Biographie

Gall, Ernst

Herkunft: Danzig
Beruf: Kunsthistoriker
* 17. Februar 1888 in Danzig
† 5. August 1958 in München

Geboren am 17.2.1888 in Danzig, gestorben am 5.8.1958 in München, war Ernst Gall eine Gelehrtenpersönlichkeit von großer Ausstrahlungskraft und Produktivität, die einen Stammplatz in der Geschichte der Kunstwissenschaft einnimmt. Schon in seiner Dissertation über „Die niederrheinischen Apsidengliederungen nach normannischem Vorbilde“, mit der er nach Studienjahren in Grenoble und Paris 1914 bei Adolph Goldschmidt promovierte, hatte er neue Wege zum Verständnis der Gotik angebahnt. Diese entwickelte er in seinen Büchern „Die niederrheinische und normannische Architektur im Zeitalter Frühgotik“ (1915) und „Die gotische Baukunst in Frankreich“ (1925) weiter, welche zu Recht von Paul Frankl als „epochemachende“ Leistung bezeichnet worden sind: Im Gegensatz zur vorangegangenen Forschung interpretierte er das Gliederwerk der nordfranzösischen Sakralarchitektur von etwa 1050 bis 1190 grundsätzlich neu, sah den Übergang vom „Normannischen“ zum „Französischen“ als zusammenhängenden Entwicklungsprozeß einer einheitlichen Stilepoche an und stellte in dem späteren Werk (1925) eine konsequent durchdachte, wenn auch nicht in allen Punkten widerspruchsfrei begründete und heute auch nicht unumstrittene Entwicklungstheorie auf.

Grundlage von Galls Forschungen war die systematische Analyse der Bauformen, die unmittelbar dem Gegenstand, dem Kunstwerk abgewonnene Beobachtung, die nachmalig auch den Erfolg seiner Lehrtätigkeit – seit 1947 Honorarprofessor der Münchener Universität – ausmachen sollte. Doch hatte er schon wesentlich früher mit bewundernswerter Konsequenz begonnen, auf seine Zeitgenossen und Fachkollegen anregend, fördernd und unterrichtend einzuwirken: 1923 gründete er das „Jahrbuch für Kunstwissenschaft“, gab seit 1932 mit Wilhelm Waetzold die „Zeitschrift für Kunstgeschichte“ heraus, die er zu einem hochrangigen, in allen Breiten wirkenden Fachorgan ausbildete und übernahm 1935 auf Wunsch von Georg Dehio die Herausgabe des „Handbuches der deutschen Kunstdenkmäler“, das seither als Dehio/Gall zum Standardwerk der deutschen Kunsttopographie geworden ist. Gall hat sein gesamtes Leben der ständigen Auseinandersetzung im Dienste der Kunstwissenschaft gewidmet und mit seinem ausgeprägten Sinn für geschichtliche Landeskunde die alte Heimat auch fachlich nicht vergessen: Seine Bücher über „Die Marienkirche zu Danzig“, Burg bei Magdeburg 1926, „Danzig. Das alte Stadtbild“, Bremen 1943 oder „Danzig und das Land an der Weichsel“, München-Berlin 1953, wie auch die Bearbeitung des Handbuches „Deutschordensland Preußen“ (unter Mitwirkung von Bernhard Schmid und Grete Tiemann, München-Berlin 1952) sind wichtige Bestandteile seiner wissenschaftlichen Veröffentlichungen und zeugen von seinen mannigfaltigen Interessen.

Sein sicherer Blick für das Wesentliche, seine konzentrierte Sprache führte ihn schon 1934 mit Otto Schmitt und dem „Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte“ zusammen, das er nebst Bearbeitung etlicher Stichworte (Chor, Dienst, Deutschordensburg, Eigenkirche, Empore usw.) nach Schmitts Tod verantwortungsbewußt weiterführte (seit 1952 mit L. H. Heydenreich).

Parallel dazu darf seine hauptamtliche Tätigkeit 1930-45 als Direktor der preußischen, 1946-53 der bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser und Gärten nicht vergessen werden. Eine späte Würdigung seiner Verdienste um die Kunstwissenschaft als Forscher und Lehrer bringt die Gedenkschrift Ernst Gall, herausgegeben von Margarethe Kühl und Louis Grodecki, München-Berlin 1965, die mit einem Geleitwort von Hans Kaufmann ein vollständiges Schriftenverzeichnis enthält und in der großen Zahl von verschiedenartigen Beiträgen ein eindrucksvolles Zeugnis von der Ausstrahlungskraft des Gelehrten ablegt.

Bild: Wikipedia

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Gall

Christoph Machat