Biographie

Gersdorff, Friedrich August

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Herkunft: Westpreußen
Beruf: Baumeister
* 29. September 1787 in Marienburg/Westpr.
† 6. April 1850 in Marienburg/Westpr.

Die reich verzweigte Familie von Gersdorff zählt zum Oberlausitzer Uradel. Der im Raum Marienburg-Danzig ansässige westpreußische Zweig war in mehreren Generationen Baumeister, so Vater, Sohn und Enkel von Friedrich August Gersdorff. Der Vater, ebenfalls Friedrich August mit Namen, war Deich- und Bau-Inspektor in Marienburg. Er nahm als königlich preußischer Major an den Befreiungskriegen gegen Napoleon teil und starb an den Folgen einer schweren Verwundung am 31. Oktober 1813. Friedrich August übernahm als illegitimer Sohn zwar den Namen des Vaters, nicht aber das Adelsprädikat, das seinem Enkel Karl Robert 1889 neu verliehen wurde.

Friedrich August Gersdorff wählte den Beruf seines Vaters und studierte von 1804 bis 1806 Baukunst an der Kunstschule in Danzig unter Breysig. Dann zog es ihn als jungen Mann, der Abenteuer suchte, zum Militär. Er trat in die Dienste des in Danzig stationierten französischen Generals van der Meid und wurde Sekretär im topographischen Büro. Als der General mit seiner Truppe kurz darauf nach Belgien und 1808 nach Spanien verlegt wurde, begleitete er ihn. Hier erlebte er 1809 die Schlacht bei Consuegra. Nach Meids Gefangennahme im Juli 1809 wurde er Sekretär des Divisionsgenerals Vallence. Von diesem im Stich gelassen, fand er eine Anschlußverwendung im Generalstab des 4. französischen Korps. Hier wurde er als Zeichner, Feldmesser, Architekt und Wegebaumeister beschäftigt. 1811/12 machte er Aufnahmen von der Alhambra in Granada. Nach der Schlacht bei Salamanca (23. Juni 1812) machte er den fluchtartigen Rückzug der Franzosen nach Frankreich mit. Im September ging er zur französischen Armee nach Rußland bis Smolensk. Nach der Schlacht an der Beresina 1813 flüchtete er nach Danzig, wo er verblieb und die Unstetigkeit seines Lebens beendete.

Als die Stadt 1814 wieder preußisch wurde, trat er sofort in preußische Dienste. Nun wurde er als Feldmesser und Conducteur beim Hafenbau in Neufahrwasser beschäftigt. Am 10. Juli 1819 erhielt er als Bauconducteur die örtliche Bauleitung der Wiederherstellung der Marienburg, bis 1825 unter der Oberleitung von Hartmann, übertragen. Diese wichtige und damals neuartige Aufgabe beschäftigte ihn viele Jahre, so daß er sich in derselben zum Spezialisten entwickelte. Für Oberpräsident Theodor von Schön, der die Anregung zur Wiederherstellung der Marienburg gegeben hatte und bis an sein Lebensende 1856 unermüdlicher Förderer, Werber und Sammler von Baugeldern war, mußte Gersdorff nach Maßgabe der verfügbaren Mittel jedes Jahr einen Arbeitsplan aufstellen, der immer nur einige Räume und Bauteile umfaßte. Gersdorff fertigte die Entwürfe und veranschlagte für Schön die Kosten der einzelnen Bauabschnitte.

Gersdorff machte Versuche hinsichtlich der Farbtönung benötigter bestimmter Bausteine. Außerdem entdeckte er nach längeren Laboratoriumsversuchen die Kunst wieder, farbige Gläser zu brennen, was damals großes Aufsehen erregte. 1821 richtete er in Berlin einen Brennofen ein, worauf unter Schinkels Leitung die Herstellung der Glasgemälde für den Sommerremter der Marienburg begann.

