Biographie

Freissler, Ernst Wolfgang

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Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Schriftsteller
* 7. Juli 1884 in Troppau/Österr.-Schlesien
† 25. Februar 1937 in Stadt-Olbersdorf/Sachsen

In wichtigen Literaturgeschichten, auch solchen, die auf die sudetendeutsche Literatur spezialisiert sind, fehlt unverständlicherweise der Erzähler Ernst Wolfgang Freißler. Obwohl nach dem Zweiten Weltkrieg seine wichtigsten Romane wieder aufgelegt wurden, ist er heute zu Unrecht fast vergessen. Das mag mit darauf zurückzuführen sein, daß seine Lebenswelt ganz das bäuerliche Milieu des Altvaterlandes, seine Leserschaft, soweit sie sich noch seiner besinnt, weit über den deutschen Sprachraum verstreut ist. Dabei sollten gerade die sozialen Aspekte, ganz abgesehen vom literarischen Wert von Freißlers Büchern, Anlaß zu einer Wiederbesinnung auf diesen originellen Autor und zu einer Neuauflage seiner Hauptwerke sein.

Von Freißlers Lebensgeschichte ist nicht viel zu berichten. Der Sohn des Direktors der Schlesischen Landes-Nervenheilanstalt war im Hauptberuf Bankbeamter, dann Redakteur. Seine Werke hat er teils unter dem Decknamen E. W. Günter veröffentlicht. Seine heute nicht zugänglichen Novellen-Bände „Schwefelblüte“, 1913, und „Der Hof zu den Nußbäumen“, 1916, der Troppauer Schlüsselroman „Junge Triebe“, 1922, die Erzählungen „Die Fahrt in den Abend“, 1926, mögen mehr Auftakt zu seinen beiden Hauptbüchern, den Romanen „Der Glockenkrieg“, 1927, und „Das Gewitterjahr“, 1936, gelten. Beide Bücher sind im Cotta-Verlag in Stuttgart bald nach dem Zweiten Weltkrieg neu herausgekommen. „Das Gewitterjahr“ hat der Autor mit der Widmung „Meiner Heimat“ versehen. Historischer Hintergrund ist der Kampf der Waldarbeiter im oberen Tal der Biele gegen die Willkür der Breslauer Bistumsherrschaft. Im Klappentext der Neuauflage wird eine sachlich treffende Kennzeichnung angeboten:

„Bitterarm ist das sudetendeutsche Gebirgsdorf und unfrei, hart sein Ringen um Leben und Unabhängigkeit. Aus den Reihen der Gebirgler wächst eine überlebensgroße Figur, ein Heiler, der nicht nur die Kranken pflegt und in die Zukunft schaut, der auch die schwachen Geister stärkt und leitet. Alle müssen sich vor dem Manne beugen: die Kampfgenossen und die Neider, der sackgrobe, aber hilfsbereite Oberförster, der prächtige Amtsarzt, der schurkische Bürgermeister. So gelingt es dem Opfermut des Retters, der fremdes Unrecht auf sich nimmt und büßt, nach langer Fron und einem bösen Gewitter jähr im Dorfe ein menschenwürdiges Leben zu erringen.“

Mit großer Charakterisierungskunst, ohne falsche Heimattümelei, aber die Würze der Sprache und der Handlung, die besondere Atmosphäre dieser herben, fast verwunschenen Landschaft und die Zeichnung der einzelnen Typen einsetzend, erreichte Freißler mit diesem Buch eine der schönen zeitlosen Romanerzählungen, in denen schlesisches Wesen unverwechselbar und doch ohne Enge weiterlebt. Dazu gehören auch Züge des Humors und Elemente der Schlesischen Mundart. Die bäuerliche Welt, transponiert in andere, südliche Landschaft, lebt auch in und aus dem vorausgegangenen Roman „Der Glockenkrieg“, der „tragikomischen Feindschaft zweier südländischer Bergdörfer“. Hier herrscht die heitere Note vor. In die Welt miteinander konkurrierender Nachbardörfer bringt der Einbruch der Sommerfrischler neue Konflikte. Das abendliche Glockengeläut, hörbares Symbol des Wettstreits, hat schließlich nach manchen menschlichen Umwegen zum Einklang der Nachbarschaft geführt. Dieses Buch erreichte 1957 das 58. Tausend. Der Erzähler aus bäuerlicher Welt hat, über seine eigene Sprache hinaus, seine Sprachkraft unter anderem auch als Übersetzer Joseph Conrads und George Bernard Shaws bewährt. Freißler war auch Mitarbeiter des „Simplicissimus“ und des Königsberger Rundfunks.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Wolfgang_Freissler

Ernst Schremmer