Biographie

Giesche, Georg von

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Fabrikant
* 20. Oktober 1653 in Schmortsch/Kr. Breslau
† 26. April 1716 in Breslau

Der als Sohn eines schlesischen Erbsassen geborene Georg Giesche, zunächst als Kaufmannsdiener und „ehrbarer Handlungsbedienter“ tätig, wurde 1680 in Breslau „ehrenfester Bürger und Handelsmann“. Auf dem Breslauer Ring erwarb er eine der 40 Kaufkammern, deren Besitz an das Recht des Gewandschnitts und des Tuchhandels gebunden war. 1686 und 1695 konnte er jeweils zwei weitere Kaufkammern erwerben. Damit zählte er zu den gut situierten Breslauer Kaufleuten. Zudem betrieb er in Ober- und Niederschlesien Geldgeschäfte aller Art. Es ist zu vermuten, daß er durch seine Geschäftreisen in Oberschlesien von den dortigen Galmeivorkommen erfuhr. Seit 1702 gehörte zu den Handelsartikeln auch Galmei, das bald zum Schwerpunkt seiner Geschäftstätigkeit wurde. Am 22. November 1704 erwarb Georg Giesche für sich und seine ehelichen Leibeserben von Kaiser Leopold I. für einen Zeitraum von 20 Jahren das ausschließliche Recht des Bergbaus auf Galmei und des Handels damit für ganz Schlesien. Ausgestattet mit diesem Privileg begann er eine Betriebsorganisation aufzubauen. Außerdem verbesserte und erweiterte er die Galmeianlagen in Scharley, Bobrek, Miechowitz, Wieschowa und Stollachowitz. In kurzer Zeit gelang es ihm, sich ein Geschäftsfeld zu erschließen, das ihm und seinen Nachfolgern große Gewinne einbrachte. Über diesen persönlichen Erfolg hinaus kommt ihm das Verdienst zu, den ersten und entscheidenden Anstoß zur Entstehung der oberschlesischen Zinkindustrie gegeben und damit Pionierarbeit auf dem Gebiet der Zinkverarbeitung geleistet zu haben. Seine Umsicht und Tüchtigkeit, vor allem aber sein Erfolg, trugen ihm das Wohlwollen des kaiserlichen Hofes in Wien ein, zumal er es auch verstand, seine Gewinne zur Unterstützung und zum Ausbau sonstiger Wirtschaftsunternehmen, so der Wollmanufaktur in Linz, einzusetzen und Geldverleihungen zu tätigen. Dadurch wuchs er in die Rolle eines Arbeitgebers sowie eines Förderers der Landesentwicklung. In Anerkennung seiner Verdienste wurde er am 29. April 1712 „wegen Errichtung von Landesfabriken und Manufakturen“ in den erblichen Ritterstand erhoben. Doch waren es nicht allein seine Verdienste im Wirtschafts- und Finanzbereich, die ihm die Gunst und Anerkennung des Wiener Hofs eintrugen, sondern auch die Tatsache, daß er „unseren kaiserlichen Regimentern zu mehrmalen Vorschuß getan“ und seine Söhne für den Militärdienst zur Verfügung gestellt hatte.

Als Georg von Giesche, der schon seit 1708 gekränkelt hatte, am 26.4.1716 im Alter von 62 Jahren verstarb, war das Galmeigeschäft zur tragenden Säule der Familie geworden. Der erreichte Wohlstand dokumentierte sich nicht zuletzt in ihrem prächtigen Wohn- und Geschäftshaus am Ring 20 in Breslau. Immerhin handelte es sich in ihm um das gleiche Haus, von dem aus die Fugger im 16. Jahrhundert über ca. ein halbes Jahrhundert hinweg ihren ausgedehnten Kupferhandel getätigt hatten.

Georg von Giesche ist anläßlich des 200jährigen Bestehens der Bergwerksgesellschaft Georg von Giesche’s Erben im Jahre 1904 durch den Historiker Konrad Wutke zutreffend eine Persönlichkeit genannt worden, deren „Scharfblick es beschieden sein sollte, die Galmeigewinnung und dessen Ausführung aus Schlesien aus den überaus bescheidenen Anfängen zu einem großen Unternehmen zu gestalten, dessen Lebensfähigkeit unter Anpassung an die Zeitverhältnisse mit rechtzeitiger Erschließung neuer ertragreicher bergbaulicher Unternehmungen nach zweihundertjähriger Dauer sich auch heute noch bestätigt.“ Erst der Erste, vor allem aber der Zweite Weltkrieg sollten für die Bergwerksgesellschaft von Giesche das Ende in ihrer ursprünglichen Form einleiten.

Lit.: K. Wutke/F. Bernhardi/H. Wendt: Geschichte der Bergwerksgesellschaft Georg von Giesche’s Erben, 4 Bde, 1904 (Bd. 1: S. 1-28: Georg v. Giesche und seine Familie). – Allgemeine Deutsche Biographie 49 (1904), S. 340-341. – J. Kania: Das historische Dreigestirn am Werdehimmel der Großindustrie Oberschlesiens: Georg v. Giesche, Karl Godulla, Franz v. Winckler, in: Schlesischer Musenalmanach 6 (1920), S. 179-194. – O. Eisentraut: Die geschichtliche Entwicklung der Bergwerksgesellschaft Georg v. Giesche’s Erben, in: Heimatbuch des oberschlesischen Industriegebietes 2 (1938), S. 86-88. – Bergwerksgesellschaft Georg v. Giesche’s Erben, ebd. 3 (1939), S. 60-61. – K. Repetzki: Bergwerksgesellschaft Georg v. Giesche’s Erben (= Geschichte der oberschlesischen Montanindustrie 6), in: Gleiwitzer und Beuthener Heimatblatt 2 (1952), S. 18-19. – A. Perlick: Oberschlesische Berg- und Hüttenleute. Lebensbilder aus dem oberschlesischen Industrierevier, Kitzingen/Main 1953, S. 73f. und S. 245. – Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 376f. – W. Treue: Georg von Giesche’s Erben, Hamburg 1964. – A. Perlick: Georg v. Giesche, in: Schlesische Lebensbilder, Bd. 5 (1968), S. 72-76. – Giesche, Georg von, in: W. Killy/R. Vierhaus (Hrsg.): Deutsche Biographische Enzyklopädie, Bd. 4 (2001), S. 1.

Konrad Fuchs