Biographie

Gallus, Jacobus

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Komponist, Kapellmeister, Kantor
* 31. Juli 1550 in Reifnitz/Österreich
† 18. Juli 1591 in Prag

Jacobus Gallus, mit deutschem Namen Handl oder auch Händl, besuchte die Schule vermutlich im Zisterzienserkloster Sittich oder in seinem Heimatort Reifnitz. Anschließend könnte er in Triest oder Fiume eine weitere Ausbildung erhalten haben, ehe er zwischen 1564 und 1566 in die Kantorei der Benediktinerabtei Melk aufgenommen wurde. 1574 ist er als Mitglied der Wiener Hofkapelle belegt, wohin er möglicherweise bereits 1568 gekommen war. Leiter der Hofkapelle war einer der bedeutendsten Komponisten dieser Zeit, Philipp de Monte, mit dem er auch später, als er Kapellmeister in Prag war, Kontakt gehabt haben dürfte. 1575 verließ Gallus Wien. Die folgenden Jahre verbrachte er auf Reisen in Österreich, Böhmen, Mähren und Schlesien. Dabei kam er unter anderem nach Melk, Zwettl, Olmütz, Kremsier, Prag, Görlitz. Längere Zeit scheint er sich in Breslau aufgehalten zu haben, da gerade in dieser Stadt eine Reihe von Werken Handls in Handschriften überliefert ist. Der spätere Bischof von Breslau Andreas Jerin dürfte ihn hier besonders gefördert haben. Bevor er 1579 oder 1580 als Kapellmeiser nach Olmütz ging, lebte er vermutlich einige Zeit im Prämonstratenserkloster Zábrdovice, wo er als Lehrer oder auch hier schon als Kapellmeister gewirkt haben mag. Anläßlich der Wahl Stanislaus Pawlowskys zum Bischof von Olmütz im Jahr 1579 schuf er eine siebenstimmige Hymne auf den Bischof, die seine erste gedruckte Komposition werden sollte. Auch seine vier Bücher mit Vertonungen des Meßordinariums wurden zu Anfang seiner Olmützer Zeit (1580) in der Offizin von Georg Nigrin in Prag verlegt. (Handls Bruder Georg, der wahrscheinlich bei Nigrin als Drucker angestellt war, dürfte die Verbindung hergestellt haben.) Am Juli 1585 gab Gallus sein Kapellmeisteramt auf, das er dem Entlassungszeugnis zufolge zur höchsten Zufriedenheit des Bischofs ausgeübt hatte. Er ging nach Prag an die Kirche St. Johann am Ufer, wo er spätestens ab Mitte 1586 Kantor wurde. Für den Wechsel seiner Stellung werden einerseits gesundheitliche Gründe angegeben, anderseits konnte er dort die Drucklegung seines vierbändigenOpus musicum (Motetten zum Meßproprium) besser überwachen, das wohl in der Olmützer Zeit entstanden war und 1586 bis 1591 erschien. Des weiteren veröffentlichte er in den Jahren 1589 und 1590 drei Bände mit lateinischen Madrigalen, die sein Bruder Georg nach seinem Tod im Jahr 1596 durch einen vierten Band ergänzte. Am 18. Juli 1591starb Jacobus Gallus.

Das Werk Handls (374 Kompositionen sind nachweisbar), im Geist der Gegenreformation verwurzelt, erstreckt sich in erster Linie auf liturgische Musik: Messen, Motetten für das Meßproprium, außerdem Lamentationen des Jeremias sowie drei Passionen hat er hinterlassen. Weltliche Texte sind nur in den lateinischen Madrigalen vertont. An meist komplizierten, kompositionstechnisch auf höchstem Niveau stehenden Werken sind alle wesentlichen stilistischen Tendenzen einer Zeit zu beobachten: Von niederländischer Durchimitation geprägt sind insbesondere seine geringstimmigen Motetten, bei größerer Stimmenzahl bedient er sich venezianischer Stilelemente, etwa der an San Marco gepflegten Mehrchörigkeit. Seine Messen sind ausnahmsloos nach dem Parodieverfahren erstellt, es liegen ihnen also präexistente Kompositionen zugrunde, aus denen durch Bearbeitung neue Werke entstehen, wobei die Vorlage nicht selten kaum noch zu erkennen ist. Dagegen ist das Prinzip der Bindung an einen cantus firmus als Kompositionsgrundlage – etwa an eine einstimmige gregorianische Melodie zu dem Text, der mehrstimmig vertont wird –, das früher und teils noch in der Zeit unseres Komponisten eine große Rolle gespielt hatte, bei Gallus nahezu überwunden. Gerühmt wird seine Harmonik: reiche Chromatik steht ihm zu Gebote, ebenso klangliche Möglichkeiten, die der in seiner Zeit noch nicht ausgeprägten Dur-Moll-Tonalität vorgreifen.

Am Ende einer musikgeschichtlichen Epoche finden sich stets Meister, denen alle wesentlichen stilistischen Möglichkeiten ihrer Zeit zur Verfügung stehen und die deshalb in der Lage sind, eine Summe aus mehreren Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten Kompositionsgeschichte zu ziehen und damit ihre Epoche abzuschließen. Im Zeitalter der Niederländischen Vokalpolyphonie zählt Jacobus Gallus zu jener Gruppe führender Komponisten.

Werke: Selectiores quaedam missae, Prag 1580 (Neuedition in: Denkmäler der Tonkunst in Österreich 78/1935, 94-95/1959, 117/1967, 119/1969). – Opus musicum, Prag 1586-1591 (Neuedition in: Denkmäler der Tonkunst in Österreich 12/1899, 24/1905, 30/1908, 40/1913,48/1917, 51-52/1919). – Harmoniae morales, Prag 1589-1590 (Neuedition von Dragotin Cvetko, Laibach 1966). – M oralia, Prag 1596 (Neuedition von Dragotin Cvetko, Laibach 1968).

Lit.: Dragotin Cvetko: Jacobus Gallus: Sein Leben und Werk. München 1972.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Jacobus_Gallus

Hörbeispiel: In adventu domini nostri Jesu Christi – Venite ascendamus a 8 https://www.youtube.com/watch?v=erXhcAfomJM

Bernhold Schmid