Biographie

Flottwell, Eduard Heinrich von

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Oberpräsident, preußischer Minister
* 23. Juli 1786 in Insterburg/Ostpr.
† 25. Mai 1865 in Berlin

Dass Polen in der Zeit der Adelsrepublik ein religiös tolerantes Land war und viele Glaubens- und Wirtschaftsflüchtlinge im Laufe seiner Geschichte aufgenommen hat, ist allgemein bekannt, weniger jedoch, dass zu den aufgenommenen Gruppierungen auch Schotten zählten. Im 17. Jahrhundert sprach man davon, dass Polen das „Amerika der Schotten“ sei, so viele Siedler zog es hierhin.

Bereits seit dem 14. Jahrhundert sind Schotten in Polen nachweisbar. Den ersten Höhepunkt erreichte die Zuwanderung um 1550. 30.000 Schotten sollen in dieser Zeit nach Polen ausgewandert sein. Diese Zuwanderungsspitze hielt bis in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts an. Mit der Reformation zog es viele verfolgte Kalvinisten und Katholiken, je nach politischer Lage, ins religiös tolerante Polen, das die wertvollen Neubürger gerne aufnahm. Die Schotten siedelten in Danzig und im Weichseldelta ebenso wie im Posener Land und im Lubliner Raum. Manche Ortsnamen erinnern noch an sie.

Zu diesen aus Schottland kommenden Familien gehörten auch die Flottwell, die aber nicht direkt ins Königreich Polen gingen, sondern im 16. Jahrhundert nach Hannover kamen und von dort aus nach Litauen übersiedelten.

Ein Zweig der Familie trat dann in den preußischen Staatsdienst. Johann Friedrich Flottwell (1752-1829) galt in Insterburg als angesehener Kriminaldirektor und Justizkommissar. Zu seinen Kindern mit seiner Frau Amalie Barbara Charlotte Sanden (1764-1835) gehörte Eduard Heinrich Flottwell, der am 23. Juli 1786 im ostpreußischen Insterburg geboren wurde.

Er besuchte das Gymnasium in Tilsit und studierte dann Rechts­wissenschaften an der Albertus-Universität in Königsberg i. Pr. Hier hörte er die Vorlesungen von Immanuel Kant (1724-1804) und Christian Jacob Kraus (1753-1807), die ihn sehr beeinflussten. Bereits mit 19 Jahren trat er als Auskultator am 16. Februar 1805 in den praktischen Justizdienst am preußischen Hofgericht in Insterburg ein, anfangs noch unter der Leitung seines Vaters. Sein Studium beendete er mit der Promotion zum Dr. iur. Im Jahr 1807 absolvierte er das große Justizexamen und arbeitete bis 1808 als Gerichtsreferendar. 1808 wurde er als Gerichtsassessor an das Oberlandesgericht in Königsberg berufen.

Anfang Dezember 1812, bereits im Rang eines Oberlandesgerichtsrats, wechselte er dann in den Verwaltungsdienst. In einer persönlichen Begegnung mit dem damaligen ostpreußischen Oberpräsidenten Theodor Heinrich v. Schön (1773-1856) in Gum­binnen hatte jener ihn für den Dienst hier gewonnen, um den erkrankten Regierungsdirektor Friedrich Schulz zu ersetzen. Seine Aufgabe war es, die Verpflegung und Einquartierung der Truppen zu regeln.

Flottwell hatte bereits im Oktober 1810 in Tilsit geheiratet, doch seine Frau, Friederike Koslowski, starb bereits im Januar 1813. Das Paar hatte einen Sohn, der wie der Vater Eduard hieß.

Der Tod seiner Frau nahm ihn sehr mit und Flottwell erkrankte selber schwer. Kaum genesen beabsichtigte er, sich für den Freiheitskampf gegen Napoleon zum Militärdienst zu melden. Doch der Oberpräsident v. Schön konnte ihn zur Annahme einer anderen Aufgabe überreden.

Flottwell ging als Oberregierungsrat für drei Monate nach Danzig, um die dortigen chaotischen Zustände zu bereinigen und die Verpflegung des russischen Corps unter dem Herzog von Württemberg sicherzustellen. Diese Aufgabe erfüllte er zur Zufriedenheit des Oberpräsidenten und kehrte als Präsidialrat im Dienste Schöns nach Gumbinnen zurück.

