Biographie

Forstreuter, Kurt

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Archivar, Schriftsteller, Historiker
* 8. Februar 1897 in Weedern/Ostpr.
† 26. Februar 1879 in Göttingen

Mit Kurt Forstreuter ging 1979 nicht nur der letzte Archivar dahin, der auf einen langjährigen Dienst im Preußischen Staatsarchiv Königsberg zurückblicken konnte. Gleichzeitig endete ein weiterer Abschnitt Königsberger Archivgeschichte, denn wenige Wochen nach seinem Tod wurde mit der Verlagerung der Königsberger Archivbestände nach Berlin-Dahlem nach 25jährigem Bestehen das Staatliche Archivlager in Göttingen aufgelöst, das ganz wesentlich unter Forstreuters Einfluß zunächst bis 1962 als Direktor, danach auch in der Zeit seines sog. Ruhestandes ein Zentrum zur Erforschung der Geschichte des Preußenlandes gewesen war.

Forstreuter war ein Ostpreuße Salzburger Herkunft, in Tilsit machte er am Realgymnasium sein Abitur. 1916 begann er in Königsberg das Studium der Germanistik und Geschichte, wurde jedoch bald Soldat, setzte 1919 das Studium zunächst in Königsberg, seit 1920 in Berlin fort. 1923 promovierte er bei dem Germanisten Julius Petersen zum Dr. phil. Der Bibliotheksdienst blieb ihm verschlossen, daher nahm er nach dem philologischen Staatsexamen am Vorbereitungskurs der preußischen Archivverwaltung in Berlin-Dahlem von 1925-1927 teil. Seitdem entwickelte sich die ihn auszeichnende Hingabe für den Archivarsberuf, den er in seiner Ostpreußischen Heimat ausüben wollte. 1927 begann er seinen Dienst beim Staatsarchiv Königsberg, 1931 wurde er zum Staatsarchivrat ernannt. Neben Archivdirektor Max Kein (+ 1949) wurde er zur tragenden Säule des Archivs. Regional war er für das östliche Ostpreußen zuständig, so daß er die Bestände „Kriegs- und Domänenkammer Königsberg“ und „Regierung Gumbinnen“ neben anderen ordnete und verzeichnete. Auch an den Ordnungs-und Verzeichnungsarbeiten des zentralen Aktenbestandes „Etats-Ministerium“ (1525-1804) hatte er wesentlichen Anteil. In weniger guter Erinnerung blieb ihm die verordnete Mitwirkung bei der Umbenennung undeutsch klingender Ortsnamen 1938, wobei er nur darauf achten konnte, daß sprachlich oder historisch einigermaßen sinnvolle Namensformen geschaffen wurden.

„Die Memel als Handelsstraße“ (1931) war nach der Dissertation sein erstes Buch. Die Memel führte seinen Blick über die Landesgrenzen hinaus, er lernte Polnisch, Russisch und ein wenig Litauisch. Das wichtigste Ergebnis wurde das Buch „Preußen und Rußland im Mittelalter“ (1938, Neubearbeitung 1955). Besonderes Interesse hatte er für bildungsgeschichtliche Themen. Seine Verlagsgeschichte „Gräfe und Unzer“ (1932) entsprach dieser Neigung. Zu den Kriegsverlusten gehört sein von Generaldirektor Albert Brackmann angeregtes Manuskript über die deutsche Kulturpolitik im sog. Preußisch Litthauen. Verloren ging auch eine Materialsammlung zum Ende des preußischen Ordensstaates; auch wenn der schmale Band „Vom Ordensstaat zum Fürstentum“ (1951) nur wenig mehr als eine Gedächtnisniederschrift sein konnte, erlangte er noch eine größere wissenschaftliche Bedeutung.

