Biographie

Folberth, Wilhelm

Herkunft: Siebenbürgen
Beruf: Erfinder des Scheibenwischers
* 24. September 1884 in Porojd/ Siebenbürgen
† 20. Juli 1967 in Cleveland/ USA

Dass der Vater der Weltraumfahrt Prof. Dr. h.c. Hermann Oberth, ein Siebenbürger Sachse ist, hat im Laufe der Zeit auch die Weltöffentlichkeit zur Kenntnis genommen. Neben dieser Großtat des Mediascher Gymnasialprofessors ist die Erfindung eines in den USA zu Erfolg und Ehren gelangten Mediascher Schlosserlehrlings, William Folberth, weniger bekannt. Aus Anlass seines 80. Geburtstag schrieb der mit ihm nicht verwandte Publizist Otto Folberth, sei es geboten, „der Herkunft und des weltweiten Wirkens auch dieses Landsmannes zu gedenken, dessen ‚Scheibenwischer‘ heute Millionen von Autofahrern in allen Kontinenten vor Unfällen bewahrt, wenn sie bei strömendem Regen oder dichtem Schneefall mit einem Knopfdruck einen kleinen sinnreichen Mechanismus betätigen, der ihnen das Blickfeld freihält.“

Drei Schlosserbuben führten die Kolonne des Mediascher Radsportvereins an, als sich dieser am 1. Mai 1899 in Begleitung einer Musikkapelle ins „Grüne“ begab: Die drei Buben in weißer Turnerkleidung saßen auf Hochrädern. Auf dem mittleren Rad war eine Fahne montiert. Niemand ahnte damals, dass alle drei buchstäblich in eine große Zukunft hineinradelten. Bald darauf begaben sie sich nach Amerika: Daniel Rehner aus Meschen, damals in der Eisenhandlung Oberth beschäftigt, Georg Schaas aus Klein-Kopisch und Willi Folberth, beide Schlosserlehrlinge bei Adolf Haltrich. Allen dreien war ein langes, sehr erfolgreiches Leben in Wohlstand und Ansehen in den USA bestimmt.

Der erfolgreichste von ihnen war Willi Folberth. Er erblickte das Licht der Welt am 24. September 1884 in Mediasch, als drittes der vier Kinder aus zweiter Ehe des Weißbäckers Karl Folberth und dessen Ehefrau Maria geb. Knopp. Das Schlosserhandwerk erlernte er in der gleichen Werkstatt von Adolf Haltrich in der unteren Steingasse in Mediasch wie sein um fünf Jahre älterer Bruder Friedrich Gustav. Haltrich, allgemein „Dolli“ genannt, war ein Mediascher Original, (ein Techniker mit musischer Seele), strotzend von Optimismus und Humor. Haltrich, der selbst kinderlos war, hauchte seinen Lehrlingen und Gesellen die Liebe zu Technik und Forschritt mit geradezu väterlicher Inbrunst ein. Jedenfalls hingen sie ihr Leben lang dankbar an ihm und unterstützten ihn in seinem Alter. Von den Folberth-Brüdern wagte zuerst der ältere (Friedrich, in Amerika Frederick oder einfach Fred genannt) 1902 den Sprung über das große Wasser. Schon im Jahre darauf folgte ihm sein Bruder Wilhelm (in Amerika William, am häufigsten aber „Bill“ genannt). Sie scheinen in Cleveland rasch Fuß gefasst zu haben, denn es dauerte nicht lange, so kam es dort zur „Familienzusammenführung“ mit der vom Vater geschiedenen Mutter und den beiden Schwestern Marie und Johanna.

In Amerika wandten sich die Brüder, vom technischen Elan der Zeit erfasst, sogleich dem Phänomen „Automobil“ zu. Schon in den Jahren 1904/05 bauten sie ihr erstes Motorfahrzeug. Sie waren erfinderisch und tüftelten immer neue im Automobilbau anwendbare Konstruktionen aus. Bei einer Wettfahrt bereitete einst der an der Windschutzscheibe haftende Schnee Fred Schwierigkeiten. Er bewog den Bruder, auf eine Abhilfe gegen Sichtbehinderung dieser und ähnlicher Art bedacht zu sein. Bills Einfall wurde ein Schlager ersten Ranges. Er erfand eine automatisch angetriebene, auf dem Vakuumprinzip beruhende Autoscheibenwischeranlage. 95 Einzelpatente gehörten zur Perfektion der Erfindung. Dann aber war die Nachfrage nach diesem ersten brauchbaren Scheibenwischer der Welt so groß, dass die Brüder den Bedarf kaum befriedigen konnten, obwohl sie täglich 5.000 Stück erzeugten. Ja, nur waren sie nicht Menschen jenes Schlages, die einer stumpfsinnigen Beschäftigung jahre- oder jahrzehntelang nachgehen konnten, selbst wenn diese viel Geld brachte. Deshalb und weil sie mit der Witterung echter Erfindernaturen ahnten, dass ihr Scheibenwischer vielleicht bald durch einen elektrisch angetriebenen abgelöst würde, verkauften sie im Jahre 1925 ihr Patent mit sämtlichen Erzeugungsmaschinen für eine Million Dollar.

