Weltkrieges, hrsg. von der Deutschen Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften. Berlin 1939. – Hermann von Stein: Erlebnisse und Betrachtungen aus der Zeit des Weltkrieges. Leipzig 1919. – Jehuda L. Wallach: Anatomie einer Militärhilfe. Die preußisch-deutschen Militärmissionen in der Türkei 1835-1919. Düsseldorf 1976. – von Wienskowski: Falkenhayn. Berlin 1937. – Adolf Wild von Hohenborn. Briefe und Tagebuchaufzeichnungen des preußischen Generals als Kriegsminister und Truppenführer im Ersten Weltkrieg, hrsg. von Helmut Reichold † , für die Veröffentlichung vorbereitet von Gerhard Granier (Schriften des Bundesarchivs 34). Boppard 1986. – Hans von Zwehl: Erich von Falkenhayn. Eine biographische Studie. Berlin 1926. – Der Weltkrieg 1914 bis 1918. Bearbeitet im Reichsarchiv (und Nachfolgern), Bd. 1-14 Berlin 1925-1942.
Bild: Erich von Falkenhayn nach einem Gemälde von Franz Triebsch; ehemals im Besitz von Henning von Tresckow, Potsdam.
Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Erich_von_Falkenhayn
Friedrich-Christian Stahl