Biographie

Forster, Georg(e) Adam

Herkunft: Danzig
Beruf: Naturforscher, Anthropologe, Reiseschriftsteller
* 27. November 1754 in Hochzeit-Nassenhuben bei Danzig
† 10. Januar 1794 in Paris

Unter den zahlreichen deutschen Pfarrerssöhnen, die von Gryphius bis Gottfried Benn zu literarischem Ruhm gelangten, weist Georg Forster die bestürzendste Fallhöhe auf: vom berühmten Weltreisenden und weithin bewunderten Schriftsteller zum Hochverräter als Mainzer Revolutionär. So jedenfalls betrachteten ihn die meisten bisherigen Freunde, wenn seine Aktivitäten, das revolutionäre Mainz an die französische Republik anzuschließen, zur Debatte standen. Die Folgen dieser Ächtung sind bis heute wirksam. Im kulturellen Gedächtnis der breiten Öffentlichkeit existiert Forster praktisch nicht. Differenziertere Urteile über Person und Werk gab es nach Bekanntwerden seiner Einstellung zur Französischen Revolution unter den Zeitgenossen nur vereinzelt. Am gewichtigsten dürfte die Charakteristik des jungen Friedrich Schlegel sein, die er 1797 (drei Jahre nach Forsters Tod) veröffentlichte. Der führende Programmatiker der Frühromantik stellt vor allem Forsters Kunst heraus, die Menschen am vielfachen Fortschritt der Epoche teilnehmen zu lassen: Forsters Schriften „vollständig zergliedern, hieße den Begriff eines in seiner Art vortrefflichen gesellschaftlichen Schriftstellersentwickeln. Und in weltbürgerlicher Rücksicht stehen diese, deren Bestimmung es ist, alle wesentlichen Anlagen des Menschen anzuregen, zu bilden und wieder zu vereinigen, oben an. (… ). Weltbürgerliche, gesellschaftliche Schriften sind also ein ebenso unentbehrliches Mittel und Bedingnis der fortschreitenden Bildung, als eigentlich wissenschaftliche und künstlerische.“ (S. 91).

Der hier als Kosmopolit charakterisierte Schriftsteller kannte in der Tat die Welt wie kein anderer deutscher Autor des Aufklärungszeitalters und der anschließenden Goethezeit. Und der Begriff der Weltliteratur ist ihm nicht nur selbstverständlich, lange bevor Goethe ihn einforderte, sondern ist darüber hinaus anthropologisch grundiert in einer Weise, die in der deutschen Literatur einzigartig genannt werden muß. Friedrich Schlegel hat es in seinem großen Forster-Essay auf den Punkt gebracht: „Nie beschäftigt er die Einbildungskraft, das Gefühl oder die Vernunft allein: er interessiert den ganzen Menschen. Alle Seelenkräfte aber in sich und andern gleich sehr und vereinigt auszubilden; das ist die Grundlage der echten Popularität, welche nicht bloß in konsequenter Mittelmäßigkeit besteht.“ (S. 82). Die Quintessenz des Daseins und Wirkens von Georg Forster aber hat Schlegel prägnant in die Formel gefaßt: „ein echter Weltbürger, deutscher Herkunft.“

Zunächst jedoch deutete nichts auf Spektakuläres. Geboren als ältestes von sieben Kindern des Dorfpfarrers Johann Reinhold Forster in Nassenhuben bei Danzig, damals Preußisch-Polen, war dem Erstgeborenen ein eher bescheidener Lebensweg vorgezeichnet. Der Vater, ein begabter Naturwissenschaftler und ein Sprachgenie (nach eigenen Angaben beherrschte er siebzehn Sprachen), verhehlte nie, daß eine Landpfarre nicht die ihm angemessene Wirkungsstätte war. Bei Auseinandersetzungen zwischen dem adeligen Herrn und den Bauern stellte er sich jedoch auf deren Seite. Sein nur 39 Jahre währendes Leben lang wird Georg Forster immer wieder in ein Wechselbad der Gefühle getaucht werden, was das Verhältnis zu seinem Vater anbelangt. Er kann den Sohn begeistern für die Erkundung fremder Völker, aber auch zermürben mit den ständigen Vorhaltungen, für die Tilgung seiner kaum je aussetzenden Schulden zu sorgen. Das Verhältnis zwischen beiden bleibt kompliziert. Eine reguläre Schule hat Georg Forster nie besucht. Sein Vater unterweist ihn zu Hause – nicht unbedingt im Sinne des üblichen Elementarunterrichts, viel eher den Blick auf die Naturvorgänge und die Stellung des Menschen in der Welt lenkend. Hier werden die Grundlagen gelegt für den künftigen Kulturanthropologen, den beispielsweise Alexander von Humboldt als seinen Lehrmeister bezeichnen wird. In der tiefsten Provinz Preußisch-Polens wächst unter der Regie eines eigenwilligen Vaters nicht nur „der unprovinziellste aller deutschen Denker“ (Gordon A. Craig) heran, sondern auch einer, für den Denken ohne Handeln unvorstellbar ist. Eine seltene Erscheinung auch in deutschen Zentren.

