Biographie

Forster, Georg(e) Adam

Herkunft: Danzig
Beruf: Naturforscher, Anthropologe, Reiseschriftsteller
* 27. November 1754 in Hochzeit-Nassenhuben bei Danzig
† 10. Januar 1794 in Paris

Georg Forster stammt aus dem Danziger Werder. Seine Heimatdörfer Nassenhuben (hochdeutsch auch Nassenhof) und Hochzeit liegen etwa zwölf Kilometer südöstlich von Danzig an der Mottlau. An der Patronatskirche in Nassenhuben war Forsters Vater, Johann Reinhold Forster (geboren 1729 in Dirschau), seit 1753 reformierte Pfarrer; der Sohn ist im Pfarrhaus in Hochzeit geboren. Die Familie war schottischer Herkunft und lebte seit der Mitte des 17. Jahrhunderts in Polnisch-Preußen. Mehrere ihrer Mitglieder waren Bürgermeister von Dirschau gewesen, Kaufleute, studiert, teilweise auch mit wissenschaftlichen Interessen. Georgs Vater machte diese neben der Theologie zu seiner Profession. Er hattedas Joachimsthal sehe Gymnasium zu Berlin besucht sowie in Halle studiert und bekam schließlich ebendort eine Professur für Naturgeschichte und Mineralogie übertragen (gestorben im Dezember 1798).

Im Gegensatz zu seinem Vater (von dem er zeitlebens nicht wirklich frei geworden ist) erfuhr George Forster niemals eine methodische Ausbildung; im übrigen war er – bei all seinen großen Kenntnissen – eher Publizist und Schriftsteller als Gelehrter. Er folgte seinem Vater, der auf der Suche nach beruflicher Befriedigung aus seinem Pfarrerdasein herausdrängte, in sehr jungen Jahren nach Rußland und später nach England. 1772 bis 1775 nahm er mit ihm an der zweiten Entdeckungsreise James Cooks teil. Danach machte er sich in England sofort an die Niederschrift eines Reiseberichtes, der 1777 in London in zwei Bänden unter dem Titel A voyage round the worlderschien (deutsch 1778/80) und in seiner realistischen, aber auch romantisierenden Schilderung von Mensch, Gesellschaft, Natur und Landschaft, die Einflüsse Rousseaus und Buffons verriet, seinen literarischen und wissenschaftlichen Ruf begründete. 1778 erlangte Forster eine Professur für Naturgeschichte an der Ritterakademie (Carolinum) in Kassel, die ihn freilich gänzlich unbefriedigt ließ; sein einziger Trost bestand darin, mit dem Pferd in knapp sechs Stunden die Universitätsbibliothek in Göttingen erreichen zu können. 1784 folgte er einem Ruf an die Universität Wilna. 1785 heiratete er Therese Heyne, eine Tochter des an der Universität Göttingen wirkenden Altphilologen Heyne. Forster behagte es indessen in Polen und speziell an der ehemaligen Jesuitenuniversität Wilna nicht. Er ließ sich daher 1787 von der Zarin Katharina dazu verpflichten, als Wissenschaftler an einer Weltreise teilzunehmen (wobei er auch aufgehäufter Schulden ledig wurde); allerdings kam das Unternehmen infolge des im selben Jahre ausgebrochenen russisch-türkischen Krieges nicht zustande. So trat er 1788 als Universitätsbibliothekar in den Dienst des Kurfürsten von Mainz. Eine mit Alexander von Humboldt im Frühjahr 1790 unternommene Reise verewigte er in seinem dreibändigen (unvollendet gebliebenen) Werk Ansichten vom Niederrhein, von Brabant, Flandern, Holland, England und Frankreich im April, Mai und Juni 1790, das zwischen 1791 und 1794 in Berlin erschien. In ihm kamen Forsters deutscher Stil (seine Muttersprache war deutsch, der Vater korrespondierte mit ihm immer englisch) und seine schriftstellerische Begabung voll zur Entfaltung. Forsters Sprache ist anschaulich, bildhaft; seine Beschreibung steht mit romantischen, fast impressionistischen Schilderungen bei unverkennbarem Festhalten am klassizistischen Kunstideal am Beginn moderner Landschafts- und landeskundlicher Darstellung. Die berühmt gewordene Schilderung des Kölner Doms ist die erste eines gotischen Innenraumes. Sie sollte wesentlich zur Wiederentdeckung der Gotik (die Forster vor allem aus England kannte) beitragen.

