Biographie

Gause, Fritz

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Historiker
* 4. August 1893 in Königsberg i.Pr.
† 24. Dezember 1973 in Essen

August Gause (1864-1942), der Vater des Stadthistorikers und Archivars Fritz Gause, war Mitarbeiter des bekannten Oberbürgermeisters Siegfried Körte (1861-1919), des Vorgängers von Hans Lohmeyer (1881-1968). Die Familie wohnte von 1905 bis 1945 in Kalthof hinter dem Königstor im Osten von Königsberg. Gause war Schüler des bekannten Friedrichskollegs, auf dem auch Immanuel Kant zur Schule gegangen war. Er studierte Deutsch, Geschichte und Geographie und war im Ersten Weltkrieg Soldat bei der Feldartillerie. 1921 promovierte er zum Dr. phil. mit einer Arbeit über Die Landgerichte des Ordenslandes Preußen. Anschließend war Gause sein Leben lang Lehrer, immer an Mädchenschulen, in Königsberg am Goethe-Oberlyzeum.

1938 wurde Gause für kurze Zeit Leiter des Königsberger Stadtarchivs und des stadtgeschichtlichen Museums mit dem Kant-Museum. Diese Zeit war wichtig für ihn, und es war eine glückliche Zeit. Aber bereits wenig später wurde er wieder Soldat bis 1945, wurde siebenmal verwundet und geriet in polnische Gefangenschaft, aus der er 1947 entlassen wurde. Da lagen Königsberg, sein Stadtarchiv und die Königsberger Museen längst unwiederbringlich in Trümmern, und die Stadt war von den Eroberern mit dem Namen Kaliningrad belegt worden.

Von 1948 bis 1958 war Gause bis zu seiner Pensionierung Studienrat in Essen. Danach widmete er seine letzten fünfzehn Lebensjahre der wissenschaftlichen Arbeit und der Stadtgemeinschaft Königsberg, deren Vorsitzender er entscheidende Jahre von 1967 bis 1973 gewesen ist. Er ist der Vater des Hauses Königsberg in der Mülheimer Straße, das von 1968 bis 1992 Bestand hatte und danach als Museum Stadt Königsberg noch bis 2016 im Stadthistorischen Museum in Duisburg seinen Platz hatte.

Fritz Gause war Mitglied der Historischen Kommission für Ost- und Westpreußen und wurde 1969 in Nordrhein-West­falen zum Professor ernannt. Zu seinem 75. Geburtstag widmete ihm das Jahrbuch der Albertus-Universität zu Königsberg/ Pr. eine umfangreiche, von Kurt Forstreuter herausgegebene Festschrift Acta Prussica. Abhandlungen zur Geschichte Ost- und Westpreußens. Dort findet sich auch eine, von Paul Buhl erarbeitete Bibliographie der Werke von Fritz Gause.

Schon 1931 hatte Gause bei Gräfe & Unzer in Königsberg eine informative Publikation über Die Russen in Ostpreußen vorgelegt. 1952 folgte seine bedeutsame historische Analyse Deutsch-Sla­wische Schicksalsgemeinschaft. Abriß einer Geschichte Ostdeutschlands und seiner Nachbarländer. Es zeichnet Gauses wissenschaftliche Haltung in seiner kenntnisreichen Arbeit aus, dass er die Einheit des Abendlandes und die Geschichte des deutsch-westslawisch-baltischen Raumes in ihrem Verhältnis zu den verschiedenen russischen Reichen historisch sachlich und unpolemisch sieben Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg zu beschreiben in der Lage war.

1965 erschien der „kleine“ Gause Königsberg in Preußen. Die Geschichte einer europäischen Stadt in einem Band, und von 1965 bis 1971 der „große“ Gause, die dreibändige Geschichte der Stadt Königsberg in Preußen, die 1996 mit einem Vorwort des in Marienburg geborenen Historikers Hartmut Boockmann (1934-1998) neu aufgelegt wurde. Der erste Band umfasst die Zeit Von der Gründung der Stadt bis zum letzten Kurfürsten (1255-1701), der zweite beschreibt die Zeit Von der Königskrönung bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges (1701-1914), der abschließende dritte Band schildert die Zeit Vom Ersten Weltkrieg bis zum Untergang Königsbergs (1914-1945). Er schließt mit dem bis heute gültigen Satz, bezogen auf die Evakuierung der letzten Königsberger 1948/49: „Die siebenhundertjährige Geschichte Königsbergs nahmen die Ausreisenden mit in ihr Vaterland. Was sie hinter sich ließen, war Kaliningrad.“

Diese Werke, erarbeitet mit großem Fleiß und ohne Zugang zu den im Untergang Königsbergs verloren gegangenen Quellen, nötigen der Nachwelt allen Respekt und höchste Bewunderung ab. Boockmann schreibt in seinem Vorwort zur Neuauflage: „Viele deutsche Städte haben eine so ausführliche Darstellung ihrer Geschichte, wie Gause sie für Königsberg vorgelegt hat, nicht aufzuweisen. Die Geschichte seiner Heimatstadt ist das Werk seiner Ruhestands-Jahre. 1973, zwei Jahre nach Erscheinen des dritten und ein Jahr nach der Neuauflage des ersten Bandes, ist Gause gestorben.“