Die ersten 24 Lebensjahre, also Kindheit, Jugend und frühes Mannesalter, verbringt Forster nahezu ganz außerhalb Deutschlands: in Rußland, England und bei der Weltumseglung mit James Cook. Erst Ende November 1778 kehrte er in ein für ihn im Grunde fremdes Land zurück, um in Kassel für einige Jahre am Collegium Carolinum zu lehren. Was er bis dahin erlebt und geleistet hatte, war mehr als genug, um ihn zu einer allseits gefragten und geachteten Berühmtheit zu machen. Genugtuung vermochte er darin letztlich nicht zu finden. Mit aller Leidenschaft, die ihm auch als Vatererbe eignete, strebte er eine kosmopolitische Erziehung der Deutschen an. Hochqualifiziert dafür war er jedenfalls.

Als der Vater 1765 den Auftrag erhielt, über die von der Zarin Katharina II. neugegründeten deutschen Siedlungen an der Wolga ausführlich zu berichten, bat er sich die Begleitung des zehnjährigen Georg aus. Eine Jugend auf Weltreisen mit Wissenschaftsanspruch seitens des Vaters begann. Die Trennung von der Mutter und den Geschwistern wurde für den Erstgeborenen fortan der Regelfall. Die Strapazen der Reise durch die endlosen russischen Weiten für den kleinen Georg – die über 700 Kilometer von St. Petersburg nach Moskau legten sie in nur fünfeinhalb Tagen zurück – standen für den ehrgeizigen Vater nicht zur Debatte. Der Sohn war vollauf in den sehr ernst genommenen Auftrag einbezogen, die Situation der deutschen Kolonisten zu begutachten. Sechs Kolonien flußabwärts am westlichen Wolga-Ufer besuchten die beiden Forsters. Die Lageberichte unterschlugen, wie es dem Charakter Reinhold Forsters entsprach, nichts. Ihre Auswertung und die Anfertigung einer Denkschrift nahmen längere Zeit in Anspruch. Und so kam der kleine Georg zum einzigen Schulbesuch seines Lebens. Sieben Monate lang besuchte er die Petrischule der evangelischen Kirche in St. Petersburg. Der entscheidende Ertrag der erlebnisreichen Rußland-Expedition aber war die aufkeimende Lust an naturwissenschaftlichen und ethnologischen Arbeitsweisen, die bei ihm als dem engsten Mitarbeiter seines Vaters in dieser Zeit grundgelegt wurde; desgleichen der Blick für die Lebensverhältnisse der Menschen. Krasse Ungerechtigkeit erlebte er unmittelbar. Seinem Vater wurde von der Petersburger Verwaltung der zustehende Lohn wie die erwartete Staatsstelle vorenthalten. Der mächtige Woiwode von Saratow, den Reinhold Forster der Unterdrückung der Kolonisten angeklagt hatte, konnte die Bürokratie der Zarin auf seine Seite ziehen. Verbittert brach Forster im Herbst 1766 nach London auf. Die Familie in Nassenhuben besuchte er nicht. Am 4. Oktober 1766 gingen die beiden Forsters mit einem Kapital von 4 Pfund an Land.

In London, der Welthauptstadt des 18. Jahrhunderts, in Warrington und auf der zweiten Cookschen Weltumseglung verbrachte Forster die nächsten 12 Jahre seines nicht allzu langen Lebens. Diese Jugend in England hat ihn zusammen mit den bisherigen Erfahrungen in Rußland entscheidend geprägt. Nicht zum wenigsten verbesserte er durch Übersetzungen russischer und deutscher Texte ins Englische seine diesbezüglichen Sprachfähigkeiten. Dringend notwendig waren sie auch zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Forsters. Als der Vater bescheidene Einnahmen in Aussicht hatte, ließ er seine Familie nachkommen. Im September 1768 sah Georg Forster nach fast dreieinhalb Jahren seine Mutter und die Geschwister wieder.