Im übrigen hat Forster literarisch durch zahllose, oft über den jeweiligen Anlaß hinausgreifende Rezensionen in den führenden Publikationsorganen seiner Zeit auf das Publikum gewirkt. Hinzu traten philosophische, ästhetische und literarische Aufsätze sowie Arbeiten zur Länder- und Völkerkunde und Naturgeschichte. Von Rang ist auch der Übersetzer Forster. Von Interesse sind ferner seine 1793 erschienenen Erinnerungen aus dem Jahr 1790, ein Gedenkbuch auf das nämliche Jahr mit Nachrichten über Ereignisse und Personen. Im übrigen sind Forsters Briefe (insbesondere die aus der Revolutionszeit) wichtig, die erstmals 1829 in Leipzig, herausgegeben von seiner Frau Therese, die selbst schriftstellerisch tätig war, in zwei Bänden erschienen.

In Mainz wurde Forster aus Begeisterung für die Französische Revolution zum Politiker und trat nach der Einnahme der Stadt durch französische Truppen im Herbst 1792 in den dortigen Jakobinerklub ein. Er wurde dessen bewegender Geist und am l. Januar 1793 dessen Präsident sowie im folgenden Vizepräsident des „Rheinisch-Deutschen Nationalkonvents“, als dessen Abgesandter er nach Paris reiste, um den Anschluß der im März 1793 gegründeten „Rheinischen Republik“ an Frankreich zu betreiben. Er empfand sich zu dieser Zeit als Franzose, vertrat einen radikalen Republikanismus mit einer Tendenz zum Terrorismus im Sinne Dantons und Robespierres und einen weltverbessernd-humanitären Moralismus mit utopischem Einschlag.

Indessen entrissen preußische Truppen im Sommer 1793 Mainz den Franzosen wieder, so daß Forster, zumal er unter die Reichsacht gefallen war, kein Zuhause mehr hatte. Zudem verlangte seine Frau, die er aus Sicherheitsgründen mit den Kindern nach Straßburg geschickt hatte, von wo sie jedoch nach Neuenburg in der Schweiz gegangen war, die Scheidung, was auf eine seit längerem wirksame Entfremdung der Ehegatten zurückging. Sie verband sich, ohne daß es zu einer förmlichen Trennung von Forster gekommen wäre, nach dessen Tod mit einem Hausfreund der Familie, den Schriftsteller Ludwig Ferdinand Huber (1764 – 1804). Die Katastrophe in Forsters Leben bestand aber darin, daß er an der Französischen Revolution irre geworden war und so seine republikanischen Ideale zerstört sah. In einem Brief vom 16. April 1793 an seine Frau, zu der er trotz ihres Scheidungsbegehrens ein vertrauensvolles Verhältnis unterhielt, schrieb er: „O, seitdem ich weiß, daß keine Tugend in der Revolution ist, ekelt mich’s an. Ich konnte fern von aller idealistischen Träumerei mit unvollkommnen Menschen zum Ziele gehen, unterwegs fallen, und wieder aufstehen, und wieder gehen. Aber mit Teufeln, und herzlosen Teufeln, wie sie hier alle sind, ist es mir eine Sünde an der Menschheit, an der heiligen Mutter Erde und an dem Lichte der Sonne…. Je edler das Ding und je allmächtiger, desto fürchterlicher und teuflischer ist der Mißbrauch. Brand und Ueberschwemmung, die schädlichen Wirkungen von Feuer und Wasser, sind nichts gegen das Unheil, das die Vernunft stiften wird – wohl zu merken, die Vernunft ohne Gefühl, wie sie nach den Merkmahlen dieser Zeit uns bevorsteht, …“

Politisch und menschlich gescheitert, beschloß Forster, nach Indien zu gehen, und widmete sich dem Studium der morgenländischen Sprachen. Doch da setzte nach einer allgemeinen Schwächung wahrscheinlich eine Lungenentzündung seinem unglücklichen, oft gequälten Leben ein Ende.

Forsters Name und Ruf sind in Deutschland rasch verblaßt. Die lobenden Stimmen Friedrich Schlegels und Gervinus‘ fanden auf die Dauer kein Gehör. Forster, an dessen Andenken nicht zuletzt der Makel des Vaterlandsverrats haftete, galt bald weithin nicht mehr als der klassische Prosaist, als den ihn Schlegel in seinem berühmten Porträt vom Frühjahr 1797 bezeichnet hatte. Denn man meinte, wie der Historiker und Publizist Alfred Dove 1878 schrieb, „aus der orientierenden Ferne deutlich die Gebrechen seines Stils“ zu erkennen, „in denen sich die unfertige, tiefbegründeter Einheit entrathende Natur des Mannes widerspiegelt, jene Ungleichheit der Behandlung und selbst des Ausdrucks, welche flache Arbeit mit übertriebenem Hochrelief abwechseln läßt, jene bloße Vermengung anstatt innerer Verbindung der Gedankenstrenge mit der Gefühlswärme.“ Auch Schlegel hatte an ihm „die gewaltige Selbständigkeit der schöpferischen Kraft“ vermißt, „ohne die es unmöglich ist, ein großes wissenschaftliches, künstlerisches oder geschichtliches Werk zu vollenden.“ Doch kam Forster seiner Meinung nach kein deutscher Prosaist „an Weltbürgerlichkeit, an Geselligkeit“ auch nur nahe, an „universeller Empfänglichkeit und Ausbildung“.

