Biographie

Forster, Johann Reinhold

Herkunft: Westpreußen
Beruf: Naturforscher, Hochschullehrer
* 22. Oktober 1729 in Dirschau/Westpr.
† 9. Dezember 1798 in Halle/Saale

Als der evangelische Pfarrer Johann Reinhold Forster mit viel Einsatz, aber wohl ohne große Befriedigung die Patronatspfarre Nassenhuben in der Danziger Niederung versah, konnte er nicht ahnen, daß er ein Jahrzehnt später einer der bekanntesten Naturforscher der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sein würde. Seine beiden Reisen an die mittlere Wolga und mit Kapitän Cook um die südliche Erdhalbkugel, verbunden mit seinem übergroßen Wissensdrang und seinem ungeheuren Arbeitswillen waren die Voraussetzungen dafür. Seine und seiner Familie oft große wirtschaftliche Not war erst gemildert, als sein Leben durch die Professur für Naturgeschichte an der Universität Halle (Saale) in ruhigere Bahnen eingelenkt war.

Johann Reinhold Forsters Geburtshaus stand am Markt zu Dirschau und soll zur Zeit des Deutschen Ordens dessen Komturei gewesen sein, muß also – wie es ein alter Stich auch zeigt – zu den größten Häusern des Ortes gehört haben. Dieses Haus erbte Forster nach dem Tode seines Vaters Georg Reinhold (1693 bis 1753), verkaufte es aber. Der Vater war ab 1733 Bürgermeister von Dirschau gewesen. Die Familie ist offensichtlich um die Mitte des 17. Jahrhunderts aus Schottland in das benachbarte Neuenburg an der Weichsel eingewandert, wo damals mehrere schottische Kaufmannsfamilien lebten. Die Schule besuchte Reinhold Forster zunächst in Marienwerder und wechselte 1745 an das Joachimsthalsche Gymnasium nach Berlin, wo er bis 1748 blieb. Schon früh zeigte sich seine Sprachbegabung, jedoch auch die Liebe zur Natur, die von Kindheit an in ihm erwuchs, da er nach einer Lähmung seines Vaters ab 1735 viel Zeit auf den Gütern seines Onkels zubringen durfte. Von 1748 bis 1751 studierte er in Halle an der Saale Theologie, Philosophie und Sprachen. Er soll in seinem Leben 17 Sprachen, darunter auch Koptisch, gelernt sowie Griechisch, Lateinisch, Hebräisch, Französisch und Englisch nahezu vollkommen beherrscht haben.

Von 1751 bis 1753 warForster Pfarrer bei den Reformierten in Danzig, wo er als Prediger nicht unbeachtet blieb, so daß er 1753 die Patronatspfarre in Nassenhuben an der Mottlau, etwa acht Kilometer südöstlich von Danzig, auf dem Territorium dieser selbständigen Stadt erhielt. Zwei Abbildungen seines Wohnhauses, die der Danziger Naturwissenschaftler und Schulmann Friedrich Strehlke (über diesen siehe OGT 1997, S. 225-231) nach Photographien von Damme anfertigen ließ, sind bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben. Ein Jahr später heiratete Forster seine Cousine Justina Elisabeth, geb. Nicolai (10.8.1726 bis 6.12.1804), deren Vater in Marienwerder „Kaufmann und Ratsverwandter“ war. Drei Söhne und vier Töchter wurden dem Ehepaar in den Jahren 1754 bis 1765 geboren. Den Unterricht seiner Kinder übernahm er teilweise selber, insbesondere eignete er sich gemeinsam mit seinem ältesten Sohn hervorragende Kenntnisse in den Naturwissenschaften an. Dieser Sohn, Johann Georg Forster (über ihn siehe OGT 1994, S. 13-18), sollte als Naturforscher, Schriftsteller und Revolutionär seinen Vater an Berühmtheit vielleicht noch übertreffen. Der Vater wird als eigensinnig und emotional geschildert, als jemand, der sich nicht scheute, die Interessen seiner Gemeindemitglieder gegenüber der Gutsherrschaft zu vertreten. Dennoch muß er sich nicht wohl gefühlt haben in der Ausübung seines Berufes, denn als sich die Möglichkeit ergab, im Auftrage der Zarin Katharina II. eine Rußlandreise zu unternehmen, verließ er Beruf und Familie, obwohl die Geburt des siebten Kindes unmittelbar bevorstand und die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht besonders gut waren.