Auch privat nahm sein Leben eine neue, gute Wendung. In Gumbinnen lernte er seine zweite Frau kennen, die er am 21. Februar 1814 heiratete. Auguste Lüdecke (* 15. August 1794, † 6. März 1862) war die Tochter des Pfarrers Ernst Lüdecke aus Berlin und mit dem verstorbenen Regierungsdirektors Friedrich Schulz verheiratet gewesen, dessen Amtsnachfolger Flottwell geworden ist. Das Paar bekam fünf Söhne und sechs Töchter.

Mit seinem Mentor v. Schön wechselte Flottwell im Jahr 1816 als Oberpräsidialrat nach Marienwerder in die Provinz Westpreußen. Im Jahr 1825 wurde er hier Regierungspräsident. Das Weichseldelta litt in jener Zeit oft an Überschwemmungen und daraus resultierenden Missernten mit Hungersnöten, derer er sich erfolgreich annahm. Als 1827 infolge von Deichdurchbrüchen und der allgemeinen Weichselüberschwemmung des Jahres 1829 Notzeiten drohten, nahm er sich der Aufgabe dank seiner seltenen organisatorischen Begabung erfolgreich an und empfahl sich damit auch in Berlin für weitere Aufgaben.

Die nächste Krise, die die preußischen Ostprovinzen traf, war der polnische Novemberaufstand in Warschau. Der Aufstand hätte leicht vom russischen Teilungsgebiet auch auf Preußen übergreifen können, zumal bekannt wurde, dass vor allem die polnischen Adeligen ihren Dienst im preußischen Verwaltungsdienst nutzten, ihren Brüdern in Kongresspolen zu helfen. Verschärfend kam in der Provinz Posen hinzu, dass in dieser Zeit der Oberpräsident Theodor v. Baumann (1768-1830) verstarb.

Flottwell wurde im Dezember 1830 zu seinem Nachfolger ernannt. Auch hier erfüllte er die in ihn gesetzten Erwartungen und sorgte gemeinsam mit dem Kommandeur des V. Armeekorps in Posen, General Friedrich v. Röder (1768-1857) und seit 1832 mit General Karl v. Grolman (1777-1843), für Ruhe unter der polnischen Bevölkerung.

Seine Politik wird unterschiedlich gewertet. Für nationale Kräfte gilt er als ein Feindbild, denn es war sein Bestreben, die nationalistischen Kräfte unter den Polen auszuschalten und die „polnische Provinz“ in Preußen zu integrieren. Er ging daher gegen den Einfluss des Adels, der Schlachta, als auch der katholischen Kirche vor und setzte auf die Gewinnung und Förderung der Bauern und des schwachen polnischen Bürgertums durch materielle Vorteile und Bildungsmöglichkeiten.

Die Entmachtung des Adels erfolgte u.a. durch die künftige Ernennung der Landräte nur noch durch die Regierungen in Posen und Bromberg, während zuvor die Vorschläge von den örtlichen Adeligen erfolgt war und von der Regierung ein Kandidat bestätigt wurde. Es wurden zudem die Woythämter, bzw. später die Distriktsämter als untere Verwaltungseinheit geschaffen. Auch die Polizeidistriktkommissare wurden vom Staat berufen. Die bäuerlichen Betriebe wurden nach der Regulierung infolge der Bauernbefreiung gefördert. Die Städte erhielten die neue preußische Städteordnung. Auch das Schulwesen wurde ausgebaut und gefördert. Zum Aufbau eines neuen Mittelstandes zählen auch die Maßnahmen zur Judenemanzipation.

Der Widerstand der polnischen Geistlichkeit manifestierte sich in seiner Amtszeit im sog. Mischehenstreit (1837-40), der bis zur Verhaftung des Posen-Gnesener Erzbischofs Marcin II. Sulgustowski-Dunin (1774-1842) ging.

Je länger Flottwell in Posen amtierte, desto größer war der polnische Widerstand gegen ihn und im Jahr 1840 endete seine Amtszeit nach dem Herrscherwechsel in Berlin, denn der neue König, Friedrich Wilhelm IV., wandte sich dem polnischen Adel zu und konterkarierte damit Flottwells Bemühungen. Die neue Politik kann bereits 1846 mit der Aufdeckung einer polnischen Adelsverschwörung, die einen Aufstand auch im preußischen Teilungsgebiet plante, als gescheitert angesehen werden, spätestens aber mit dem Posener Aufstand von 1848/49.

