Biographie

Fallada, Hans (eigentlich Rudolf Ditzen)

Herkunft: Pommern
Beruf: Schriftsteller
* 27. Juli 1893 in Greifswald
† 5. Februar 1947 in Berlin

Der als Sohn eines Landrichters und späteren Reichsgerichtssrates geborene Rudolf Ditzen, der sich später als Schriftsteller Hans Fallada nannte, begann nach dem Ersten Weltkrieg sich literarisch zu betätigen, nachdem er in Berlin und Leipzig das humanistische Gymnasium besucht hatte und danach als Gutseleve und Wirtschaftsinspektor tätig gewesen war. Bereits mit dreißig Jahren wurde er beim Generalanzeiger in Neumünster Lokalreporter und erlebte dort 1929 einen Bauernprozeß mit, der ihm entscheidende Anregungen für seinen ersten Roman Bauern, Bonzen und Bomben (1931) vermittelte. 1933 erwarb Fallada in Carwitz bei Feldberg (Mecklenburg) einen Landsitz (heute Gedenkstätte), den er mit seiner Familie bewirtschaftete. Hier zurückgezogen lebend, stand er die Jahre der Hitler-Diktatur weitgehend unangefochten durch. Infolge exzessiver Trunksucht wurde er 1944 in eine Trinkerentziehungsanstalt in Neustrelitz eingewiesen. (Dieses Erlebnis fand, autobiographisch kaum verschlüsselt, in seinem Roman Der Trinker, 1950 aus dem Nachlaß veröffentlicht, seinen literarischen Niederschlag.) Bevor sich Fallada nach 1945 in Berlin niederließ, um dort, wie er meinte, am Aufbau einer neuen demokratischen Kultur in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone mitwirken zu können, war er noch einige Zeit als Bürgermeister in Feldberg tätig gewesen, aus dieser Stellung aber bald wegen offenkundiger Unfähigkeit entlassen worden.

Fallada war der Schriftsteller des „kleinen Mannes“, der mit einer virtuosen Erzähltechnik seine Schicksale, seine Lebenskämpfe im politisch-sozialen Gesellschaftsgefüge der bereits in der Auflösung befindlichen Weimarer Republik gestaltete: so in dem Roman Bauern, Bonzen und Bomben, in dem er den Prozeß der schärfer werdenden Polarisierung in der Gesellschaft, weniger im Dorf als in der Kleinstadt, darstellt. Die fiktive Kleinstadt Altholm kann „für tausend andere und für jede große auch“ stehen, sagt der Autor. Er sieht gerade in den parteipolitischen Auseinandersetzungen die Wurzel des Übels und der Zerstörung echter Lebensverhältnisse im „Kampf aller gegen alle.“ Das von ihm mit Sympathie geschilderte Kleinbürgertum in seinem duldenden, hoffenden Heroismus möchte „raus aus all dem Dreck und der Lüge“, möchte wieder „ehrlich sein.“

Eine beachtliche epische Leistung stellt auch Falladas Roman Kleiner Mann – was nun? (1932) dar, der in den Jahren der Weltwirtschaftskrise spielt; der hier am Beispiel eines kleinen Angestellten dargestellte Alltag in seiner täglichen Existenznot spiegelt den verheerenden wirtschaftlichen Zusammenbruch im Endstadium der Weimarer Republik wider. Die Geschichte des kleinstädtischen Angestellten Pinneberg hat das psychologisch meisterhaft dargestellte Schicksal eines Opfers des Ausbeutungs- und Antreibersystems kapitalistischer Entfremdungs- und Verformungspraktiken zum Gegenstand und wurde damit zur Anklage einer Lebens- und Zeitsituation, die im Roman bisher nur ungenügenden Niederschlag gefunden hatte. Damit gestaltete Fallada die Lebenssphäre „jener Menschen, deren Existenz durch die moderne Großstadt und alle Schwankungen der modernen Wirtschaft bedingt und bedroht ist und die im Bescheidenen ein zähes, mühsames Lebensringen auf sich zu nehmen haben.“ (Fritz Martini). Johannes R. Becher kritisierte Falladas Schaffensweise mit der vorwurfsvollen Feststellung: „Er registrierte und vibrierte mit, wo er hätte sich entgegensetzen . .. müssen“, anerkannte jedoch die Qualität der Charakteristik seiner Gestalten, „was an Großem in diesen kleinen Leuten träumte.“

