Biographie

Friedensburg, Ferdinand

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Politiker
* 17. November 1886 in Schweidnitz/Schlesien
† 11. März 1972 in Berlin

Ferdinand Friedensburg entstammt einer Juristenfamilie, die in liberalen Traditionen wurzelte. Sein Großvater, ursprünglich Rechtsanwalt, war Oberbürgermeister von Breslau, der Vater, eher deutschnational eingestellt, war Landrichter in Gleiwitz und später am Reichsversicherungsamt in Berlin tätig. Die entscheidenden Jugend- und Schuljahre verbrachte Ferdinand Friedensburg in Berlin, wo er das berühmte Steglitzer Gymnasium besuchte, von dem am Anfang des 20. Jahrhunderts der Wandervogel ausging, dem Friedensburg allerdings nicht angehörte. Naturwissenschaftlich interessiert, studierte Ferdinand Friedensburg Bergbau Wissenschaft in Berlin. Nach dem Ersten Weltkrieg, den Friedensburg zum Teil in britischer Gefangenschaft in Gibraltar verbracht hatte, wandte er sich der Politik zu. Unter dem Eindruck des Kapp-Putsches trat er 1920 der liberalen Deutschen Demokratischen Partei bei. Von 1921-1925 war er Landrat in Rosenberg (Ostpreußen), 1925-1927 Vizepräsident der Berliner Polizei und von 1927-1933 Regierungspräsident in Kassel. Von den Nationalsozialisten entlassen, widmete er sich von 1933 bis 1945 schriftstellerischen und bergbauwissenschaftlichen Arbeiten. Nach dem Zusammenbruch 1945 begründete er die CDU in der Sowjetischen Besatzungszone mit. Schon früh bemühte er sich um die Wiederherstellung der deutschen Einheit. Auf seine Anregung fand im November 1947 am Wannsee eine gesamtdeutsche Tagung statt, die allerdings erfolglos blieb.

Ferdinand Friedensburg war von 1946 bis 1951 Stellvertretender Bürgermeister von Berlin und von 1952 bis 1965 als Berliner Abgeordneter Mitglied des Deutschen Bundestages. Er leitete das Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin und war seit 1953 Honorar-Professor für Bergbauwesen an der Technischen Universität Berlin.

Im Lebenslauf Ferdinand Friedensburg spiegelt sich der Ablauf der jüngeren deutschen Geschichte exemplarisch wider. Politisch war er Ost-, Mittel- und Westdeutschland verbunden. Liberale und nationale Haltung prägten seine politische Einstellung, humanistische Bildung, verbunden mit naturwissenschaftlichen, technischen, juristischen und wirtschaftlichen Interessen kennzeichnen die vielseitige Persönlichkeit, die sich durch umfassendes Wissen und vielseitige Bildung von heutigem Spezialistentum unterscheidet.

Ferdinand Friedensburg entstammt jenem wilhelminischen Bürgertum, das im positiven Sinne durch Besitz und Bildung geprägt war. Heute erscheint dieses Bürgertum vielfach als Zerrbild, wie es insbesondere in den Darstellungen von Heinrich Mann in „Professor Unrat" und im „Untertan" vorgestellt wurde. An den Lebenserinnerungen von Ferdinand Friedensburg wird aber deutlich, welches Maß an Gelehrsamkeit, klassisch-humanistischem Erbe, gepaart mit Zivilcourage und nationaler Gesinnung, in diesen Kreisen vorhanden war, die alle Schilderungen des Untertanentums als Karikatur entlarven.

Für Friedensburg gab es eine klare Wertefolge: Staatsbewußtsein und Verantwortungsbereitschaft, Zivilcourage und Traditionsbewußtsein waren die Basis dieser Haltung. Die Erinnerung an Ferdinand Friedensburg kann zur Stärkung des Verantwortungsbewußtseins der Bundesrepublik Deutschland und der deutschen Einheit gegenüber beitragen.

Lit.: Ferdinand Friedensburg: Lebenserinnerungen, Frankfurt a.M., Bonn 1969; drs.: Es ging um Deutschlands Einheit, Berlin 1971; ders.: Politik und Wirtschaft, Aufsätze und Vorträge, Berlin 1961

Photo: BTA, Bundesbildstelle, Nr. 19868/21.