Am 5. März 1765 reiste er in Begleitung seines gerade zehn Jahre alten Sohnes Johann Georg nach St. Petersburg. Im Auftage der russischen Regierung begab er sich über Moskau in das Wolgagebiet bis nach Saratow, um die Existenzgrundlagen neu angelegter deutscher Kolonien und die sich ihnen bietenden Entwicklungsmöglichkeiten zu untersuchen und Verbesserungsvorschläge zu machen. Von dieser Reise und einer Exkursion in die „Kirgisensteppe“ sowie an den salzhaltigen, etwa 15 Meter unter Meeresniveau liegenden Eltonsee (etwa 150 Kilometer nordöstlich von Zarizyn, heute Wolgograd) brachten die beiden Forsters umfangreiches und seltenes naturwissenschaftliches Material mit nach St. Petersburg. Nach mehreren Monaten der Sichtung und Auswertung der Beobachtungen kam Forster zu einem für den Woiwoden von Saratow recht ungünstigen Ergebnis: Die wolgadeutschen Kolonisten hatten eine nur mangelhafte Ausstattung erhalten und mußten in Umständen leben, die nicht hingenommen werden konnten. Doch der russische Regierungsausschuß deckte den Woiwoden; Forster erhielt nicht nur keine Anerkennung für seine kritische Stellungnahme und seine reichen naturwissenschaftlichen Ergebnisse, auch die versprochene Bezahlung wurde unter wenig stichhaltigen Gründen nicht in voller Höhe geleistet. Tief enttäuscht und in finanziellen Schwierigkeiten wandte Forster sich im August 1766 mit seinem ältesten Sohn nach England, da seine Pfarrstelle in Nassenhuben neu besetzt worden war.

Auf der sechs Wochen dauernden Seefahrt, auf der Danzig offenbar nicht berührt wurde, gerieten Vater und Sohn Forster mehrmals in Seenot. In England verdienten sie ihren Lebensunterhalt durch einige Übersetzungsarbeiten und schriftstellerische Tätigkeiten, die Forster wohl schon 1769 die Mitgliedschaft in der Royal Society einbrachten. Nachdem er an der Akademie in Warrington (zwischen Manchester und Liverpool) eine Lehrtätigkeit erhalten hatte, ließ er im September 1768 seine Familie nachkommen, die sich in Nassenhuben durch den Verkauf des Besitzes, auch der offenbar recht wertvollen Bibliothek, ernährt hatte. Doch auch in Warrington hielt es Forster nicht lange, das geistige Leben der Großstadt lockte ihn zu sehr, so daß die Familie nach London verzog, wo sich allerdings erneut äußerst schwierige finanzielle Verhältnisse ergaben.

Daher sagte Forster sofort zu, als ihn Anfang Juli 1772 das Angebot erreichte, Kapitän Cook auf seiner zweiten Weltumsegelung als Naturwissenschaftler zu begleiten. Seine einzige Bedingung war, seinen ältesten Sohn als Assistenten mitnehmen zu dürfen. Johann Georg, hochbegabt, aber praktisch ohne Schulbildung, war noch keine 18 Jahre alt; für ihn war diese Reise Schul- und Universitätsbesuch zugleich. Am 13. Juli 1772 stach Cook mit den beiden Seglern „Resolution“ und „Adventure“ und 119 Personen von Spithead/Plymouth aus in See, am 30. Juli 1775 erreichte er mit noch 115 Begleitern England wieder. Beide Forsters führten getrennt voneinander wissenschaftliche Tagebücher über die naturwissenschaftlichen Ereignisse und Ergebnisse der Expedition, die sie zweimal über den südlichen Polarkreis hinaus führte und die Gewißheit brachte, daß der sagenhafte Südkontinent, die „Terra australis incognita“, nicht existierte, nachdem Australien und Neuseeland schon auf der ersten Cookschen Reise entdeckt worden waren. Allerdings sahen Cook und seine Begleiter riesige zusammenhängende Eismassen, die ihrem Weg nach Süden ein Ende bereiteten. Zahlreiche bisher unbekannte Pflanzen und Tiere, Menschen und ihre Gebräuche und Sitten wurden entdeckt, beschrieben und erforscht und große Mengen naturwissenschaftlichen Sammlungsgutes in den beiden Schiffen verstaut. Unglaubliche Strapazen mußten die Reisenden auf sich nehmen, aber auch unvergeßliche Erlebnisse und Eindrücke, so auf Tahiti und auf der Osterinsel, prägten sich ihnen ein.