Als er 1946 aus jugoslawischer Kriegsgefangenschaft entlassen wurde, ging er über Leipzig nach Berlin, wo er seit 1947 am damals sog. Hauptarchiv, dem Geheimen Staatsarchiv, eine neue berufliche Existenz aufbaute. Trotz seines zunächst sehr angeschlagenen Gesundheitszustandes beteiligte er sich an den anstrengenden Bergungsmaßnahmen innerhalb und außerhalb von Berlin. Unter schwierigen Arbeitsbedingungen, weil immer wieder mit Eingriffen der Besatzungsmacht zu rechnen war, galt sein besonderer Einsatz dem Wiederaufbau der Dienstbibliothek des Archivs. Seine Heimatliebe führte dazu, daß er dabei mitwirkte, daß in Dahlem auc einzelne Archivalien aus den Ostprovinzen gesammelt wurden. Dieses Interesse ließ ihn nicht zögern, als die in den Westen verlagerten Königsberger Archivbestände in deutsche Hände übergehen sollten und der spätere Ministerialrat Rudolf Grieser, der Leiter der niedersächsischen Archivverwaltung, Forstreuter als alten Königsberger Kollegen und Freund zum Direktor des Staatlichen Archivlagers zunächst 1952 nach Goslar berief, ehe 1953 diese Dienststelle mit ihm nach Göttingen umzog. In seinem längst vergriffenen Buch „Das Preußische Staatsarchiv in Königsberg“ (1955) zog er Bilanz nach den Umbrüchen und Verlusten des Zweiten Weltkrieges.

Die Entwicklung eines eindrucksvollen Benutzungs- und Forschungsbetriebes gelang ihm wesentlich durch eine intensive Zusammenarbeit mit der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung und mit anderen Organisationen. Ihm gelang der Neuaufbau einer Dienstbibliothek, die in Königsberg begonnenen Ordnungsarbeiten wurden fortgesetzt. Neu war die Editionsreihe „Die Berichte der Generalprokuratoren des Deutschen Ordens an der Kurie“, von der er und sein Amtsnachfolger Hans Koeppen (+ 1977) 1960-1976 vier Bände in sechs Teilen veröffentlichten. Bei der Quellenerschließung nutzte er u.a. erste Beziehungen zu den seit 1945 in polnischer Hand befindlichen Archiven. Die Beziehungen des Ordens nach Süden ließen seinen Blick entsprechend seiner Reiselust weit schweifen. Als bedeutendes wissenschaftliches Ergebnis ist das Buch „Der Deutsche Orden am Mittelmeer“ (1967) hervorzuheben. Seinen bildungsgeschichtlichen Interessen entsprangen kleinere Arbeiten zur ostpreußischen Pressegeschichte und über den preußischen Astronomen Nicolaus Copernicus. Letzterem war eine Archivalienausstellung gewidmet, die er 1973 für seine alte Dienststelle bearbeitete. Mit Fritz Gause (+ 1973) hat er die „Altpreußische Biographie“ mit Bd. 3 (1975) zu einem vorläufigen Abschluß gebracht und das Mitteilungsblatt „Preußenland“ 1963-1973 redigiert.

Als Archivar war Forstreuter in erster Linie bemüht, Quellen zu erschließen. Mit größter Bereitwilligkeit stellte er sein Wissen zahlreichen Kollegen und Benutzern zur Verfügung. Generationen von Forschern aller Art haben aus seiner Hilfsbereitschaft reichen Gewinn gezogen. Als Historiker zeichnete er sich durch eine thematische Vielfalt in seinen Veröffentlichungen aus, mit denen er zahlreiche Anregungen zur weiteren Erforschung der Geschichte des Preußenlandes gegeben hat und noch heute gibt.

Lit.: Bernhart Jähnig: Kurt Forstreuter zum Gedächtnis, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 115. 1979, S. 169-174. – Rudolf Grieser: Kurt Forstreuter +, in: Der Archivar 33.1980, Sp. 475-478. – Werkverzeichnis durch Bernhart Jähnig: Bibliographie Kurt Forstreuter, in: Kurt Forstreuter: Wirkungen des Preußenlandes. (Studien zur Geschichte Preußens 33) Köln, Berlin 1981, S. 428-446.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Forstreuter

Bernhart Jähnig