Biographie

Friedensburg, Ferdinand

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Politiker
* 17. November 1886 in Schweidnitz/Schlesien
† 11. März 1972 in Berlin

Friedensburg, aus einer begüterten preußischen Beamtenfamilie stammend, bestand 1905 das Abitur am humanistischen Gym­nasium in Steglitz. Nachdem er ab 1906 in Marburg Rechts- und Staatswissenschaften sowie Geologie studiert hatte und dort dem Verein Deutscher Studenten beigetreten war (Ausschluss 1926; Wiedereintritt 1954), studierte er ab 1908 Bergbaukunde an der Bergakademie Berlin. 1910 bestand er sein Bergreferendarsexamen. 1911 promovierte er an der Universität Breslau. Ab 1914 war er Bergassessor an der Berliner Bergakademie. Bei der Rückkehr von einer Studienreise in die USA geriet er kurz nach Kriegsausbruch in Kriegsgefangenschaft. Nach Gefangenenaustausch und Internierung in der Schweiz mit einer Tätigkeit in der Deutschen Gesandtschaft in Bern, kehrte Friedensburg 1919 nach Berlin zurück. Dort wurde er im folgenden Jahr stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Bauernbundes und DDP-Mitglied. Später war er auch Mitglied anderer republikanischer Organisationen. In ihnen setzte er sich für den jungen demokratischen Staat ein und versuchte an der Sammlung der bürgerlichen Mitte mitzuwirken. Ab Ende 1920 versuchte er dies als Landrat von Rosenberg in Westpreußen. Er erwarb sich dort einen Ruf als versierter Verwaltungsbeamter, so dass er 1925 Polizeivizepräsident von Berlin und damit Leiter der größten deutschen Behörde wurde. In diesem Amt trat er gegen Extremismus von links und rechts ein. So war er maßgeblich an der Aufdeckung und Verhinderung des „Claß-Putsches“ 1926 beteiligt. Die Kreise, die hinter dem Putsch standen, und Reichspräsident Hin­denburg zeigten sich in der Folge am Weggang Friedensburgs interessiert und so wurde dieser 1927 zum Regierungspräsidenten von Kassel befördert. Auch in dieser Position setzte er sich für den demokratischen Gedanken ein. So ging er ge­gen Amtsverletzungen radikaler Antidemokraten seiner Behörde vor. Einer breiteren Öffentlichkeit präsentierte er sich im Rahmen der Gründung der „Eisernen Front“ mit einem Aufruf im Berliner Sportpalast am 18. Januar 1932, in dem er zum Kampf für Recht und Freiheit aufforderte.

1933 entließen ihn die Nationalsozialisten. Ohne Chance auf eine Anstellung in der Privatwirtschaft, widmete er sich der Wis­senschaft. Mit seinen Schriften zur internationalen Bergbauwirtschaft erwarb er sich einen Ruf in der internationalen Fachwelt. Ab 1939 war er auswärtiger Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Konjunkturforschung – das spätere Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Wenngleich ihn Industriekonzerne und die Wehrmacht als Gutachter heranzogen, blieb er Gegner des Regimes. So gehörte er ab 1933 zum Bonhoeffer-Gesprächskreis in der Bekennenden Kirche. Für seine Gegnerschaft musste er 1935 eine Gestapo-Haft, 1938 den Aus­­schluss aus der Reichsschrifttumskammer, 1941 ein Sondergerichtsverfahren wegen angeblicher „Heimtücke“ und 1944 wegen des Verdachts der Mitwisserschaft über die Attentatspläne auf Hitler vom 20. Juli die Entlassung aus dem Institut erdulden.

Durch seine Handlungen im „Dritten Reich“ unbelastet und in seiner demokratischen Haltung bestätigt, engagierte sich Friedensburg nach Kriegsende für den Wiederaufbau eines geeinten, demokratischen Deutschlands. Im Mai 1945 übernahm er die DIW-Präsidentschaft. Im Juni 1945 gehörte er zu den Mit­unterzeichnern des CDU-Gründungsaufrufs in der SBZ und Berlin. Im Juli 1945 trat er dem Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands bei. Ab August 1945 war er durch eine Berufung der russischen Militärregierung Präsident der Deutschen Zentralverwaltung der Brennstoffindustrie in der SBZ. Ende 1945 wurde ihm der Wiederaufbau der Bergakademie Freiberg übertragen. Dafür verzichtete er auf das Amt des hessischen Ministerpräsidenten. Er warb für die deutsch-so­wjetische Verständigung, präsentierte sich als Mann des Ausgleichs und glaubte an den dritten Weg zwischen den Blöcken.

1946-1951 war er Stellvertretender Oberbürgermeister von Groß-Berlin. Während der Berlin-Blockade und der Spaltung des Berliner Magistrats nahm Friedensburg die Amtsgeschäfte des Oberbürgermeisters von August bis Dezember 1948 wahr. In dieser Zeit galt es die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Brennstoffen und Elektrizität zu sichern. Daneben wurde er 1948 Abgeordneter in der Berliner Stadtverordnetenversammlung und 1950 im Berliner Abgeordnetenhaus. Außerdem war er 1952­-1965 Vertreter Berlins im Bundestag. 1954-1965 war er Mitglied des Europäischen Parlaments. In diesen Gremien und vor anderem Publikum setzte er sich für die Wiedervereinigung Deutschlands und die Errichtung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ein.

Für seine Verdienste wurden ihm zahlreiche Ehrungen wie Ehrendoktorwürden, das Bundesverdienstkreuz und die Ehrenbürgerwürde Berlins zuteil. Ab 1953 war er Honorarprofessor für Bergwirtschaft an der TU Charlottenburg. Die 1969 gegründete Ferdinand-Friedensburg-Stiftung dient der Persönlich­keitsbildung und Stärkung des staatsbürgerlichen Verantwortungsbewusstseins der studentischen Jugend an den Hochschulen. Sie führt Friedensburgs zahlreiche Impulse weiter, die er Studierenden als Redner, Gesprächspartner und Autor insbesondere zu den Themen „Deutsche Einheit“, „Europäische Eini­gung“ und „staatsbürgerliches Engagement“ gegeben hat.

Werke: Die Weimarer Republik, Berlin 1946. – Berlin, Schicksal und Aufgabe, Berlin 1953. – Politik und Wirtschaft. Aufsätze und Vorträge, Berlin 1961. – Lebenserinnerungen, Frankfurt a. M. und Bonn 1969. – Es ging um Deutschlands Einheit. Rückschau eines Berliners auf die Jahre nach 1945, Berlin 1971.

Lit.: Andreas Baldauf, Ferdinand Friedensburg, in: Wolfgang Ribbe (Hrsg.), Stadtoberhäupter. Biographien Berliner Bürgermeister im 19. und 20. Jahrhundert, Berlin 1992, S. 391-415. – Gerhard Keiderling, Um Deutschlands Einheit: Ferdinand Friedensburg und der Kalte Krieg in Berlin 1945-1952, Köln 2009. – Marc Zirlewagen (Hrsg.), Ferdinand Friedensburg und die Vereine Deutscher Studenten, Essen 2012.

Bild: Ferdinand Friedensburg 1926 (Foto: Gesine Friedensburg, Hilden).

Marc Zirlewagen