Nach der Rückkehr setzten sich die Querelen fort, die Forsters Leben bisher begleitet hatten: Die Admiralität erkannte das Probemanuskript seines Reiseberichts nicht an, und aus Enttäuschung und Trotz veranlaßte er seinen Sohn, unter dessen Namen, aber wohl mit Unterstützung des Vaters, einen eigenen Bericht herauszugeben. Nach achtmonatiger, überaus intensiver Arbeit, die oft die Grenzen seiner Gesundheit überschritt, stellte Johann Georg, nunmehr 22 Jahre alt, noch sechs Wochen vor der Veröffentlichung des offiziellen Berichts durch Cook einen zweibändigen Reisebericht fertig: A Voyage round the world, London 1777. Dieses Buch erregte durch seine glänzende sprachliche Form und durch seine gelungene weltanschauliche und philosophische Einbettung der zahlreichen Erlebnisse mit Menschen und Natur erhebliches Aufsehen in der literarischen und naturwissenschaftlichen Welt; noch im selben Jahr erschien eine Übersetzung ins Deutsche. Daß sich in diesem Zusammenhang Fragen der Urheberschaft ergeben haben, mag hier nur angedeutet werden.

Vater und Sohn Forster wurden nach ihrer Reise und den daraus resultierenden Veröffentlichungen in ganz Europa bekannt und als Experten in allen Fragen, die die südliche Erdhalbkugel betrafen, von Gesellschaft und Wissenschaft gesucht. Dennoch blieb die wirtschaftliche Situation der Familie zunächst äußerst schwierig. Zwar erhielt Georg Forster 1778 mit knapp 24 Jahren eine Professur für Naturgeschichte in Kassel und stand am Beginn einer glänzenden Karriere, doch gelang es ihm erst zwei Jahre später, auch für seinen Vater eine geeignete Stelle zu finden: Mit der Übernahme der Professur für Naturgeschichte an der Universität Halle an der Saale wurde Johann Reinhold Forster aus seinen finanziellen Nöten gerettet. Der Lehrberuf und seine wissenschaftlichen Arbeiten verschafften ihm offensichtlich Befriedigung. Berichte über weitere Auseinandersetzungen oder finanzielle Schwierigkeiten blieben von jetzt an aus. In Halle gehörte er zu den anerkannten Hochschullehrern. Zu seinen bleibenden Verdiensten gehört, daß er – wie übrigens auch sein Sohn – durch seine Veröffentlichungen ganz entscheidend zur Begründung und Ausgestaltung einer vergleichenden Völker- und Länderkunde beitrug. Seine Frau, die in den ersten 25 Jahren der Ehe wohl ein übergroßes Maß an Arbeit und Leiden tragen mußte, überlebte Forster um sechs Jahre und starb 1804 in Halle.

Werke: Neuentdeckte Pflanzen. (J. R. Forster und J. G. Forster. London und Berlin 1776). Reise um die Welt. (Mitautor 1777). – Bemerkungen über Gegenstände der physischen Erdbeschreibung, Naturgeschichte und sittliche Philosophie (1780, deutsch 1783). – Allgemeine Geschichte der Entdeckungen und Schiffahrten des Nordens (1782).

Lit.: Strehlke, Friedrich: Georg Forster’s Geburtsort. In: Neue Preußische Provinzial-Blätter, 3. Folge, 8, 1861, S. 189 ff. – Mast, Peter: Johann Georg(e) Adam Forster 200. Todestag 1754-1794, in: Ostdeutsche Gedenktage 1994, Bonn 1993, Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen. – Reisinger-Weber, Jutta / Siemon, Rolf: Johann Georg Forster. Ausstellungskatalog des Westpreußischen Landesmuseums im Schloß Wolbeck, Münster i.W. 1994. – Steiner, Gerhard: Georg Forster. Werke in vier Bänden. 1. Band, Insel, Leipzig 1967.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Reinhold_Forster

 Hans-Jürgen Kämpfert