Nun begaben sie sich, immens reich und wirtschaftlich unabhängig geworden, zunächst auf eine Weltreise. Dabei berührten sie auch ihre Heimatstadt Mediasch und besuchten ihren, auf sie unerhört stolzen Lehrmeister Adolf Haltrich, den sie anschließend zu einem Besuch zu sich nach Cleveland einluden. Nach einjähriger Arbeitspause hielten sie jedoch das Leben des reichen Mannes einfach nicht mehr aus. Das Geld hatte sie nicht verdorben. Glücklich fühlten sie sich, das hatten sie mittlerweile klar erkannt – nur in der Werkstatt oder im Kontor. Die Werkstatt – sie befand sich in Cleveland, 7821 Lake Avenue N.W. – war hauptsächlich die Domäne Bills, der noch als 80jähriger am allerliebsten am Schraubstock hantierte, die Domäne Freds hauptsächlich das Kontor. Bezeichnend für ihre Arbeitsteilung und ihren Wesensunterschied: Vor der Werksatt Bills pflegte ein alter, viel strapazierter Wagen zu parken, in den man auch mit schmutzigen Händen einsteigen kann, vor dem Kontor Freds ein stets tadellos gepflegter, glänzender, neuer Wagen. Wie gut müssen die Brüder sich dennoch vertragen haben, da sie ein einziges gemeinsames Bankkonto besaßen, über das jeder von ihnen nach Gutdünken verfügen konnte!

Während die Tatsache, dass Willi Folberth den ersten automatischen Autoscheibenwischer erfunden hatte, bald in der Öffentlichkeit nicht mehr bekannt war, ließ ihn eine zweite Erfindung zu einem, wenigstens in Amerika bekannten, ja berühmten Manne werden. In USA ist das Bogenschießen, genannt „Indianergolf“, seit Mitte des 20. Jahrhunderts große Mode. Es wurde auch im Westwood Country Club, dem Bill angehörte, gepflegt. Die Spieler schossen Pfeile auf große Kugeln. Bill hatte bis dahin keinen Bogen in der Hand gehabt. Trotzdem wurde er im ersten Jahr Club-Champion und im nächsten Jahr Stadtmeister. „Ich war gerade kein besserer Schütze als die anderen“, lautet seine Erklärung, „ich hatte nur einen besonderen Bogen. Ich konstruierte einen Spezialbogen für mich, mit einem Mittelschlitz für den Pfeil. Dadurch konnte ich besser zielen. Andere im Club bemerkten meinen Bogen und verlangten, dass ich ihnen auch einen solchen baue. So bin ich Bogenmacher geworden.“

Auch dieser Erfindung gab sich Bill mit einem geradezu wissenschaftlichen Eifer hin, obwohl sie nie einen großen Gewinn abzuwerfen versprach. Er baute Modell nach Modell und ließ mehrere von ihnen patentieren. Seine Bögen bestehen aus geschichtetem Amarant, Hickory, brasilianischem Rosenholz und englischer Eibe. Dank ihrer ausgezeichneten Zielvorrichtung und ihrer erstaunlichen Durchschlagskraft gelten sie als die besten der Welt. Sie ermöglichen sogar die Jagd in freier Wildbahn und zwar nicht nur auf Vögel, Fische, Marder usw., sondern auch auf Bären und Hirsche. Selbst die Indianer in ihren Reservationen – einer ihrer Häuptlinge namens Idabeh sprach bei Bill gerne vor – haben sie schätzen gelernt.

Drei Jahre nach seinem 80. Geburtstag und nach Erscheinen dieses Artikels aus der Feder des Publizisten Otto Folberth ist Willi Folberth in Cleveland verstorben. Durch seine drei Kinder ist er der Stammvater einer zahlreichen Nachkommenschaft von rechtschaffenen und erfolgreichen Menschen geworden.

Anmerkung: Dieser Beitrag ist ein von Hansotto Drottloff leicht gekürzter und mit einigen Ergebnissen neuester Forschungsergebnisse ergänzter Artikel von Otto Folberth in der Siebenbürgischen Zeitung vom 15.08.1964.

Bild: Siebenbürgische Zeitung.

Otto Folberth/ Hansotto Drotloff