Biographie

Fürnberg, Louis

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Schriftsteller, Komponist
* 24. Mai 1909 in Iglau/Mähren
† 23. Juni 1957 in Weimar

Louis Fürnberg wurde als Sohn einer Fabrikantenfamilie jüdischer Abstammung in Iglau (heute Jihlava, Tschechische Republik), einer deutschen Sprachinsel in Mähren, geboren. Wie die meisten Juden in der österreichisch-ungarischen Monarchie bekannten sich seine Eltern zur deutschen Sprache und Nationalität. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er jedoch in Karlsbad (heute Karlovy Vary), wo er auch das Gymnasium besuchte. Eine anschließende Lehre in der Porzellanfabrik Moser in Meierhöfen bei Karlsbad musste er wegen einer Tuberkuloseerkrankung abbrechen. 1925 trat Louis Fürnberg der Sozialistischen Jugend bei. Ab 1927 besuchte Fürnberg die Deutsche Handelsakademie in Prag. Er belegte zusätzlich als Gasthörer Vorlesungen an der Karls-Universität in Germanistik und Geschichte. In der bürgerlichen deutschen Prager Presse erschienen seine ersten, an Rilke orientierten Gedichte. Fürnbergs meisterliche Landschafts- und Liebeslyrik stand auch später stilistisch in scharfem Gegensatz zu seinem absichtlich grobschlächtig gehaltenem politisch-agitatorischem Schaffen.

Im Jahre 1928 wurde er Mitglied der deutschsprachigen Sektion der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei. Er gründete die Agitprop-Gruppe „Echo von Links“, für die er auch als Texter tätig war. 1936 lernte er Lotte Wertheimer, die Tochter eines Bankiers und ebenfalls überzeugte Kommunistin kennen. 1937 heiratete er Lotte Wertheimer. Wegen der eigenen jüdischen Herkunft und ihrer Zugehörigkeit zur Kommunistischen Partei versuchte das Ehepaar nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Prag und der Errichtung des „Protektorats Böhmen und Mähren“ aus Prag nach Polen zu fliehen, sie wurden jedoch verraten und inhaftiert. Lotte Fürnberg wurde nach zwei Monaten aus der Gestapo-Haft entlassen und konnte nach London emigrieren. Louis Fürnberg ging durch mehrere Gefängnisse und wurde während der Haft auch gefoltert. Der Familie seiner Frau gelang es, Gestapo-Beamte zu bestechen. So wurde Fürnberg freigekauft und nach Italien abgeschoben, wo er zum Jahreswechsel 1939/1940 seine Frau wieder traf. Sie flohen weiter nach Jugoslawien. 1940 wurde ihr Sohn Mischa in Belgrad geboren. 1941 erreichten sie Palästina, wo sie bis 1946 blieben. Sie lebten in Jerusalem, wo Fürnberg einige seiner bedeutendsten Werke schrieb. Die Familie Fürnberg hatte jedoch unter den religiösen Zionisten wegen ihrer kommunistischen Überzeugung nur wenige Freunde. Die Eltern Louis Fürnbergs, die im Sudetenland geblieben waren, wurden durch die deutschen Nationalsozialisten ermordet.

Im Jahre 1946 kehrte Fürnberg nach Prag zurück. Er war zunächst als Korrespondent für mehrere Zeitungen tätig, fand jedoch bald eine Anstellung im Informationsministerium. Bald wurde er Leiter der Abteilung des Tschechoslowakischen Rundfunks für die deutschsprachigen Länder. Nach dem kommunistischen Putsch im Februar 1948, den Fürnberg lebhaft begrüßte und an dessen Vorbereitung er beteiligt war, wechselte er vom Informationsministerium in das Außenministerium. 1949 schrieb Fürnberg jenes unselige Lied von der Partei, das dem IX. Parteitag der tschechoslowakischen Kommunisten im Mai 1949 gewidmet war. In jener Zeit schrieben tausende von Literaten zwischen Böhmerwald und Baikalsee Lobeshymnen auf Stalin, in der Absicht, den sibirischen Straflagern zu entgehen oder um Vorteile zu erhaschen, aber Fürnberg meinte es ehrlich. Fürnberg rechnete fest mit einer Einladung zum Parteitag, die er jedoch zu seiner großen Enttäuschung nicht erhielt. Von 1949 bis 1952 war er Kulturattaché an der Tschechoslowakischen Botschaft in Ostberlin, zeitweise auch Erster Sekretär der Botschaft.

Das Lied von der Partei kam in der Tschechoslowakei nicht so gut an, wurde aber mit Begeisterung von den SED-Genossen in der DDR übernommen und zur „Kampfhymne“ der SED. Die Aussage, dass die Partei immer recht habe, diente den SED-Genossen als Narkotikum gegen gelegentlich aufkommendes Unrechtsbewusstsein und überschattet heute noch das gesamte literarische Werk Fürnbergs.

