Biographie

Fischer von Mollard, Gerd

Herkunft: Posener Land, Westpreußen
Beruf: Dichter
* 10. November 1898 in Tirschtiegel
† 13. November 1961 in Arlesheim/Schweiz

Gerd Fischer von Mollard wurde am 10. November 1898 in Tirschtiegel, Kreis Meseritz, in der Grenzmark Posen-West­preußen geboren. Seine Jugend verbrachte er auf dem elterlichen Gut Gora im Kreis Jarotschin in der Provinz Posen.

Sein erstes Gedicht, in der Familien-Zeitschrift „Die Taube“, 1923 durch seine Mutter Marie von Mollard veröffentlicht, lässt erahnen, dass hier ein sehr junger, nachdenklicher Mensch seine tiefen Gedanken formuliert hat:

Trost

Du darfst nicht Tränen haben,
Darfst auch nicht traurig sein,
Mußt still dein Herz verschließen,
Mußt tapfer ins Schwere hinein.

Nur mutig kämpfen und ringen,
Du kommst schon bis an’s Licht,
Wenn Harfen auch nicht immer klingen,
Immer Dunkelheit – du – das gibt es nicht.

G.F.v.M. 1922

Als junger Leutnant kam er aus dem Ersten Weltkrieg zurück und bereitete sich danach mit dem Besuch der Forstakademie in Tharandt bei Dresden auf die Übernahme des väterlichen Gutes in Tirschtiegel im Jahre 1931 vor. Dort gründete er seine Familie mit Erika, geb. v. Roell, die sieben Kindern das Leben schenkte. In seinen Erinnerungen schreibt er, dass 1945 noch elf Jahre fehlten und das Waldgut Tirschtiegel wäre 100 Jahre im Besitz der Familie gewesen.

Das Schicksal wollte es, dass das landschaftlich sehr schöne Gut seit Ende des Ersten Weltkrieges durch die deutsch-pol­nische Grenze zu zwei Ländern gehörte. So fiel unserem Vater die schwierige Aufgabe zu, in zwei verschiedenen Staaten zu leben und zu arbeiten. Durch seine reife, gütige und sehr verbindliche Wesensart zeigte er sich allen Schwierigkeiten gewachsen.

Im Jahre 1935 schrieb er sein zweites, uns erhaltenes Gedicht:

Reifen

„Reifen“
ist ein stetes Wandeln,
stilles Ringen,
Kampf ums Licht.

„Reifen“
ist ein schweigsam Handeln,
dem es nie an Kraft gebricht.

„Reifen“ heißt:
sich bald vollenden,
schweren Schicksals
Meister sein!

„Reif sein“ ist:
mit vollen Händen
immer wieder Liebe streu’n.

G.F.v.M. 1935

Doch nach der Flucht und der Beendigung des Krieges und seiner Entlassung aus englischer Kriegsgefangenschaft im Mun­sterlager in der Lüneburger Heide, als aus dem Gutsbesitzer ein einfacher Landarbeiter geworden war, später dann ein Angestellter am Finanzamt in Hamburg-Bergedorf, begann die Quelle seines Herzens sich erst wirklich bedeutsam und entscheidend zu „verdichten“. Wie er früher als Bürger zweier Staaten die Geschicke der ihm anvertrauten Menschen zu lenken wusste, so schien er nun, gereifter noch, als ein Grenzgänger in zwei Welten beheimatet zu sein. Er setzte beide Bereiche in seinen Gedichten wie in Visionen durch „mit Worten gemalten Bildern“ auf überzeugende Weise zum Leben in Beziehung:

Zugvögel

Mit eurer Schwingen schwerem Schlage,
sieht euch das Auge südwärts ziehn,
und euer Ruf ist Abschiedsklage,
da ihr der Heimat müßt entfliehn.

Zurück bleibt unter euerm Flügel
geliebter Fluren weites Land,
wo tief im Wald, von See und Hügel
verborgen, euer Horst wohl stand.

Der Sonne Abendrot entgegen
im zielbewußtem Flug ihr strebt,
auf dem Millionen sich bewegen
nach dem Gesetz, das sie belebt.

Stets wenn die Eberesche leuchtet
und müde wird das dunkle Grün
und wenn das Gras der Nebel feuchtet,
sah ich euch hoch am Himmel ziehn.

Wer hat euch Wanderern aufgetragen
auf große Fahrt schon jetzt zu gehen,
wo warm in späten Sommertagen
die Winde reife Frucht umwehn?

Im Heimweh klagend eilt von hinnen
die große Schar vom Heimatland,
das Dasein dort neu zu beginnen,
wo sie doch keine Heimat fand.

In schmerzlichen Erinnerns Klage
mischt sich versunkener Zeiten Glück,
das neu entsteht an jenem Tage,
da sie zur Heimat kehrt zurück.

G.F.v.M. August 1955

Als er im November 1961 in der „Klinik in Arlesheim“ bei Dornach/Schweiz nach schwerer Krankheit starb, blieben uns viele seiner Gedanken in Versform als sein Vermächtnis. – Eine Auswahl veröffentlichte unsere Mutter danach bald in sehr kleiner Auflage als Privatdruck für Verwandte und Freunde. Das erste Kapitel dieses Büchleins überschrieben wir: Des Herzens Quelle in Tiefen rinnt … Es stellt ihn als Menschen vor. Im zweiten Kapitel spricht er in seiner tiefen Gläubigkeit zu uns, während das 3. Kapitel den naturliebenden, mit Worten malenden Dichter G.F.v.M sprechen lässt.

1985 wünschten sich viele Heimatfreunde eine Neuauflage. Der Vorstand des Heimatkreises Meseritz e.V. bat unseren Heimatfreund Alfons Latzke aus Meseritz um die schriftliche und grafische Gestaltung einer Auswahl seiner Gedichte in einem zweiten Büchlein, das Alfons Latzke mit einigen seiner Vignetten schmückte. So trägt der Einband des zweiten Gedichtbandes das Bild einer mächtigen Kiefer, an deren Fuß zwei Waldstaudenroggen-Pflanzen wachsen, die unser Vater immer als Schutz vor der brennenden Sonne zwischen die Pflänzchen der neuangelegten Kiefernschonungen pflanzte. Weit im Hintergrund ragt der Turm der katholischen Kirche in der Tirschtiegeler Altstadt in den Kiefernzweigen auf.

Am 1. Mai 1961, seinem Todesjahr, entstand sein letztes Gedicht als ein kostbares Erbe für uns:

Frühling

Die weite Welt –
Du zeigst sie uns
in ihrer ganzen Pracht,
und alles,
was da Leben hat,
das hat sich aufgemacht.

Es blüht und wächst
und leuchtet froh
in Berg und Tal
und Feld und Tann,
und Deiner Schöpfung Lob und Dank
steigt tausendfach zu Dir hinan!

Brunfriede Fischer von Mollard