Biographie

Fritscher, Karl

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Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Priester,
* 28. Juli 1875 in Müglitz
† 10. Mai 1945 in Zwittau

Der beliebte, angesehene und von Idealismus geprägte P. Karl Fritscher wurde als Sohn des Kürschnermeisters Wilhelm und Marie Fritscher geboren. Am 5. Juli 1898 empfing er die Priesterweihe im Dom zu Olmütz und wurde im September desselben Jahres als Kaplan in Zwittau angestellt. Schon im November 1898 wurde er zum Präses des Arbeitervereins in Zwittau ernannt; 1900 gründete er den Arbeiterinnen-Verein, die Jugendsektion und die Turner-Riege. 1918 folgte auf seine Initiative die Gründung des Christlichen Müttervereins. Um die christlichen Grundsätze im persönlichen und öffentlichen Leben durchzusetzen, wurde auf Initiative Fritschers 1900 die Zeitung Grenzpost gegründet. Erschien sie anfangs noch alle 14 Tage, wurde sie schon bald auf die wöchentliche Erscheinungsweise umgestellt. Daneben kam er weiterhin seiner eigentlichen Berufung nach, indem er 1903 den Katechetenposten an der Knaben-Bürgerschule übernahm, den Präses-Posten dafür jedoch niederlegen musste. 1932 kam die Ernennung zum Monsignore hinzu. Besonders beliebt waren die Wallfahrten und Exerzitien, die Fritscher für seine Pfarrgemeinde, aber auch für Interessierte aus anderen Orten organisierte und durchführte. Fritscher organisierte Fußwallfahrten wie etwa nach Reichenau b. Mährisch-Trübau und Kertzelsdorf, nach Maria­zell, nach Philippsdorf und Mariaschein, oder auch Groß­wallfahrten mit bis zu 900 Teilnehmern. Fritscher war allerdings kein „reiner“ Geistlicher. Er verstand es, seine Interessen für die Gemeinschaft vor höheren Gremien vorzubringen und zeichnete sich als gewandter Redner aus. Diese Eigenschaften verschafften ihm die Wahl zum Senator für den Wahlkreis Brünn von 1925 bis 1929 und seine Mitgliedschaft als Abgeord­neter im Prager Parlament von 1929 bis 1935.

Aber all diese Einsatzbereitschaft, ob in Kirche oder Politik, forderte auch bei ihm sein Tribut: Schon während seiner Amtszeit als Senator für den Wahlkreis Brünn erlitt Fritscher einen Schlaganfall; 1934 musste er sich im Prager Krankenhaus einer größeren Operation unterziehen. Wie so viele Geistliche im Sude­tenland wurde auch er von der Gestapo 1943 verhaftet und mit einigen Verhören schikaniert.

Weitere zwei Operationen sollten noch folgen, wobei die letzte für ihn tödlich endete: Am 6. Mai 1945 wurde Fritscher mit den Sterbesakramenten versehen und verstarb am 10. Mai. Es war ein schicksalsträchtiger Zeitpunkt, denn nach der Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 erfolgte der Einmarsch der Russen in die sudetendeutschen Gebiete. Schon am 9. Mai zogen sie plündernd in die Stadt Zwittau ein. Am Nachmittag seines Sterbetags fiel auch Fritschers Wohnung den Plünderern zum Opfer. Das Begräbnis selbst am 13. Mai erfolgte nahezu ohne Kenntnis der Öffentlichkeit, auch die Priester erfuhren erst am Abend von der Beerdigung. Dr. Stefan Kruschina, der das Lebensbild Fritschers unter dem Titel Der Apostel Zwittaus (1986) nachgezeichnet hat, schreibt wie folgt: „Den ersten Bericht vom Begräbnis des P. Karl hat mir einer der Totengräber am Abend dieses Sonntags gebracht. Als Begleitung haben also 1 Priester, 6 ortsfremde Flüchtlinge und eine Frau aus Zwittau den Leichenzug gebildet. Gott, der Herr, wird ihm für die Ewigkeit vergelten, was ihm an irdischen Ehren entgangen ist.“

Die Persönlichkeit P. Karl Fritscher gehört zu den sudetendeutschen „Ausnahme-Geistlichen“, die Kirche und Politik geschickt zu vereinbaren wussten. Als hervorragender Seelsorger, Prediger und Redner wusste er seine Stärken einzusetzen, aber auch seine Anliegen für das Gemeinwohl klug zu vertreten und der Öffentlichkeit vorzubringen. Besonders die Arbeiter- und Jugendvereine lagen ihm am Herzen – wie wir gelesen haben, gingen zahlreiche Gründungen auf Fritscher zurück; auch der Bau des Vereinsheimes wurde von ihm gefördert, das ehemalige Tobisch-Gasthaus für diesen Zweck von ihm gekauft. Das gesellschaftliche Leben in Zwittau wurde durch ihn maßgeblich gefördert und positiv beeinflusst. Dabei lässt sich in seinen selbstbiographischen Notizen (bei Kruschina 1986) sein lebenslanges Motto erkennen: „Mein Grundgedanke war, über die Brücke der Vereine die Menschen wieder in die Kirche zu führen.“

Julia Nagel, 2017