Biographie

Fischer, Samuel

Herkunft: Ungarn
Beruf: Verleger
* 24. Dezember 1859 in Liptow Zent Miklós/Ungarn
† 15. Oktober 1934 in Berlin

Das Städtchen in der Liptau, also der Nordslowakei (bis 1919 Nord-Ungarn), hatte zur Zeit der Reformation eine deutsche lutherische Gemeinde, die in der Region bis 1900 noch 1167 Seelen betrug. Im 18. Jahrhundert wanderten viele Juden aus Mähren ein und 1720 siedelten sich jüdische Kaufleute auch in St. Nikolaus, auch Mikulasch genannt, an. So war die Zahl der deutschen Juden im Bezirk mit 1611 Seelen um 1900 noch höher. Diese bekannten sich zur deutschen Sprache und Kultur, bis dann inder zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Madjarisierung und nach 1919 die Slawisierung einsetzte. Die deutschsprechendenJuden hatten in Liptau St. Nikolaus eine eigene Volksschule und eine eigene deutschsprachige Realschule sowie von 1776-1860 eine Jeschiwa, also eine jüdische Talmudhochschule. Unter dem Einfluss von Mendelsohns Bibelübersetzungen sprachen die Juden ein reines Deutsch, also kein „Jiddisch“, und begannen, deutsche Zeitungen, meist Wiener Blätter, zu lesen.

In dieser durchaus liberalen Stadt wurde 1859 Samuel Fischer geboren. Er wurde zunächst Buchhändler in der kleinen Buchhandlung in Mikulasch, ging aber bald, wohl im Sommer 1874, in die kaiserliche Hauptstadt Wien. Samuel Fischer schrieb dazu: „Ich war vierzehn Jahre alt, ganz allein und gänzlich mittellos. Eines Tages stand ich vor dem Schaufenster einer Buchhandlung. … Ich fragte, ob man mich nicht als Lehrling nehmen wolle. Man nahm mich.“

Am 8. Februar 1879 starb plötzlich sein Vater. Da sein älterer Bruder Firmenleiter einer Glaswarenfirma in Berlin war, zog es den Zwanzigjährigen in die Reichshauptstadt Berlin.

Schon im Jahre 1883 wurde im „Börsenblatt“ Nr. 219 die „Verlagsbuchhandlung Hugo Steinitz & Co.“ vermerkt und der Compagnon war Samuel Fischer. Am 31. August 1886 teilte das Börsenblatt mit, „daß ich unter der Firma S. Fischer, Verlag, W., Mohrenstraße 10, eine Verlagsbuchhandlung errichtet habe.“Diesen eigenen Verlag führte er bis zu seinem Tode am 15. Oktober 1934.

Fast fünfzig Jahre lang verlegte S. Fischer die Werke weltbekannter Autoren. Das erste Buch seines Verlages war 1887 das Schauspiel „Rosmersholm“ von Henrik lbsen, es kostete eine Mark. Dann folgte lbsens „Wildente“, einige Wochen später erschienen das Drama von Emile Zola „Therese Raquin“ und von Leo Tolstoi „Die Macht der Finsternis“, ein „dramatisches Sittenbild aus dem russischen Volksleben“. Dann erschien das teuerste Buch zum Preise von fünf Mark „Der Circus und die Circuswelt“ von Signor Domino. Im Jahre 1888 brachte er Dostojewski heraus.

Im Jahre 1889 entstand die fruchtbare Verbindung mit Gerhart Hauptmann, vor allem im Zusammenhang mit der von Otto Brahm und Samuel Fischer gegründeten „Freien Bühne“, um moderne Theaterstücke zur Aufführung zu bringen. Die zugehörigeZeitschrift, die später „Neue deutsche Rundschau“ hieß, wurde zum Sprachrohr des Naturalismus. Neben Gerhart Hauptmann kamen hier die wichtigsten zeitgenössischen Schriftsteller, wie Peter Altenberg, Hermann Bahr, Hugo von Hoffmannsthal, Alfred Kerr, Thomas Mann, Arthur Schnitzler, Bernhard Shaw, Jakob Wassermann und viele andere zu Wort.

