Biographie

Garbe, Richard von

Herkunft: Pommern
Beruf: Sanskritist
* 9. März 1857 in Bredow/Stettin
† 22. September 1927 in Tübingen

Richard von Garbe (geadelt 1909) war ein Spezialist für indische Philosophie, insbesondere das Samkhya und den Yoga, zwei der sechs traditionellen hinduistischen Philosophierichtungen, die sich zueinander wie der eher theoretische und der eher praktische Aspekt desselben rationalistischen Denksystems verhalten.

Garbe wurde am 9. März 1857 in Bredow bei Stettin geboren. Schon 1873 begann er in Tübingen ein Mathematikstudium, wandte sich aber bald der Indologie zu. 1876 wurde der Neunzehnjährige mit zwei Arbeiten zur indischen Grammatik und zum Atharvaveda (einem der vier Veden, der im 2. Jahrtausend v. Chr. wurzelnden ältesten indischen Texte) promoviert. Nach einem London-Aufenthalt mit weiteren vedischen Studien habilitierte er sich 1878 in Königsberg und wurde dort – mit 23 Jahren! – 1880 zum außerordentlichen Professor für Vergleichende Sprachwissenschaft ernannt. Ab 1885 verbrachte er eineinhalb Jahre in Indien und Ceylon und legte 1889 den ReiseberichtIndische Reiseskizzenvor, der eine eher pessimistische Sicht des Landes vermittelt, vermutlich auch aufgrund der schweren Malaria-Erkrankung, die sich Garbe in Indien zugezogen hatte. 1894 wurde Richard Garbe ordentlicher Professor in Königsberg, 1895 erhielt er einen Ruf nach Tübingen. Er starb 1927 kurz nach seiner Emeritierung in Tübingen.

Garbe edierte und übersetzte zwei umfangreiche altindische Ritualtexte: das Vaitana-Srautasutra(1878)und das Apastamba-Srautasutrain drei Bänden (1882-1902). Danach begann er, sich mit der indischen Samkhya-Philosophie (seit ca. 4. Jh. n. Chr.) zu beschäftigen, edierte und übersetzte ab 1892 etliche Samkhya-Quellentexte und verfasste die bahnbrechenden UntersuchungenDie Samkhya-Philosophie(1892) und Samkhya und Yoga (1896), in denen er neue Ergebnisse zur Datierung und relativen Chronologie der Samkhya-Texte vorlegte.Seine vielzitierten Beiträge zur indischen Kulturgeschichte(1903) fassen seine Forschungen zur indischen Philosophie, zur Witwenverbrennung, dem indischen Fakirtum und den Ritualmorden der späthinduistischen Thug-Sekte zusammen. 1905 erschien seine deutsche Übersetzung der Bhagavadgita (Gesang des Erhabenen), des wichtigsten Hindu-Textes. Darin stellt er die These auf, dass die Bhagavadgita in mehreren Phasen entstanden sei, es also einen Urtext und spätere Beifügungen gebe. Dies ist nicht unumstritten geblieben, hat jedoch durch eine lebhafte wissenschaftliche Diskussion die Bhagavadgita-Forschung sehr vorangebracht.

Garbes letztes größeres Werk war Indien und das Christentum,in dem er indische Einflüsse auf das Christentum und christliche Einflüsse auf indische Religionen diskutiert. Er weist u. a. die These zurück, die hinduistische Bhakti-Religiosität und der Mahayana-Buddhismus seien unter christlichem Einfluss entstanden. Ferner bezweifelt er die Historizität des Apostels Thomas als Begründer der Gemeinde der sog. Thomaschristen an der indischen Westküste.

Die internationale Bedeutung Richard von Garbes können wir an mehreren englischen Übersetzungen seiner Werke ablesen. Mit seinen akribischen Textausgaben und Forschungen zur altindischen Ritualliteratur und vor allem zur Samkhya-Philosophie gehört Richard von Garbe zu jenen Forschern, die den weltweiten Ruf der deutschen Indologie mitbegründet haben, von dem das Fach bis heute zehrt.

Werke: Das Accentuationssystem des altindischen Nominalkompositums, Tübingen 1876. – Atharvaveda-Anukramanika, Tübingen, 1876. – Indische Reiseskizzen, München 1889, Nachdr. 1925. – Vaitana-Srautasutra, London-Straßburg 1878. – Die indischen Mineralien, Leipzig 1882. – Apastamba-Srautasutra, 3 Bde., Calcutta 1882, 1888, 1902 (engl. Ausg. Delhi 1983). – Vacaspatimishras Samkhyatattvakaumudi, München 1892. – Die Samkhya-Philosophie: Eine Darstellung des indischen Rationalismus nach den Quellen, Leipzig 1892, Nachdr. 1917. – Samkhya und Yoga, Straßburg 1896. – Atharvaveda: Paippalada Recension, hrsg. im Faksimile mit Maurice Bloomfield, 3 Bde., Baltimore 1901. – Beiträge zur indischen Kulturgeschichte, Berlin 1903. – Die Bhagavadgita aus dem Sanskrit übersetzt, mit einer Einleitung über ihre ursprüngliche Gestalt, ihre Lehren und ihr Alter, Leipzig 1905. – Indien und das Christentum, Tübingen 1914 (engl. Übers. La Salle, 1959).

Lit.: Valentina Stache-Rosen, in: German Indologists: Biographies of Scholars in Indien Studies writing in German, New Delhi: Max Mueller Bhavan, 1981, 141-143. – Helmut Hoffmann, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 6, München 1964, Nachdr. 1971, S. 69.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_von_Garbe

 Adelheid Herrmann-Pfandt