1952 versuchte der tschechische Kommunistenführer Klement Gottwald, eventuelle Konkurrenten und Opponenten mit Unterstützung Stalins durch politische Prozesse auszuschalten. Fürnbergs Chef, der tschechoslowakische Botschafter in der DDR, Otto Fischl, und dessen Chef, Außenminister Vladimir Clementis, gehörten 1952 zu den Hauptangeklagten im stark antisemitisch geprägten Slansky-Prozess. Beide wurden zum Tode verurteilt und am 3. Dezember 1952 hingerichtet, ihre Asche wurde auf der Staatsstraße zwischen Prag und Pilsen verstreut. Nun begann Fürnberg, um sein eigenes Leben zu fürchten, es wurde ihm nach langer Zeit klar, dass die Partei doch nicht immer recht haben musste. Er vernichtete persönliche Unterlagen, Aufzeichnungen, Manuskripte und Briefwechsel, täglich befürchtete er seine Verhaftung durch den tschechischen Staatssicherheitsdienst, der für seine brutalen Vernehmungsmethoden bekannt war. Daher stellte er einen Antrag für sich und seine Frau auf Übersiedlung in die DDR, dem die tschechoslowakischen Behörden jedoch erst 1954 stattgaben. Allerdings wurde Fürnberg bis dahin in die DDR delegiert, so dass er zumindest dem unmittelbaren Zugriff der Geheimpolizei entzogen war. Vielleicht hätte es ja auch in der DDR politische Prozesse gegen „Zionisten“ und West-Emigranten gegeben, aber zum Glück für die Familie Fürnberg und die Menschheit verstarb der von Fürnberg hochverehrte sowjetische Diktator Stalin am 5. März 1953.

1954 wurde Fürnberg stellvertretender Leiter der Goethe- und Schillergedenkstätten in Weimar, die den langatmigen und etwas hochtrabenden Namen Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur führten. Er hatte nun endgültig das Land verlassen, in dem weder Deutsche noch Juden erwünscht waren.

Er war mitverantwortlich für die Herausgabe der Bibliothek Deutscher Klassiker und förderte mit Einfühlungsvermögen und Verständnis junge deutsche Schriftsteller, darunter auch Christa Wolf. Bei einem Besuch in Prag im Jahre 1955 erlitt er einen Herzinfarkt, von dessen Folgen er sich nicht mehr erholte.

1956 wurde er mit dem Deutschen Nationalpreis der DDR ausgezeichnet. Nach dem XX. Parteitag der KPdSU, auf dem Chrustschow die Verbrechen Stalins angeprangert hatte, wurden auch die Werke Fürnbergs „entstalinisiert“. Drei Gedichte über Stalin wurden aus der Werkausgabe gestrichen, aus dem Lied von Stalin wurde Das Lied vom Menschen. Die dazu gehörige Widmung „Dieses Lied weihe ich Stalin“ wurde durch „Dieses Lied weihe ich den Sowjets“ ersetzt. Auch das „Lied von der Partei“ erfuhr eine Korrektur. Nun hieß es an Stelle von „Denn in Leninschem Geist, wächst von Stalin geschweißt, die Partei…“ in neuer Formulierung: „Denn in Leninschem Geist, wächst von Lenin zusammengeschweißt, die Partei, die Partei, die Partei“.

Am 23. Juni 1957 starb Louis Fürnberg in Weimar. Er wurde mit militärischen Ehren beigesetzt. Offiziere der Nationalen Volksarmee der DDR begleiteten den Katafalk zum Grabe, mit preußischem Stechschritt und in wehrmachtsähnlichen Uniformen. Ob er sich dies so gewünscht hätte, mag fraglich erscheinen.

Nach seinem Tode verwaltete seine Witwe das Fürnberg-Archiv in Weimar, sie war auch für die Herausgabe der nachgelassenen Werke verantwortlich. An ihrem 90. Geburtstag am 7. Juli 2009 gewährte sie der Berliner Zeitung ein Interview, in dem sie u.a. sagte: „Wir haben viel Falsches geglaubt, große Fehler gemacht. Nicht in der Struktur sahen wir das Übel, sondern in einzelnen Menschen wie Stalin.“ Und sie fügte nach einer Weile leise hinzu: „Wie viel Blut ist umsonst geflossen.“

Werke: Bruder Namenlos. Ein Leben in Versen, Basel 1947. – Hölle, Haß und Liebe, o.O., 1943. – Begegnung in Weimar, Berlin 1995. – Du hast ja ein Ziel vor den Augen, Weimar 1959. – Heimat, die ich immer meinte. Böhmen und Deutschland in Gedichten aus dem Nachlaß, Berlin (Ost-) 1964. – Lieder, Songs und Moritaten, Berlin (Ost-) 1959. – Mozart-Novelle, Zürich 1991 (Nachdruck von 1947) . – Und Sterne wandern, wie ich gehe, Berlin (Ost-) 1981. – Wanderer in den Morgen, Berlin (Ost-) 1961. – Das wunderbare Gesetz, Weimar 1956. – Meinke, Herbert: War ein Wintertag … Gedichte. Berlin 1996.

Zeitungen und Zeitschriften:Berliner Zeitung vom 9.7.2009: Es ist soviel Blut umsonst geflossen. – Die Dichterwitwe Lotte Fürnberg erinnert sich ihrer gemeinsamen Lebensjahre mit Louis Fürnberg (Christian Topp).

Lit.: Deutsches Schriftstellerlexikon, Weimar 1962. – Kaplan, Karel: Die politischen Prozesse in der Tschechoslowakei 1948-1954, München 1986. – Bernhard, Rüdiger: Wanderer in den Morgen. Louis Fürnberg und Arnold Zweig, München 2005.

Bild: Büste im Ilmpark, Weimar.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Louis_F%C3%BCrnberg

Johann Frömel