S. Fischer verlegte vor allem Gerhart Hauptmann, dann das Gesamtwerk von Richard Dehmel, Bernhard Shaw und Thomas Mann. Als um 1900 in der Literatur die neuromantisch-symbolische Richtung üblich war, gab er Hermann Hesse, Jakob Wassermann und Hugo von Hoffmannsthal heraus, dann kamen die Expressionisten wie Georg Kaiser und die Romane von Alfred Döblin.

Als in den zwanziger Jahren die neue Sachlichkeit aufkam, erschienen im Fischer-Verlag die Werke von Hermann Broch, Ferdinand Bruckner, Hermann Billinger, Anna Seghers und Heinrich Hauser.

Von sechs Titeln im Gründungsjahr stieg die Verlagsproduktion im S. Fischer Verlag auf rund 28 Neuerscheinungen im Jahr; 1905 waren es 34 Titel, 1907 dann 40 und 1909 gar 55 Titel. Es vollzog sich auch eine Verlagerung von ausländischen Werken, also Übersetzungen, auf deutsche Autoren. Obwohl er kein politischer Mensch war, brachte er auch die Werke von Rathenau, Max Born, Alfred Weber und anderer Politiker und Wirtschaftler heraus.

Die Schriftsteller waren seine Freunde, er war nicht nur deren Verleger, sondern auch Mäzen, sie nannten ihn liebevoll „Sami“. Sie „verehrten diesen klugen Mann mit dem kahlen, kugeligen Kopf, der leicht lispelte und dessen große Augen schelmisch blinzelten.“Viele empfing er in seiner Villa in Grunewald, die seine musikliebende Ehefrau Hedwig betreute, besonders auch seine Lektoren Moritz Heimann und den Lyriker Oskar Loerke. Sein Credo war. „Die Pflege der Dichtkunst als Zweig des Buchhandels gehört zu den persönlichsten Aufgaben des Verlegers. Hier handelt es sich darum, die verborgenen Kräfte zu erkennen und zu fördern.“Samuel Fischer war nicht nur ein erfolgreicher Verleger sondern ein geistvoller und vielseitig aufgeschlossener Förderer vieler geistig Schaffender.

Das Berlin vor 1933 genoß mit seinen Theatern, Zeitungen und kulturellen Institutionen Weltruf. Bekannt war das „Romanische Cafe“; es war eines von denen, wo sich Literaten, Schriftsteller und Journalisten und andere Künstler trafen. Samuel Fischer wollte zum Ende der zwanziger Jahre nicht an Verfall und Untergang glauben, obwohl er selbst immer kränklicher wurde. Thomas Mann berichtete: „Bei unserem letzten Zusammensein war er sich schon nicht mehr jeden Augenblick ganz klar darüber, in welcher Stadt er sich befand. … Plötzlich begann er über einen gemeinsamen jungen Bekannten zu urteilen: ,Kein Europäer, von großen humanen Ideen versteht er nichts.‘“

Samuel Fischer starb am 15. Oktober 1934, ein gütiges Schicksal hatte ihn davor bewahrt, am eigenen Leibe die Schmach seiner Glaubenbrüder zu erfahren. Gerhart Hauptmann sagte nach dessen Tod: „Er ist nun dort, wo es weder Völker noch Parteien, weder eine innere noch äußere babylonische Sprachverwirrung gibt, in einem Reich, in das wir einst alle ohne Ausnahme nachfolgen.“

Nach dem Tode von Samuel Fischer übernahm Gottfried B. Fischer den Verlag, mußte aber 1936 Deutschland verlassen. Damals entstand die von Peter Suhrkamp geleitete S. Fischer Verlags-K.G. (ab 1942 Suhrkamp Verlags-K.G.). Orte der Verlagsarbeit waren neben Berlin auch Wien, Stockholm, Amsterdam und New York. Im Jahre 1947 firmierte der Verlag unter Suhrkamp Verlag, vorm. S .Fischer. Ab 1965 kam er zur Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck und daraus entstand dann die Fischer Taschenbuch Verlags GmbH.

Lit.: Michael Schwarz: Von Liptau St. Niklas nach Berlin, in: Karpatenjahrbuch 1965, S. 39-46. – Ladislaus Guzsak: Der Verleger S. Fischer, in: Süddeutsche Vierteljahresblätter, München 1984.

Bild: Archiv des Autors

Hans Kobialka