Biographie

Fanta, Berta

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Kämpferin für die Frauenbewegung
* 19. Mai 1865 in Libochowitz/ Böhmen
† 18. Dezember 1918 in Prag

Man spricht heute gerne von drei Völkern oder Nationen in Prag, Böhmen und Mähren: den Tschechen, Deutschen und Juden. Erst in der Volkszählung des Jahres 1921 taucht aber in der 1918 entstandenen Tschechoslowakischen Republik unter „Nationalität“ auch die Möglichkeit auf, sich als Juden zu bekennen, was in Prag und Böhmen selten war, während in Mähren, in der Slowakei und in der seit 1918 zur Tschechoslowakei gehörenden Karpatenukraine, in der Ersten Tschechoslowakischen Republik auch Karpato-Russland genannt, die Zahl der Nationaljuden in einem West-Ost-Gefälle von Landesteil zu Landesteil immer größer wurde. Adolf Hampel schreibt dazu: „1930 gab es in der CSR 356830 Personen jüdischen Glaubens, aber nur 204779 Nationaljuden, also Bewohner, die sich zur jüdischen Volkszugehörigkeit bekannten. In Böhmen waren es 76301 Glaubensjuden, aber nur 15697 Nationaljuden. In Mähren-Schlesien waren es 41250 gegen 2 316. Die Slowakei hatte 136737 Bürger jüdischen Glaubens, aber nur 72678 mit jüdischem Volkstumsbekenntnis. Nur in der Karpatenukraine war die Zahl der Nationaljuden fast so hoch wie die der mosaischen Gläubigen.“

Ohne die Juden in Prag wäre die deutsche Literatur Böhmens und Deutschlands ärmer, denken wir nur an Franz Kafka, Max Brod, Franz Werfel und andere Namen. Stellvertretend für die Juden, die sich zum Deutschtum bekannten, zitiert Hampel Else Bergmann aus Prag: „Die Juden hatten damals (1936) keine Ahnung davon, dass man ihr echtes Deutschtum einmal anzweifeln könnte und verkehrten mit ihren christlichen Konnationalen auf das Herzlichste. Der Mittelpunkt der damaligen deutschen Gesellschaft war das deutsche Kasino am Graben, wo sich das gesellschaftliche Leben zum größten Teil abspielte. Mein Vater verbrachte den Nachmittag im Lesezimmer. Vorträge wurden dort veranstaltet und unter anderem sprach dort auch Theodor Herzl und löste großes Erstaunen aus.“

Else Bergmann war die Tochter von Berta Fanta. In ihrem Salon im Haus zum Einhorn am Altstädter Ring in Prag verkehrten Max Brod, Albert Einstein, Franz Kafka und andere Größen des Kulturlebens in Prag.

Berta Fanta, eine geborene Sohr, kam am 19. Mai 1865 in Libochowitz in einer reichen jüdischen Familie zur Welt, besuchte eine Lehranstalt für höhere Töchter in Prag und heiratete 1884 den Apotheker Max Fanta, dessen Namen die von ihm erfundene Fanta-Schale trägt. Bertas Kinder, Else und Otto, wurden nach dem Umzug der Familie in Prag geboren, wo ihre Mutter der Familie das Haus zum Einhorn gekauft hatte. Berta studierte mit ihrer Schwester Ida an der Deutschen Universität in Prag Philosophie und war mit ihrer Schwester, die später nach ihrer Heirat Freund hieß, im Frauenverein Frauenfortschritt tätig. Seit 1907 lud sie jeden Dienstag in ihrem Haus zum Fantakreis ein und alle zwei Wochen im Café Louvre in der Prager Ferdinandstraße zu einem Philosophenzirkel. Gleichzeitig begann sie, sich mit der Theosophie Rudolf Steiners zu beschäftigen, den sie persönlich kannte. 1912 war sie unter den Gründerinnen der anthroposophischen Gesellschaft in Prag, die sie auch leitete. Ihr Schwiegersohn, den ihre Tochter Else heiratete, war Kafkas Schulfreund Samuel Hugo Bergmann. Else kannte Kafka, bevor sie Bergmann kennenlernte, und widmete ihm ein Liebesgedicht und auch ein Gebet am Grabe Kafkas.

Die Tragik des Ersten Weltkrieges erschütterte Berta Fanta so sehr, dass sie mit ihrer Tochter Else und dem Schwiegersohn Bergmann nach Palästina emigrieren wollte. Dazu kam es aber nicht, da ein tödlicher Schlaganfall ihrem Leben ein Ende setzte. Max Brod berichtete in einem Brief an Franz Kafka vom 20. Dezember 1918 über ihren Tod: „Ich könnte dir noch stundenlang von dieser ungewöhnlichen Frau schreiben, die dir wohl nicht so nahegestanden ist, deren Tod aber für mich einen wirklichen Verlust bedeutet.“ Der Mathematiker G. Kowalewski, der in ihrem Salon verkehrte, nannte sie „eine geistig sehr hochstehende Dame“ und verglich sie mit Madame de Staël. Wie deutsch die Familie war, zeigt die Gründung des Klubs deutscher Künstlerinnen in Prag durch ihre Tante Ida Freund.

Die Ehe ihrer Tochter mit Hugo Bergmann wurde geschieden. Bergmann wanderte nach Palästina aus, wo er die Hebräische Universität gründete.

Lit.: A. Lichtblau, Als hätten wir dazu gehört, Wien 1999. – G. Gimpel, Weil der Boden selbst hier brennt: Aus dem Prager Salon der Berta Fanta, Fürth 2001. – A. Hampel, Die Verbundenheit der Juden aus Mitteleuropa mit ihrer deutschen Vergangenheit, in: Nidda-New York-Eger, Nidda 2015.

Bild: Forschungsstelle Kulturimpuls.

Rudolf Grulich