Das sein weiteres Leben maßgeblich prägende Ereignis war jedoch, auch nach Forsters Selbsteinschätzung, die Teilnahme an der zweiten Entdeckungsreise von Kapitän James Cook, zu dessen wissenschaftlichen Berater die Britische Admiralität 1772 Reinhold Forster ernannt hatte. Auf der dreijährigen Weltreise, die ins südliche Polarmeer bis zu den Oster-Inseln und nach Tahiti führte, konnte Georg Forster seine natur- und menschenkundlichen Fähigkeiten vollends entfalten. Die 1777 in London erschienene Reisebeschreibung „A Voyage round the World“(1778-1780 zusammen mit Rudolf Erich Raspe ins Deutsche übertragen) zählt auch literarisch zu den Gipfelleistungen der Gattung Reiseliteratur. Forster hat hier zu der für ihn charakteristischen Gestaltungsweise gefunden: der Verbindung von genauer Natur- und Menschenbeobachtung mit einer oftmals geradezu poetischen Darstellung. Unverkennbar ist auch der aufklärerische Impuls, dem lediglich auf Kenntnisvermittlung oder meistens sogar nur auf Unterhaltung ausgerichteten Genre philosophische Tiefe zu verleihen. An den wirkungsmächtigsten Teilen des Werkes, den drei „Hauptstücken“über Tahiti, ist dies gut ablesbar. In Deutschland wird vornehmlich der Tahiti-Kenner gerühmt. Noch in Mörikes einzigem Roman „Maler Nolten“ (1832) ist dies beim Entwurf der „Orplid“Welt von Bedeutung. Forster war eine europäische Berühmtheit geworden und einer der meistgelesenen Autoren. Die wirtschaftliche Lage der Familie blieb prekär.

Auf der Suche nach einer angemessenen Stellung für seinen von England enttäuschten Vater kam der Vierundzwanzigjährige Ende November 1778 erstmals nach Deutschland. Ein Land, von dem er nur gehört und gelesen hatte. Die unerläßlichen Kontakte für seine triste Mission fand er (dank seines Rufs) rasch: in Düsseldorf lernte er den Philosophen Jacobi kennen, in Göttingen den Altphilologen Heyne und traf hier wieder mit dem schon von London her bekannten Physiker Lichtenberg zusammen. In Berlin wurde er in 65 Häuser eingeladen, wo er u.a. auf Nicolai, Biester, Spalding oder Sulzer stieß. In Kassel schließlich erhielt er selbst die Stelle des Professors für Naturgeschichte am Collegium Carolinum, da sie wegen der zu geringen Bezahlung für den Vater nicht in Frage kam. Für ihn wird er erst 1780 eine Professur in Halle erbitten können. Erst von da an ist der sechsundzwanzigjährige Forster halbwegs frei.

In den Kasseler Jahren (1778-1784) fallen die Nachtseiten der Begeisterungsfähigkeit Forsters auf. Der Anatom Soemmerring warb ihn für den Orden der Rosenkreuzer. Unter dem Ordensnamen „Bruder Amadeus“zählte er zum engsten Zirkel jener Eingeweihten aus der Loge „Zum gekrönten Leben“, die der prima materiawahre Wunder entlocken wollten: der Urstoff sollte sich nach Maßgabe geheimnisvoller Rezepturen in einem Moment der Offenbarung in Silber und Gold verwandeln lassen, desgleichen vermöchte die „Universal-Medizin“ alle Krankheiten zu heilen und dem Menschen ewige Jugend zu schenken. Der Naturwissenschaftler und exakte Menschenbeobachter ist nicht mehr zu erkennen. Nächtelang steht er mit seinem Freund und Logenbruder Soemmerring in der chemischen Küche bei unglaublichen und überdies gefährlichen Experimenten. Nächtelang ringt er im Gebet um Erleuchtung. Die Teilnahme an 90 Sitzungen seiner Loge während dieser Jahre ist protokolliert. Ein überzeugter Aufklärer sieht anders aus. Zumindest die Radikalität, mit der er sich dem Mystizismus des Kasseler Kreises hingibt, irritiert. Bedenkenlos wird er sich zunächst auch gegen Ende seines kurzen Lebens der revolutionären Sache in Mainz verschreiben, womit er das Wohlwollen seiner besten Freunde aus den Kasseler Jahren verspielte. Jacobi, Nicolai, Soemmerring und Lichtenberg wandten sich ab.

