Biographie

Gloger, Georg

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Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Dichter
* 1. Januar 1603 in Habelschwerdt/Grafschaft Glatz
† 17. Oktober 1631 in Leipzig

Daß es im 17. Jahrhundert viele protestantische Schlesier an die Universität zu Leipzig zog, verwundert aufgrund der im Nebenland der Habsburger Krone betriebenen Konfessions- und Bildungspolitik kaum und auch im Fall Georg Glogers nicht.

Gloger stammte aus der für die schlesische Politik- und Kulturgeschichte bedeutenden Grafschaft Glatz, aus Habelschwerdt. Eine Sonderstellung nahm diese Grafschaft insofern ein, als sie in geographischer und politischer Nähe zu Böhmen lag und mit dessen Schicksal während der Habsburger Herrschaftsjahre eng verbunden blieb. Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges schlug sich ein Großteil Schlesiens auf die Seite des calvinistisch gesinnten böhmischen Königs Friedrich V. von der Pfalz. Nach seiner Niederlage am Weißen Berg 1620 wurde sich das Land seiner desolaten Situation schnell bewußt und konnte vor allem dank der Vermittlung des sächsischen Kurfürsten Johann Georg im „Dresdner Akkord“ 1621 das grausame Strafgericht, das Böhmen drohte, abwenden. Die Grafschaft Glatz dagegen kapitulierte erst im Oktober 1622 nach völliger Zerstörung und bekam die ganze Härte der Vergeltungsmaßnahmen zu spüren. Alle Privilegien lagen nun bei den Katholiken. Gegen die protestantischen Aufständischen wurde eine umfassende Anklageschrift erhoben; vielen blieb nur noch die Auswanderung oder die Flucht aus Schlesien.

Diese historischen Ereignisse prägten die Kindheit und Jugend des früh verwaisten Georg Gloger, der unter bescheidenen finanziellen Verhältnissen sein Leben fristete. Als Gloger sich nach seiner Schulausbildung, die er vermutlich am Breslauer Elisabeth-Gymnasium erhielt, im Sommersemester 1625 an der Universität Leipzig für das Medizinstudium einschrieb, muß ihm die sächsische Universitätsstadt wie ein Exil vorgekommen sein. Zum ersten war in Schlesien die Gründung einer protestantischen Universität unmöglich geworden; zum zweiten beherrschte seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert die lutherische Orthodoxie das geistige Leben Leipzigs; zum dritten zählte Leipzig zu den „Armenuniversitäten“.

In Leipzig stand Gloger einem Dichterkreis schlesischer Studenten voran. Daß dieser Kreis als eine bedeutende barocke Dichtersozietät in die Literaturgeschichte einging, war vor allem einem der Mitglieder, Paul Fleming, zu verdanken, den Gloger dichterisch zu inspirieren verstand. In diesem „Leipziger Dichterkreis“, der sich an der Ersten Schlesischen Dichterschule orientierte, entstand eine bis heute ansprechende Dichtung: Es waren meist Gelegenheitsgedichte auf die unterschiedlichsten Ereignisse des städtischen und universitären Lebens. Gedichtet wurde allerdings nicht mehr nur nach humanistischem Usus auf Lateinisch, sondern zunehmend auch in deutscher Sprache. Mit dieser Forderung, die Martin Opitz in seinem bekannten poetischen Reformwerk stellte, reflektiert sich ein für die Literaturgeschichte der Frühen Neuzeit markanter Prozeß: Parallel zur lateinischsprachigen Dichtung begannen die Poeten, ihre Werke auf Deutsch zu verfassen. Als sich Opitz in Leipzig aufhielt, schloß Fleming – durch Glogers Vermittlung – mit Opitz Bekanntschaft; beide Dichter gelten als Anhänger der opitzschen Poetologie. Auf der Grundlage dieser Regeln verfaßte Gloger Liebesgedichte, Trauercarmina, Stammbucheinträge, Promotions- und Reise-Glückwunschgedichte – mehr oder weniger engere Freundschaftsbezeugungen, und seine bedeutenden Epigramme auf die Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges: die „DECAS LATINO-GERMANICORUM EPIGRAMMATUM 1631“. Diese deutschen und lateinischen Gedichte legen Zeugnis ab von den historischen Ereignissen des Jahres 1631 in und um Leipzig. Es geht um die Besetzung der Stadt durch den kaiserlichen General Tilly, dessen Flucht, die Befreiung der Stadt durch die Schweden und um die berühmte Schlacht bei Breitenfeld.