Schlegel dürfte damit das Bleibende an Forster berührt haben; er ist darin jedenfalls von der modernen Forster-Forschung bestätigt worden, die auf dem entscheidenden Umstand aufbauen konnte, daß Forsters Werk heute in einer philologisch gesicherten Gestalt vorliegt. Daß es eine Forster-Forschung und eine Forster-Philologie gibt, ist dem politischen Interesse zu danken, das die DDR an Forster nahm, den sie zu einem ihrer Ahnherren erkor. Sie setzte ihm mit einer (nunmehr vor dem Abschluß stehenden) fast zwanzigbändigen historisch-kritischen Ausgabe seiner Werke ein Denkmal. Im Lichte dieser politischen Inanspruchnahme sind gewisse, auch mit Hilfe alter Ostberliner Kader unternommene Versuche, die Mainzer Republik, die doch nur mit Hilfe französischer Bajonette bestehen konnte, als „Wiege der Demokratie“ in Deutschland erscheinen zu lassen, von einiger Fragwürdigkeit. Der literarische Rang Forsters bleibt davon unberührt.

Werke: Georg Forsters Werke. Sämtliche Schriften, Tagebücher, Briefe; hrg. v. der Berlin-Brandenburg. Akad. der Wiss., 18 Bde., Berlin 1958ff. – Georg Forster. Werke in vier Bänden, hrg. v. G. Steiner, Frankfurt a. M. 1967 – 1971.

Lit.: H. Fiedler: G.-F.-Bibliogr. 1767 – 1970, Berlin 1971. – S. Merz-Horn: G.-F-Bibliogr. 1971 – 1989, in: Georg Forster. Die Kasseler Jahre, Kassel 1990, S. 154 -174. – G. M. Bertschinger: The Portraits of Johann Reinhold Forster and Georg Forster.A Catalog with Discussions on the Origin of Each Portrait, Los Gatos 1988. – G. Steiner: Georg Forster, Stuttgart 1977 (Slg.Metzler, Bd. 156). – Ders.: Johann Reinbold Forsters und Georg Forsters Beziehungen zu Rußland, in: Studien z. Gesch. der russ. Lit.des 18. Jahrhunderts, Bd. 2, Berlin 1968, S. 245 -311,430 -450.-P. Zincke: – Georg Forster nach seinen Originalbriefen, 2 Tle., Dortmund 1915. – K. Kersten: Der Weltumsegler. Johann Georg Adam Forster. 1754 – 1794, Bern 1957. – L. Uhlig: Georg Forster. Einheit und Mannigfaltigkeit in seiner geistigen Welt, Tübingen 1965. – R.-R. Wuthenow: Vernunft und Republik. Studien zu Georg Forsters Schriften, Bad Homburg v. d. H., Berlin, Zürich 1970. – K. Harpprecht: Georg Forster oder die Liebe zur Welt.Eine Biographie, Reinbeck 1987. – J. C. Beaglehole (Hrg.): The Voyage of the Resolution and Adventure 1772- 1775, Cambridge 1961 (The Journals of Captain James Cook on his Voyages of Discovery, Bd. 2). – M. E. Hoare (Hrg.): The Resolution Journal of Johann Reinhold Forster.1772 – 1775, 4 Bde., London 1982. – H. Scheel: Die Mainzer Republik III. Die erste bürgerlich-demokratische Republik auf deutschem Boden, Berlin 1989. – F. Dumont: Die Mainzer Republik von 1792/93. Studien zur Revolutionierung in Rheinhessen und der Pfalz, 2., erw. Aufl., Alzey1993. – Die Mainzer Republik. Der Rheinisch-Deutsche Nationalkonvent, hrg. Vom Landtag Rheinland-Pfalz, Mainz 1993.

Bild: Stahlstich (1854), vermutlich nach einem Gemälde von A. Graff (1784, verschollen)

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Forster

Peter Mast