Gersdorff hatte bis Ende 1823 die hauptamtliche Bauleitung am Schloß inne. Dann reichten die Mittel nicht mehr aus. Nun erhielt er als Chausseebauconducteur die Bauleitung der Staatschaussee Berlin-Königsberg im Kreis Marienburg. 1831 wurde er als Wegebaumeister etatmäßig angestellt und 1834 zugleich zum Deich- und Wasserbauinspektor ernannt. So hatte Gersdorff eine Doppelstellung sowohl im Hoch- als auch im Strombau in seinem Bezirk wahrzunehmen. Auch die Doppeltätigkeit als Architekt und Ingenieur war damals allgemein üblich. Mithin hatte Gersdorff mehrfach eine doppelte Belastung zu tragen. Eine Trennung nach Fachrichtungen war nämlich in der Staatsverwaltung damals noch nicht vorhanden. In all diesen Funktionen war die Marienburg Gersdorffs dienstlicher Wohnsitz. So konnte er die Arbeiten am Schloß weiterhin nebenamtlich leiten und erwarb hierbei das besondere Vertrauen Schöns.

Eine wissenschaftliche Archäologie der deutschen Kunst war damals noch nicht möglich. Um die Erforschung der Ordensbaukunst bemühten sich jedoch der Königsberger Historiker Johannes Voigt und der geschichtsbegeisterte Marienburger Pfarrer Wilhelm Ludwig Haebler, die Gersdorff bei seinen Entwürfen unterstützten. Seine scharfe Beobachtungsgabe hinsichtlich des Befundes führte Gersdorff zumeist auf den richtigen Weg, und dadurch erhielt sein Werk bleibenden Wert.

Am 1. Juli 1843 hatte König Friedrich Wilhelm IV. das Amt des Kurators der Kunstdenkmäler geschaffen und dem Baurat Ferdinand von Quast übertragen. Vom 24. Januar 1844 datiert die Instruktion für den Konservator der Kunstdenkmäler als Grundlage der Denkmalpflege. Noch im selben Jahr bereiste Quast die Provinz Preußen und übte an einigen ausgeführten Bauten in archäologischer Hinsicht Kritik. Die Entwürfe von Gersdorff mußten fortan sowohl Quast als auch dem König vorgelegt werden. Letzter beabsichtigte die Wiederherstellung des gesamten Hochschlosses und nicht nur einzelner Räume und Gebäudeteile, so daß Einzelpläne in das entsprechende Gesamtkonzept passen mußten.

1845 wurde Gersdorff Oberbauinspektor. Sein Fleiß und sein beachtliches vielseitiges Talent stellte er unter anderem mit dem Bau der evangelischen Kirche zu Neukirch im Kreis Marienburg (1838) unter Beweis. Außerdem leitete er die Wiederherstellung der Johanniskirche und des Rathauses zu Marienburg (1844). Auch die Einwölbung des weißen Saales im Rathaus zu Danzig erfolgte nach seinem Entwurf (1841/42). Gersdorffs Tätigkeit als Wasserbauer galt der Nogat und der Montauer Spitze. In der Marienburg war die Wiederherstellung des Hochmeisterpalastes im wesentlichen sein Werk.

Lit.: Altpreußische Biographie S. 210-211. – Gersdorffs Kriegstagebuch 1809-12. – N. Nekrol. d. D. 28, S. 991. – Bernhard Schmidt: Oberpräsident von Schön und die Marienburg. Schriftenreihe der Königsberger Gelehrten Gesellschaft. Geisteswissenschaftliche Klasse. 15./16. Jahr, Heft 4, Halle (Saale) 1940. – Hartmut Boockmann: Die Marienburg in neuerer Zeit. In: Rainer Zacharias (Hrsg.): Neues Marienburger Heimatbuch. Herford 1967, S. 285-293. – Gothaisches Genealogisches Taschenbuch für Briefadlige Häuser. 1917, S. 267.

 Hugo Rasmus