Biographie

Gabler, Christoph August

Herkunft: Baltikum (Estland, Lettland, Litauen)
Beruf: Komponist, Verwaltungsbeamter
* 27. März 1767 in Mühltroff/ Vogtland
† 14. April 1839 in St. Petersburg

Gabler war Sohn des Pfarrers Christoph August Gabler und der Johanna Christopha geb. Moebius. Er erhielt im Alter von sechs Jahren seine erste mu­sika­li­sche Ausbildung und seit 1777, mit elf Jahren, nahm er an den Hauskonzerten des Grafen Carl Erdmann von Kospoth, dem Vater des tragisch endenden Komponisten Otto von Kospoth (Mühltroff 1753-1817 ebda.), als Geiger und Klavierspieler teil. 1780 kam Gabler in die Schule nach Schleiz. Dort spielte er in der Hauptkirche zum Gottesdienst Orgel und seit 1786 war er Chor­präfekt, auch entstanden damals zwei Sinfonien für die Schleizer Hofkonzerte. Er studierte dann zunächst in Leipzig Theologie, begann jedoch 1787 ein Jurastudium, wenngleich die Musik weiterhin eine große Bedeutung in seinem Leben hatte. 1788 erschienen erstmals Kompostionen im Druck, die Drei Sonaten für Klavier bei Hilscher in Leipzig. 1790 ging er zum Studium der Kameralwissenschaften nach Göttingen. Darüber hinaus erhielt er dort bei dem Komponisten und Bach-Biographen Johann Nikolaus Forkel musikalische Unterweisung. 1792 wurde Gabler Privatsekretär bei Graf Carl Erdmann von Kospoth und war auf dessen Gütern tätig, u.a. in Oberzollwitz. Die Stelle gab er 1796 auf, um sich in Leipzig nun ganz der Musik zu widmen und wo er sich mit dem Nicolai-Organisten und späteren Thomas-Kantor August Eberhard Müller befreundete.

1797 ging Gabler als Musiklehrer der Familie des Oberland­gerichtsassessors Gideon Ernst von Fock auf das Gut Saggad/ Estland. In dieser Zeit komponierte er zahlreiche Klavierwerke, bei Bevorzugung der Form der Variation, die zum Teil bei Gerstenberg und Dittmar in St. Petersburg erschienen. Wiederholt wiesen Ankündigungen und Subskriptionsanzeigen in Zeitungen auf das Erscheinen seiner Kompositionen hin.

Die Widmungen dieser Stücke an Damen der Gesellschaft belegen einen beziehungs­reichen Umgang, der wohl seinen Schülerkreis betraf: Douze petites Pièces op. 17 (Gerstenberg et Dittmar St. Petersburg 1800), dédiées à Madame de Schwengelm née de Krudener, Trois Sonates op. 19 (1801), dédiées à son Excellence Madame la Ba­ronne v. d. Pahlen née Comtesse de Stenbock, Trois Polonaises et Trois Walzer pour le Pianoforte op. 20. dédiées à S.E. Madame de Staël, née de Fock, bei F.A. Dittmar St. Petersburg erschienen. Auch ein größeres Werk entstand in der Zeit in Saggad, das Oratorium Der Pilger am Jordan von 1798.

1801 ließ Gaber sich in Reval nieder, wo er zunächst als Musiklehrer tätig war und als Pianist in Konzerten mitwirkte, u.a. 1803 auch im Theater in Riga. Er heiratete 1803 die Revalenserin Karoline Amalie Clementz. Aus der Ehe ent­sprossen elf Kinder. Gabler wurde 1804 Substitut am Oberlandgericht und war seit 1812 Aufseher über Apothekermaterialien sowie Farben am Hafenzoll. 1815 wurde er zum Gouvernements­sekretär befördert.

Bemerkenswert waren seine in dieser Zeit erschienenen Sammlungen Deutsche Gesänge und Lieder, welche mit in der Zeit lagen, die hochentwickelte deutsche Dichtung und nicht mehr französische Texte zu vertonen. Dieses Bestreben hatte sich auch allgemein unter den Komponisten in den baltischen Landen, besonders auch in den napoleonischen Kriegen, durchgesetzt. In diesem Zusammenhang wären die Sammlungen Deutscher Lieder von den in diesen Jahren in Estland wirkenden Komponisten Johann Friedrich de La Trobe und August Heinrich von Weyrauch zu nennen. Einzelne Lieder aus Gablers Sammlungen Deutsche Gesänge waren schon vorher bei mehreren Verlagen erschienen, ebenso finden sich daraus auch immer wieder einzelne Gesänge in später herausge­kommenen Lieder­sammlungen, bis ins 20. Jahrhundert hinein. Seine 9. Sammlung der Gesänge waren 10 Gesänge für Freymaurer nebst einer Hymne an den Kaiser op. 40 für 1 Männerstimme, Männerchor und Klavier, u.a. Lied eines Scheidenden (A. v. Kotzebue), Beruhigung, Neujahrslied (F. Becker), gewidmet der grossen Loge Astraea in St. Petersburg und der Loge Isis in Reval, die bei Peters in Leipzig erschien. Gabler war Mitglied der Loge Isis in Reval.

