Biographie

Friedlaender, Johnny

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Maler, Grafiker
* 21. Juni 1912 in Pless/Oberschlesien
† 18. Juni 1992 in Paris

Als man nach dem Krieg daran ging, die Trümmer der zerbombten Gebäude in Deutschland abzuräumen, um neu aufbauen zu können, glich die deutsche Kunstszene – symbolisch betrachtet – nicht minder einem Trümmerfeld. Damals schienen Johnny Friedlaenders Malerei und vor allem seine Farbradierungen wegen der eingängigen malerischen Handschrift, dem Impressionismus verwandt, und der vielfältigen phantasiereichen Formen besonders geeignet, eine Brücke zwischen der zwölf Jahre lang in einem künstlerischen Getto gehaltenen Bevölkerung und einer neuen „abstrakten“ Sehweise bauen zu können.

1948 hatte Friedlaender in der Pariser Galerie„La Hune“ seine erste Einzelausstellung, der dort ein Jahr danach eine zweite folgte; bereits 1950 wurde seine Kunst durch die „Bibliotheque Française“ dem deutschen Publikum in Nürnberg nahegebracht. Man konnte seine lyrisch-kammermusikalischen und in einer sensiblen Palette Komponierten Arbeiten in den nächsten Jahren in den Staatlichen Museen Berlin (1957), im Museum Braunschweig (Retrospektive 1949-1960), in der Oberbeck-Gesellschaft in Lübeck (1965) und in verschiedenen Privatgalerien sehen.

Mit der Zeit wurde es um diesen stillen Maler auch in der Bundesrepublik stiller. Nicht nur, weil die sogenannte abstrakte Kunst mit ihren inzwischen mannigfaltigen Varianten sich einen festen Platz auch im westlichen Teil Deutschlands erobert hatte. Auch die schier grenzenlose westliche Kunstszene– von Op und Pop Art bis zum Neo-Realismus und den Jungen Wilden – war zu einem unübersehbaren Panorama angewachsen.

Es ist das Verdienst der Künstlergilde Esslingen, Johnny Friedlaender durch die Verleihung ihres Lovis-Corinth-Preises 1982 wieder ins Licht der Öffentlichkeit gerückt zu haben. Das gilt nicht allein für das malerische und grafische Œuvre dieses in Paris lebenden Künstlers. Nun erinnerte man sich auch seiner Herkunft aus Oberschlesien. Weitgehend war Friedlaender – besonders bei jenen, denen der Reisepaß mehr gilt als Geburtsort und Volkszugehörigkeit – als Franzose abgestempelt.

In Pless/Oberschlesien 1912 geboren, studierte er an der berühmten Breslauer Kunstakademie bei Otto Mueller und Carlo Mense, lebte bis 1934 in Dresden und emigrierte als deutscher Jude in die Tschechoslowakei (wo er in Mährisch-Ostrau seine ersten Radierungen ausstellte) und von dort 1937 über Österreich, die Schweiz und Belgien nach Frankreich. Der Versuch, hier Fuß zu fassen, gelang, und bald stellten sich Erfolge ein (Ausstellungen, Tätigkeit als Illustrator u.a.), doch bei Kriegsausbruch wurde er als politischer Flüchtling in verschiedenen Lagern interniert. Nachdem er die französische Staatsbürgerschaft erworben hatte, wurde er in das moderne Pariser Kunstleben integriert; er stellte in Schweizer Museen aus, im Modernen Museum zu Sao Paolo, in Rio de Janeiro, in Brüssel, in Jugoslawien und in zahlreichen weiteren europäischen und amerikanischen Kunstzentren. 1958 repräsentiert er Frankreich auf der Biennale in Venedig, 1957 erhielt er den Preis der Biennale in Tokio, 1974 steht eine Ausstellung der Bibliothèque Municipale Colmar unter dem Titel „Hommage à Friedlaender“. Als Meister der Farbradierung betätigte sich Friedlaender wiederholt als Pädagoge: 1949 gründete er in Paris eine Schule der Radierung, 1959 erhält er durch die UNESCO einen Lehrauftrag in Rio de Janeiro, 1966 und 1967 ist er Professor an der Sommerakademie in Salzburg.

Neben seinen„abstrakten“ Bildtiteln erscheinen oft konkrete wie Blumen, Landschaft, Vögel – freilich in französischer Sprache. Fragt sich, ob dieser Künstler sich aus absoluten, inneren Visionen und Träumen der Wirklichkeit näher, oder umgekehrt, also abstrahiert. Dabei spielt die Musik für ihn eine wichtige Rolle, wie man das nicht zuletzt von seinen Bildunterschriften „Scherzo“, „Fuge“, „Kontrapunkt“, „Accord vert“, „Stockhausen-Microphocie“ ablesen kann. Friedlaender: „Bedenken Sie bitte, daß die Musiker uns schon seit langem damit vertraut gemacht haben, Visuelles in Akustisches zu transponieren. Möge der Tag kommen, wo ein Komponist uns die Töne zurückgibt …“

1969 verlieh der Bundespräsident dem „Franzosen aus Oberschlesien“ Johnny Friedlaender das Bundesverdienstkreuz.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Johnny_Friedlaender

Günther Ott