Biographie

Ferche, Joseph

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien), Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Weihbischof
* 9. April 1888 in Pschow, Kr. Rybnik/Ost-Oberschlesien
† 23. September 1965 in Köln

Weihbischof Joseph Ferche, von Jugend auf zum Priester bestimmt und schon als Schüler regelmäßiger Teilnehmer an den Gymnasiasten-Exerzitien in der Wallfahrtsgemeinde Grulich, der östlichsten Stadt Böhmens im Adlergebirge, wurde am 9. April l888 in der 1922 polnisch gewordenen oberschlesischen Bergarbeiterstadt Pschow im damaligen Kreis Rybnik geboren. Vom Gymnasium im benachbarten Gleiwitz aus ging der Abiturient mit 19 in das Theologen-Konvikt in Breslau, um an der Schlesischen-Friedrich-Wilhelm-Universität bis 1910 katholische Theologie und Philosophie zu studieren. Nach dem Eintritt in das Priesterseminar Anfang Oktober 1910 in Breslau wurde er von Kardinal Kopp, dem damaligen Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz, am 22. Juni 1911 in der Kreuzkirche zu Breslau zum Priester geweiht.

Wenige Wochen später erhielt er seine Anstellung als Kaplan in der gemischtsprachigen Industriegemeinde Schomberg bei Beuthen in Oberschlesien, wurde bald nach Beginn des Ersten Weltkrieges Kaplan an der Pfarrei St. Hedwig in Königshütte, von wo er nach der Abtretung Ostoberschlesiens an den neu entstandenen polnischen Staat am 1. Oktober 1922 die Pfarrei in Ohlau bei Breslau übernahm. Knapp fünf Jahre später wurde er Pfarrer in der oberschlesischen Kreisstadt Cosel, bis ihn Kardinal Bertram am 30. September 1931 als Domherr an die Kathedrale in Breslau berief. Schon 14 Tage später ernannte ihn der Kardinal zum Rat im Generalvikariat und machte ihn 1933 zum Diözesanförderer der katholischen Aktion. Im Jahre 1936 übernahm Ferche auch die Leitung der Diözesan-Bonifatius-Vereine und wurde zum Kurator der Kongregation der Marienschwestern bestellt.

Papst Pius XII. ernannte ihn am 16. August 1940 zum Weihbischof von Breslau und zum Titularbischof von Vina. Am 29. September 1940 wurde er im Dom zu Breslau feierlich konsekriert. Weihbischof Ferche blieb in Breslau, bis er im September 1946 den Ausweisungsbefehl der polnischen Staatspolizei erhielt. Zusammen mit dem evangelischen Stadtdekan Professor Dr. Joachim Konrad und ihren Begleitern Kanonikus Kramer und Pfarrer Hornig war er während der Belagerung der zur Festung erklärten schlesischen Landeshauptstadt Breslau der Sprecher jener Gruppe mutiger Geistlicher beider christlicher Konfessionen, die am 4. Mai 1945 den Festungskommandanten General Hermann Niehoff angesichts der verzweifelten Lage der Zivilbevölkerung baten, sich zur Kapitulation zu entschließen und damit den aussichtslos gewordenen Kampf zu beenden.

Nach vorübergehendem Aufenthalt im Görlitzer Restteil der Diözese Breslau und nach erfolglosen Versuchen, in den Diözesen Fulda und Würzburg ein Unterkommen zu finden, erklärte der Kölner Kardinal Frings sich bereit, den Breslauer Weihbischof Ferche aufzunehmen. Durch die Vermittlung des Kardinals ernannte Papst Pius XII. ihn am 27. März 1947 zum Weihbischof und Domkapitular von Köln. Hier starb er am 23. September 1965 im 54. Jahr seines Priestertums. Als späterer Protektor des Heimatwerkes schlesischer Katholiken hatte er sich bis zuletzt für seine schlesischen Landsleute eingesetzt.

Kardinal Frings sagte über ihn in seiner Leichenrede: „Es ist gut zu verstehen und es gehörte auch zu seinem Auftrag, daß er sich besonders der Heimatvertriebenen und in erster Linie seiner schlesischen Landsleute annahm. In den 18 Jahren, die er hier im Westen gewirkt hat, ist er geradezu zum Mittelpunkt für die Heimatvertriebenen, besonders für die Schlesier, geworden, und sie verlieren in ihm Unersetzliches.“ Weihbischof Ferche wurde am 29. September 1965 in der Kölner Domherrengruft beigesetzt. Zu seinem Universalerben bestimmte er das „Schlesische Priesterwerk“.

Lit.: Robert Samulski: Die Breslauer Weihbischöfe, 1. Teil. In: Schlesisches Priesterjahrbuch 3/4 (Stuttgart 1964), S. 95, Anm. 61. – Kurt Engelbert: Weihbischof Joseph Ferche (1888-1965). In: Schlesische Priesterbilder, hrsg. von Joseph Gottschalk (Aalen 1967), S. 29-36. – Sebastian Holzbrecher, Weibischof Joseph Ferche (1888-1965). Seelsorger zwischen den Fronten, Münster 2007.

Heinz Rudolf Fritsche