Falladas berühmter Roman Wer einmal aus dem Blechnapf frißt (1934) erinnert in seiner schonungslosen Zeichnung übermächtig wirkender Milieu- und Gesellschaftsfaktoren an naturalistische Determinationszwänge, die unausweichlich das Lebensschicksal eines Menschen bestimmen: hier demonstriert an dem aussichtlosen Versuch eines entlassenen Sträflings, wieder in der Welt bürgerlicher Wohlanständigkeit Fuß zu fassen, durch die Anerkennung einer Moral, die bei Arbeitsamkeit und Fleiß ein angemessenes Dasein verspricht. Schließlich begeht der durch eine verlogene Gesellschaft deformierte Sträfling abermals ein Verbrechen, um in jene Zuchthauswelt zurückzukehren, in der trotz aller individuellen Einschränkungen jene primitivsten Lebensgrundlagen bestehen, die die Gesellschaft in ihrer verlogenen Freiheitsmoral nicht zu bieten vermochte. Auch in dem Roman Wolf unter Wölfen (1937) gelang Fallada eine treffend-realistische Gestaltung – hier der Inflationswirren und des Kräftespiels rechter und linker Gruppierungen in der Weimarer Republik bis zu den Anfängen des Nationalsozialismus. Im Roman Der eiserne Gustav (1938) geißelt Fallada zunächst in der Figur des ehemaligen preußischen Wachtmeisters (und späteren Fuhrunternehmers Gustav Hackendahl) das wilhelminische Deutschland. Dann aber wertet er im Verlauf der Erzählung diese Figur um: Der Weimarer Staat wird zum bürgerlich-moralischen Sumpf, aus dem der ,eiserne‘ Gustav als ein Vorbild, als ein positiver Vertreter der guten alten Vorkriegsjahre herausragt. Es nimmt nicht wunder, daß der Nationalsozialismus diese Wendung des Romans durchaus begrüßte und für sich in Anspruch zu nehmen wußte.

Mit seinem Roman Jeder stirbt für sich allein (1947), der als eine Art Vermächtnis des Autors gelten kann, zeigt Fallada am Schicksal eines kleinbürgerlichen Ehepaares in Berlin einen stillen, unzulänglichen, moralisch freilich ungebrochenen Kampf gegen die nationalsozialistische Tyrannis – ein Appell an „das über Elend und Not triumphierende Leben.“

Weitere Werke: Der junge Goedeschal (1920, R. ). – Anton und Gerda (1923, R.). – Wir hatten mal ein Kind (1934, R.). – Märchen vom Stadtschreiber, der aufs Land flog (1935, M.). – Altes Herz geht auf die Reise (1936, R.). – Süßmilch spricht. Ein Abenteuer von Murr und Maxe (1938, Kb). – Kleiner Mann, großer Mann – alles vertauscht (1940, R.). – Der ungeliebte Mann (1940, R.). – Damals bei uns daheim (1941, Aut.). – Heute bei uns zu Haus (1943). – Erinnerungen (1946). – Der Alpdruck (1947). – Ein Mann will hinauf (1953, R., aus dem Nachl.). – Die Stunde, eh du schlafen gehst (1954, R. aus dem Nachl.). – Junger Herr – ganz groß (1965, R. aus dem Nachl. e. 1943). – Ausg.: Ausgew. W. in Einzelausgaben, hg. v. G. Caspar (1962ff., bis 1970 6 Bde.); Ges. En. (1967).

Lit.: Tom Crepon: Leben und Tod des Hans Fallada, Halle a.S./Leipzig 91992. – W. J. Loohnis: Hans Fallada in der Literaturkritik. Ein Forschungsbericht, Bad Honnef 1979.

Bild: Bildarchiv Stiftung Mitteldeutscher Kulturrat.

Weblinks: https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Fallada, https://www.fallada.de/index.php/de/

Günter Gerstmann