Im Juni 1840 wurde Friedrich Wilhelm IV. König von Preußen und im Dezember berief er Flottwell aus Posen ab. Dies war jedoch nicht das Ende seiner Karriere, denn er hatte sich bewährt. Es war nur das Ende der härteren preußischen Politik gegen die polnische Nationalbewegung. Flottwell verließ Posen mit dem Titel „Wirklicher Geheimer Rat“ mit dem Prädikat „Exzellenz“.

Als bewährter Verwaltungsfachmann wurde Flottwell im Mai 1841 als Oberpräsident der preußischen Provinz Sachsen nach Magdeburg versetzt. Hier blieb er nicht lange. Bereits im Jahr 1844 wurde Flottwell als preußischer Finanzminister nach Ber­lin berufen. Doch schon zwei Jahre später kehrte er in den Verwaltungsdienst zurück und übernahm am 15. Juli 1846 als Oberpräsident die Verwaltung der Provinz Westfalen in Münster. Diese Funktion nahm er bis zum 21. Juli 1850 wahr.

In der unruhigen Zeit der Revolution von 1848 wurde er in einem Wahlbezirk der Provinz Sachsen in die Frankfurter Nationalversammlung gewählt. Er gehörte hier der Fraktion der äußersten Rechten an. Auch die Provinz Posen blieb ihm gewogen und er wurde 1849 für einen Posener Wahlkreis ins Preußische Herrenhaus, der Ersten Kammer des Preußischen Landtags, gewählt.

Auch wenn Flottwell formal noch Oberpräsident von Westfalen war, leitete er von 1849 bis 1850 die provisorische Verwaltung der Provinz Preußen, der vereinigten Provinzen Ost- und Westpreußen. Er wohnte damals mit seiner Familie im Königsberger Schloss.

Am 21. Juli 1850 wurde er dann als Oberpräsident in die Provinz Brandenburg versetzt. Damit verwaltete Flottwell zum fünften Mal eine preußische Provinz. Nach einigen Vorstufen des Roten Adlerordens erhielt er anlässlich seines 50-jährigen Amtsjubiläums am 16. Februar 1855 die Stufe mit Brillanten verliehen. Bereits vorher hatten ihn die Bürgerschaften geehrt. Am 12. August 1832 war er zum Ehrenbürger von Posen ernannt worden. Die Stadt Hamburg ernannte ihn am 15. Juli 1843 dazu als Anerkennung für seine Hilfe nach dem Hamburger Brand von 1842 und die Landeshauptstadt Berlin verlieh ihm diese Würde bei seinem 50-jährigen Dienstjubiläum. Die Provinzhauptstadt Magdeburg hat ihn 1844 zum Ehrenbürger ernannt.

Auch in ein Ministeramt stieg Flottwell noch einmal auf. Am 7. Oktober 1858 wurde er zum preußischen Innenminister berufen. Doch bereits am 3. Juni 1859 legte er dieses Amt aus Altersgründen nieder und übernahm wieder seine frühere Funktion als Oberpräsident der Provinz Brandenburg.

Der Prinzregent Wilhelm v. Preußen dankte ihm für seine Arbeit mit der Verleihung des Großkomturkreuzes des Hohenzollernordens. Anlässlich der Krönung Wilhelm I. in Königsberg am 18. Oktober 1861 verlieh der neue König ihm den Schwarzen Adlerorden, mit dem der erbliche Adelsstand verbunden war.

Ende 1862 trat Flottwell in den Ruhestand und zog nach Berlin, wo er am 25. Mai 1865 starb.

Lit.: Genealogisches Handbuch des Adels, Adelslexikon Band III. Band 61 der Gesamtreihe, 1975. – Hans Haussherr, Flottwell, Heinrich Eduard von, in: Neue Deutsche Biographie, Band 5, Berlin 1961, S. 257f. – Marcelli Janecki, Handbuch des preußischen Adels, Band 2, 1893, S. 233. – Manfred Laubert, Eduard Flottwell – ein Abriß seines Lebens. Preußische Verlagsanstalt, Breslau 1919. – Gotthold Rhode, Geschichte Polens, 3. Auflage, Darmstadt 1980. – Martin Sprungala, Schotten in Polen, in: Posener Blätter, Geschichte, Kultur, Zeitgeschehen in der ehemaligen Provinz Posen, Beilage in den „Posener Stimmen“, Lüneburg, März 2008. – Ders., Eduard (v.) Flottwell (1786-1865), der 3. Posener Oberpräsident, in: Posener Stimmen, Nr. 4, Lüneburg 2010.

Bild: Wikipedia.

Martin Sprungala, 2017