Biographie

Friedländer, David Joachim

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Reformator
* 6. Dezember 1750 in Königsberg i.Pr.
† 25. Dezember 1834 in Berlin

Friedländer, gebürtiger Königsberger und aus Königsberger Familie – der Vater war Ältester der dortigen jüdischen Gemeinde, die Mutter Tochter des Kaufmanns Levin Fischel – ging in die Geschichte ein als Anhänger, Herausgeber und Nachfolger von Moses Mendelssohn, dem jüdischen Philosophen der deutschen Aufklärung einerseits und als Vorkämpfer der jüdischen Emanzipation in Preußen andererseits. 1771 gelangte er als künftiger Schwiegersohn des Hofbankiers Daniel Itzig nach Berlin, gründete dort eine Seidenfabrik und wurde bald einer der angesehensten Kaufleute der preußischen Hauptstadt. Aber die kaufmännische Tätigkeit genügte ihm nicht. Er hatte höhere Ambitionen. Er befreundete sich mit Moses Mendelssohn, und diese Freundschaft trug bald schon geistige Früchte, als Friedländer sich dem Verein der hebräischen Literaturfreunde anschloß, der seit 1783 die hebräische Zeitschrift „Der Sammler“ herausgab. Friedländer trug entscheidend dazu bei, die hebräische Dichtung wiederzubeleben, indem er Jesaias und Hiob ins Deutsche übertrug, ein Unterfangen, das trotz der Mendelssohnschen Pentateuchübersetzung (der Fünf Bücher Moses) für die Zeit kein geringes Wagnis darstellte und auf heftigen Widerstand, zumal in den eigenen Reihen der Orthodoxen, stieß. Aber das war erst der Anfang. Friedländer besaß, obwohl Jude, ein ausgeprägtes Nationalbewußtsein als Deutscher, weshalb er sich mit zahlreichen historischen Aktenstücken und Editionen, in den Jahren von 1787 bis 1812, für das Heimatrecht der deutschen Juden einsetzte, und das mit Erfolg. So berichten seine „Aktenstücke, die Reform der jüdischen Kolonien in den preußischen Staaten betreffend“ (1793) von den Verhandlungen, die unter seiner Ägide die Generaldeputierten der jüdischen Gemeinden Preußens über die Verbesserung ihrer bürgerlichen Rechte mit einer von Friedrich Wilhelm II. eingesetzten Kommission führten. Während der Franzosenzeit offenbarten Friedländer und sein Berliner Kreis eine so dezidierte staatstreue Gesinnung, daß er 1809 als erster Jude von den Berliner Stadtverordneten zum Stadtrat gewählt wurde. Das königliche Edikt vom 11.3.1812 war Friedländers Werk und brachte den preußischen Juden schließlich die hart erkämpfte und lang ersehnte bürgerliche Gleichberechtigung. Friedländer aber, der eine gänzliche kulturelle Anpassung erstrebte, forderte eine Reform des überlieferten Judentums, Einführung der deutschen Gebetssprache, Aufgabe der nationalen Messiashoffnung usw., gründete deshalb 1778 in Berlin eine „Jüdische Freischule“, die Modell für moderne Schulen in anderen Städten wurde, gab ferner eine deutsche Gebetbuchübersetzung heraus, ein deutsches Lesebuch für jüdische Kinder und übertrug den Mendelssohnschen Kokelet-Kommentar ins Deutsche. Aufsehen erregte 1799 sein „Sendschreiben an Propst Teller in Berlin, von einigen Hausvätern jüdischer Religion“, in dem er so weit ging, das jüdische Zeremonialgesetz, das den Umgang mit Christen bzw. die Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten fast unmöglich machte, aufgeben, mehr noch, die christliche Taufe annehmen zu wollen, sofern es nur „ohne Beunruhigung ihrer Vernunft, ohne Verletzung des moralischen Gefühls“ geschehen könnte, denn alle Religionen enthielten nach Friedländer ein und denselben Kern ewiger Vernunftgesetze. Doch der Berliner Propst lehnte ab, auch Schleiermacher, dessen „Reden über Religion“ im gleichen Jahr erschienen. Friedländers Vorschlag, ein rationalistisches reformiertes Judentum mit einem entdogmatisierten Christentum zu verschmelzen – eine kühne Vorwegnahme moderner ökumenischer Bestrebungen – wurde als opportunistisch ausgelegt, kam, für seine Zeit, in der rationalistische Aufklärungsideale von neuen irrationalistischen und gegenreformatorischen Idealen einer ins katholische Mittelalter zurückblickenden deutschen Romantik abgelöst wurden, zu spät.

Friedländers Ernüchterung macht plausibel, warum sein Eifer mehr und mehr erlahmte und er sich selbst mehr und mehr auf reine Repräsentationsaufgaben beschränkte.

Dochmuß hier auf seine spätere literarische Tätigkeit hingewiesen werden, auf die editorische, als Herausgeber der Schriften seines Freundes Mendelssohn: „Fragmente von ihm und über ihn“ (1818), der Neuauflagen des „Phädon“; auf die schriftstellerische, ab Verfasser der 1819 veröffentlichten Schrift „Über die Verbesserung der Israeliten im Königreich Polen“, die für die dort Unterdrückten sich einsetzte und Bürgerrechte reklamierte, oder sein Beitrag „Zur Geschichte der Verfolgung der Juden im 19. Jahrhundert“ (1820), der sich gegen antisemitische Schriften richtete, oder seine letzte größere Arbeit „An die Verehrer, Freunde und Schüler Jerusalems …“ (1823), die der ostdeutschen Schriftstellerin Elise von der Recke gewidmet war. Mit ihr, wie mit vielen Gelehrten, Künstlern und Vertretern des öffentlichen Lebens, pflegte Friedlander, neben Mendelssohn der bedeutendste jüdische Vertreter der Aufklärungszeit und nach dem Tode seines Freundes das geistige Oberhaupt der deutschen Juden, eine für alle Teile anregende Freundschaft, so mit den Brüdern Humboldt oder mit Karl Friedrich Zelter, dem Musiker und Goethe-Freund.

Lit.: I. H. Ritter, Geschichte der jüdischen Reformation II, 1861; L. Geiger, Geschichte der Juden in Berlin I, 1871; E. Friedländer, Das Handelshaus Joachim Moses Friedländer und Söhne, 1913; B. Offenburg, Das Erwachen des deutschen Nationalbewußtseins in der preußischen Judenheit, 1933. Der Große Brockhaus.

Bild: nach einem Gemälde von Julius Hübner, 1834

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/David_Friedl%C3%A4nder

Ernst-Edmund Keil