In Kassel schaffte er jedoch auch die Wende. Großenteils aus eigener Kraft, indem er seine seriöse wissenschaftliche Arbeit wieder aufnahm. Die Abhandlung „Vom Brodbaum“(1784) zeigt Forster von seiner in ganz Europa gerühmten Seite: die naturkundlichen Forschungen sind umweglos in den Dienst des Menschen zu stellen. Grundsätzlich berührt sich diese Humanität mit der Herders. Dessen „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit“ (1784) stießen denn auch Forsters Absprung von der Rosenkreuzer-Schwärmerei entscheidend mit an. Dazu kamen Mißhelligkeiten in der Kasseler Loge selbst. Ende 1783 erklärte er seinen Austritt. Es war ihm wichtig, wie er Jacobis Schwester Helene schrieb, daß dieser Schritt noch vor seinem 30. Jahr erfolgte.

Als sich 1784 die Möglichkeit ergab, an die neue Universität im polnischen Wilna zu gehen, nahm er (ohne große Begeisterung) an. Bevor er dort antrat, reiste der wiedererstandene aufklärerische Humanist fünf Monate durch Mitteleuropa. Wichtigste Station war Wien. Hier erlebte Forster eine kurze Zeit eines nahezu ungetrübten und ihm bislang unbekannten Glücks: im Umgang mit charmanten Wienerinnen, bei Theaterbesuchen oder bei wissenschaftlichen Gesprächen in der Atmosphäre der kultivierten Wiener Geselligkeit. Eine Konzentration aller Vorzüge der euphorischen Gesamtstimmung in Wien während der ersten Regierungsjahre von Joseph II. stellten für Forster die Sitzungen und Bankette der Wiener Freimaurerlogen dar. (Vom Druck der Kasseler Rosenkreuzer fand sich hier nichts.). Und der Josephinismus mit seinen enervierenden Schikanen blieb ihm erspart.

Wilna stellte sich rasch als Enttäuschung heraus. Weder die Universität mit ihren Dozenten und Studenten noch die gesellschaftliche Atmosphäre der weit im Osten gelegenen Stadt entsprachen den Ansprüchen Forsters. Überdies löste die polnische Regierung einen Großteil ihrer Zusagen bei seiner Berufung nicht ein. Eine Erleichterung bedeutete zunächst die Heirat mit Therese, der Tochter des berühmten Göttinger Altphilologen Christian Gottlob Heyne, die er als seine Frau 1785 in die weit vom europäischen Geistesleben abgelegene Stadt holen konnte. Die anspruchsvolle und kapriziöse Heyne-Tochter wird jedoch alles andere als sein persönliches Glück befördern. Ihre eigene Bewertung der Ehe mit Forster enthält der Brief vom 22. Januar 1794 an ihren Vater, worin sie den Tod ihres Mannes meldet: „Unsere Verbindung war ein Rätzel des Schicksals – acht Jahr lang ist sein Glück das heiligste Geschäft, der sehnlichste Wunsch meines Lebens gewesen, und nie gelang er, ewig stand er mit meiner Ruhe, mit meiner erträglichen Existenz im Streit.“ Diese Verbindung objektiv darzustellen, ist schwierig.

In den Wilnaer Jahren gewinnt jedoch Forsters Welt- und Menschenbild weiter an Profil. Es ist das eines Unzeitgemäßen. In dem 1788 entstandenen Essay „Ueber leckereyen“(eine der zahlreichen kleineren Arbeiten, die jeweils einen unstrapaziösen Einblick in Forsters Denken ermöglichen) wird als Resultat aller humanistischen Bemühungen nicht Rousseaus „Zurück zur Natur“ angepeilt, sondern der „verfeinerte Mensch“ in einem „gesitteten Leben“. Die Abhandlung wendet sich ebenso gegen die moralphilosophische Maxime des Entbehrens wie gegen den Genuß als alleinigen Lebensinhalt. Daseinsfreude und Sinnenerlebnis sind vielmehr unlösbar mit fortschreitender Humanisierung verbunden. Nur auf dieser Grundlage ist eine zunehmend würdigere Lebensgestaltung und höhere Kultur insgesamt möglich. Das ist ein Kontrastprogramm zur Weimarer Klassik, berührt sich aber vielfach mit Herders Anthropologie.

Ein Lichtblick in der geistig-gesellschaftlichen Öde von Wilna ist 1787 ein russisches Angebot, die naturwissenschaftliche Leitung einer anvisierten vierjährigen Weltumseglung zu übernehmen. Durch den russisch-türkischen Krieg im Herbst 1787 zerschlägt sich (wieder einmal) das Vorhaben. Forster konnte gleichwohl Wilna verlassen und nach Göttingen, der Heimat Thereses, übersiedeln, da man ihm generös die russischen Vorschüsse überließ. Forster war erstmals schuldenfrei. Bei diesem einen Mal blieb es auch.