In dem von Wilhelm Matull (1903-1985) herausgegebenen Buch Große Deutsche aus Ostpreußen, in dem 28 Lebensläufe nachgezeichnet werden, hat Fritz Gause die Beiträge zu Immanuel Kant und über den Vater der Preußischen Reformen und Mitarbeiter des Freiherrn vom und zum Stein (1757-1831), Johann Gottfried Frey (1762-1831) geschrieben. Gause hat auch deswegen über Frey geschrieben, weil er ihn aus dem Schatten des großen Freiherrn befreien wollte. „Diese Einengung wird der Bedeutung des Mannes und der Leistung seines Lebens nicht gerecht“, schreibt er. Frey lag die Volksbildung am Herzen, weil „Bildung nicht nur Einsichten vermittle, sondern auch innerlich frei und moralisch besser mache“; das war ganz im Sinne des Pädagogen Gause, ebenso der Satz, mit dem Frey seinen Entwurf für die Städteordnung eingeleitet hatte: „Zutrauen veredelt den Menschen, ewige Vormundschaft hemmt sein Reifen.“ Dieser Geist stand dem der damaligen napoleonischen Herrschaft in Europa diametral entgegen.

Besonders geliebt hat Fritz Gause seinen 1971 erschienenen Bildband Königsberg – so wie es war. Ein sehr schönes Buch mit vielen alten Schwarz-Weiß-Fotos. „Königsberg im Preußenland, wer dich einmal gekannt, kann dir niemals untreu werden. Dieses Motto stellt Gause seinem Bildband voran und schreibt dazu: „In Königsbergs dunkelster Zeit, im Frühjahr 1945, entstanden diese schlichten Reime, auswendig gelernt und mündlich weitergegeben, von den am Rande des Todes lebenden Menschen.“ In nüchternen Worten beschreibt Gause anhand der Fotos die Geschichte seiner Stadt. Das letzte Bild zeigt das Haus Königsberg in der Duisburger Mülheimer Straße 39. Zu ihm sagt Gause: „Es soll nicht ein nobler Sarg mit Erinnerungen sein, sondern ein Fruchtboden für eine bessere Zukunft.“ Zumindest im Hinblick auf die museale Bewahrung und Vervollkommnung von Geschichte und Kultur der europäischen Stadt Königsberg hat sich Gauses Wort in Duisburg und zukünftig auch für Lüneburg, wo das Museum Stadt Königsberg im Ostpreußischen Landesmuseum eine bleibende Heimstatt gefunden hat, erfüllt.

Der begnadete Pädagoge und Geschichtslehrer ist spürbar, wenn man Gauses Buch Kant und Königsberg liest, das er als ein Buch der Erinnerung an Kants Geburtstag am 22. April 1974 geschrieben hat, den er persönlich nicht mehr erleben sollte. Das Büchlein, versehen mit einigen Aussprüchen Kants, einer Bibliographie und Schwarz-Weiß-Fotos, beschreibt einen Rundgang durch die Königsberger Welt Immanuel Kants, seine Familie, seine Schule, das Friedrichskollegium, die Universität und Kants Schüler. Aufschlussreiche Kapitel sind den Naturwissenschaften, der Pädagogik, den Künsten und der Politik gewidmet. Es folgt das Verhältnis Kants zum Adel, zu den Juden und zur Kaufmannschaft in Königsberg.

Ein schönes Kapitel widmet Gause Kants speziellen Freundschaften zu Johann Georg Hamann (1730-1788), dem philosophischen Gegenspieler von Kant, den er gleichwohl gern an seinem Mittagstische sah, dem Stadtpräsidenten und Schriftsteller Theodor Gottlieb von Hippel (1741-1796) und seinem langjährigen Begleiter an der häuslichen Tafelrunde Johann Georg Scheffner (1736-1820). Auch mit Kants Verlegern befasst sich Gause. Am Ende widmet er sich Kants Wohnungen und seinem Haushalt, seinen Nachfolgern und dem Urteil seiner Zeitgenossen. Schließlich beschreibt er Kants Grabstätte, verschiedene Kantbüsten und Bildnisse und die Gesellschaft der Freunde Kants. Für diejenigen, die in der Kant-Dekade 2014-2024 mit Blick auf Kants 300. Geburtstag eine Aufforderung sehen, sich mit Leben und Werk dieses Weltweisen zu beschäftigen, ist dieses Kant-Buch ein schönes Vermächtnis des Königsberger Stadthistorikers Fritz Gause.

Im Sommer 1973 konnte Fritz Gause noch hochgeehrt und allseits beliebt seinen 80. Geburtstag feiern. Wenige Monate später ist er am Heiligen Abend verstorben. Auf dem Parkfriedhof in Essen liegt er begraben.

Werke: Deutsch-Slawische Schicksalsgemeinschaft. Abriss einer Geschichte Ostdeutschlands und seiner Nachbarländer, Würzburg 1952, 3. Auflage 1967. – Geschichte der Stadt Königsberg in Preußen, 3 Bände, Köln/ Graz bzw. Köln/ Wien 1965-1971. Zweite ergänzte Auflage Köln/ Weimar/ Wien 1996. – Königsberg in Preußen. Die Geschichte einer europäischen Stadt, München 1968. – Königsberg, so wie es war. Ein Bildband, Düsseldorf o.J. – Kant und Königsberg. Ein Buch der Erinnerung an Kants 250. Geburtstag am 22. April 1974, Leer 1974.

Bild: Leksykon Kultury Warmii i Mazur.