Gabler wurde jedoch in die Revaler Zollaffäre von 1817 verwickelt, wodurch sein erfüllter und ansteigender Lebensgang zerstört wurde. Noch im selben Jahr verlor er sein Amt. Der Senatsukas von 1820 führte zum Verlust des Beamtenrangs und des damit verbundenen persönlichen Adels. Außerdem wurde er zum Aufenthalt in Reval unter Polizeiaufsicht verurteilt. Gabler war wieder als Mu­siklehrer tätig und trat gelegentlich als Konzertpianist auf. Er leitete einige Zeit das Revaler Stadtorchester und soll vorübergehend Musikdirektor des Revaler Theaterorchesters gewesen sein. 1818 ist er nach eigenem Ersuchen aus der Loge Isis ausgetreten. 1822 verstarb seine Frau Karoline Amalie. Das jüngste der elf Kinder war erst 1820 auf die Welt gekommen. Es trug den Namen seines Vaters und Großvaters und wird in der Gabler-Genealogie als Christoph August III. (gest. Reval 1884) bezeichnet. Er wurde zum Gouvernements-Architekten (u.a. Johanniskirche und Spritzenhaus in Reval) und Staatsrat, mit erblichem Adel.

Nach diesem schweren, langen Lebensjahrzehnt wurde Gabler 1828 wieder im Kanzleidienst der Gouvernementsregierung angestellt. Er legte den Amtseid ab, wurde 1830 begnadigt und zum Kollegienregistrator ernannt, 1833 erfolgte die Beförderung zum Gouvernementssekretär – in seinen ehemaligen Rang von 1815.

1833 verfasste Gabler eine Trauerkantate zur Begräbnisfeier der Mad. Mara für vier Stimmen, für die zu ihrer Zeit weitberühmte Sängerin Gertrude Mara (geb. Kassel 1749), die in Reval ihre letzten Le­bens­jahre verbrachte, die Grande Dame des Revaler Musiklebens, als Gesangslehrerin wirkend, nachdem sie ihr Vermögen beim Großen Brand in Moskau verloren hatte. Zu Ihrem 82. Geburtstag 1831 hatte ihr Goethe mit einem Gedicht, vierstimmig vertont von Johann Nepomuk Hummel, seine Verehrung dargebracht.

Auf eigenes Ersuchen wurde Gabler 1835 aus dem Dienst entlassen, um 1836, einem Teil seiner Kinder folgend, nach St. Petersburg überzusiedeln, wo er 1839 verstarb und auf dem Smolenski-Friedhof bestattet wurde. Bei seiner Beerdigung wurde seine Trauerkantate für Madame Mara gesungen, die bei Breitkopf & Härtel in Leipzig erschien.

Zu seiner Zeit beliebt waren seine Klaviermusik – neben Sonaten und Variationen auch Polonoises, Walzer sowie seine Lieder und Gesänge, die Bezüge zur Wiener Klassik und zur Zweiten Berliner Liederschule aufweisen. Gelegentlich verwendete er auch russische Volksmusik. Wiederholt erfuhren seine Kompositionen in der Leipziger Allgemeinen Musik Zeitung wohlwollende Besprechungen. In Gerbers Neues historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler wird er bereits 1812 genannt, als „sehr gefälliger Klavierkomponist für Liebhaber.“ Seine Kompositionen, sie erschienen in mehreren deutschen und russischen Verlagen, sind nur noch partiell in einigen Bibliotheken und in Familienbesitz vorhanden, so dass äußerst selten Werke von ihm noch heute aufgeführt werden.

Christoph August Gabler wurde zum Stammvater einer weitverzweigten Familie, von welchen sich mehrere Glieder auf dem Gebiet der Musik betätigt haben. Alexander (Reval 1813-1906 St. Pe­ters­burg) war Musikalien­händler und Musikverleger in St. Petersburg. Außer der als Klaviervirtuosin bekannten Jeanette Juliane (Reval 1804-1879 St. Petersburg) soll auch Augusta (Reval 1818-1895 ebd.) komponiert haben.

Lit.: Div. Musiklexika: Gerber; Schilling; Mendel-Reissmann; Rigaer Theater- und Tonkünstlerlexikon; Pazirek. – Dr. Bertram (Georg Julius v. Schultz), Kapitel „Des­illu­sionen“ in Baltische Skizzen, Ausg. Hamburg-Hamm 1962 S. 129. – Hennig von Wistinghausen, Die Reva­ler Zollaffäre, in Reval und die baltischen Länder, Festschrift für Hellmuth Weiss, Marburg 1980 S. 390f. – Helmut Scheunchen, Lexikon deutschbaltischer Musik, Wedemark-Elze 2002, S. 81-83. – Henning von Wistinghausen, Freimaurer und Aufklärung 1773-1820 im Russischen Reich. Mit einem biographischen Lexikon, Köln usw. 2016, div. S. – Mitt. a.d. Verf. Bernd Koch/ Ottawa 1992ff.

Bild: Netz ISLMP/ Bayr. Staatsbibliothek München.

Helmut Scheunchen