Die Suche nach einer neuen Position endete mit der Übernahme der Stelle eines Bibliothekars an der Universität Mainz, die der Schweizer Historiker Johannes von Müller 1788 freigemacht hatte durch seinen Eintritt in die Regierung des Mainzer Kurfürsten Friedrich Karl Joseph von Erthal. Der protestantische Pfarrerssohn und radikale Aufklärer im rundum katholischen Mainz: und dazu noch als Bibliothekar! Der Ausweg ist erneut die intensive schriftstellerische Tätigkeit. Forster richtete in den Mainzer Jahren sein Interesse über die Naturwissenschaften hinaus auf Kunst, Geschichte und Politik. Ein Schlüsseltext dieser Zeit ist das „Fragment eines Briefes an einen deutschen Schriftsteller, über Schillers Götter Griechenlands.“Ein aufschlussreicher Text über Forsters politische und ästhetische Ansichten und überdies eine Verteidigung Schillers gegen Friedrich Stolberg.

Die als Erholung vom Bibliotheksdienst gedachte dreimonatige Rheinreise mit Alexander von Humboldt im Frühjahr 1790 zeitigte Forsters zweites Hauptwerk: „Ansichten vom Niederrhein, von Brabant, Flandern, Holland, England und Frankreich im April, Mai und Junius 1790.“Der Druck des Werkes verzögerte sich. Band 1 und 2 erschienen 1791 bzw. 1792. Band 3 wurde nie fertig. Die revolutionäre Lage in Mainz und Forsters eigenes Engagement im örtlichen Jacobinerclub kamen dazwischen. Nachdem im Oktober 1792 eine französische Armee unter Custine Mainz besetzt hatte, war die Französische Revolution im Rheinland angekommen. Georg Forster konnte nun, was er in seinen Schriften oft genug für unverzichtbar erklärt hatte, vom Denken zum Handeln schreiten. In rascher Folge wird er Berater des französischen Besatzungskommandanten, erfolgreicher Agitator in den ländlichen Gebieten um Mainz und im März 1793 einer der drei Beauftragten nach Paris, um der Nationalversammlung den Anschluß des zur Republik erklärten Gebietes zwischen Speyer und Bingen an Frankreich vorzutragen. Von dieser Reise nach Paris ist Forster nicht mehr zurückgekehrt. Mitte 1793 eroberten die verbündeten Mächte Mainz zurück. Der Weltbürger Georg Forster war in jeder Hinsicht heimatlos geworden. Auf seinen Kopf waren 100 Dukaten ausgesetzt. Seine Frau Therese war mit den Kindern um die Jahreswende nach Neuchâtel in der Schweiz gezogen, die für Forster damals unzugänglich war. Ihr künftiger Gatte Ludwig Ferdinand Huber (zehn Jahre jünger als Forster) folgte ihr dorthin. Der Mainzer Revolutionär Georg Forster starb am 10. Januar 1794 (39 Jahre alt) in einem Revolutionsquartier in der Rue des moulins. – Sein Werk harrt noch in wesentlichen Teilen der kompetenten Darstellung und Interpretation.

Lit.: Ausgaben: Georg Forsters Werke. Sämtliche Schriften, Tagebücher, Briefe. Hrsg. von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Berlin 1958 ff.; Einzelausgaben: Georg Forster: Reise um die Welt. Hrsg. von Gerhard Steiner, Frankfurt/M.: Insel 1983 (= it 757) – Georg Forster: Ansichten vom Niederrhein. Hrsg. von Ulrich Schlemmer, Stuttgart/Wien 1989. – Friedrich Schlegel: Charakteristiken und Kritiken 1 (1796-1801). Hrsg. von Hans Eichner, München u.a. 1967 (= Kritische Friedrich-Schlegel Ausgabe, Zweiter Bd.). – Gerhard Steiner: Georg Forster, Stuttgart 1977 (= SM 156). – Gordon A. Craig: Die Politik der Unpolitischen. Deutsche Schriftsteller und die Macht 1770-1871, München 1993. – Klaus Harpprecht: Georg Forster oderDie Liebe zur Welt. Eine Biographie, Reinbek 1990 ( = rororo 12634).

Bild: Gemälde von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, 1782. Frankfurt/Main, Museum für Völkerkunde/Archiv für Kunst und Geschichte, Berlin.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Forster

Walter Dimter