Im Epigramm „Auf die Leipzigische Schlacht“ (Lappenberg, 670; VI, 3) wird Tillys Siegeszug und Vernichtungsspur durch Europa komprimiert und auf erschütternde Weise dargestellt. Schicksalhaft setzt dann aber das unscheinbare sächsische Leipzig diesem für alle Beteiligten unermeßlichen europäischen Blutvergießen das sehnsüchtig erhoffte Ende. Hier wird eine entscheidende Zäsur im Eingreifen Tillys ins weitere Kriegsgeschehen gesetzt. In Leipzig muß er nun „[…] die Gebühr von seiner Thaten Schande“ (V. 7) bezahlen. Stadt und Umland avancieren allerdings nicht nur zum wichtigen Austragungsort einer entscheidenden Kriegsetappe. Sie werden auch allegorisch-generalisierend zu einer Stätte der Entscheidung stilisiert, die, so die Moral, dem Bösen Niederlage und Tod bringt, dem Guten aber zum Sieg verhilft.

Das Sonett General „Tylli tractierete vmb Leipzigische Ergebung ins Todtengräbers Hause“ (Lappenberg, Beilage VI., 669) setzt Tilly allegorisch in Szene, wie er sich bei nahen Todeszeichen in Leipzig ein Grab bestellt. Als er ahnt, daß Leipzig ihm eine empfindliche Niederlage bringen wird, ergreift er die Flucht, die ihn ebenso in den Untergang führt. Dies geschah am 5. September 1631 und zeigt die ausweglose Lage des bayerischen Feldherrn. Über die Ursache dieses Scheiterns mutmaßt Gloger in den Spottversen „General Tylli drey Tugenden in Laster verkehrt“ (Lappenberg, 673). Die eigentliche Schwäche Tillys bestehe darin, daß er keine moralische Standhaftigkeit beweist und sich Tugenden wie Enthaltsamkeit und Heldenmut ins Gegenteil verkehren. Aber pointiert gesagt: es sei doch eigentlich der Krieg, der einen tugendhaften Helden in einen „Hurer, Trunkenpolt vnd flüchtige[n] Soldat“ (V. 20) verwandelt.

Schließlich gebührt auch dem Schwedenkönig Gustav Adolf eine poetische Würdigung. Hyperbolisch wird der Kriegsherr dem Achill gleichgesetzt, der einst das sagenhafte Troja eroberte und im glänzenden Triumphzug in seiner Heimat Einzug hielt. Im Sonett „Auf das Donnern und den Regenbogen, so sich nach der Schlacht begeben“ (Lappenberg, 671) werden die Schweden gar den Göttern gleichgesetzt, die ihren Siegeszug eben erst angetreten haben. Gleich darauf wird der Sieg jedoch auch als „Wille“ (V. 11) des einen Gottes verstanden, der sich – ähnlich wie in der biblischen Geschichte Hiob – durch das Wetter mitteilt.

Bei allem Lob der Schweden erlebte Gloger kaum, wie sehr auch die schwedischen Landsknechte, die als Besatzer die Kaiserlichen ablösten, in Stadt und Region wüteten. Der Schlesier starb noch im Oktober 1631 an einer in Leipzig grassierenden Epidemie.

Als Tilly im August 1631 vor den Toren Leipzigs stand und viele die Stadt verließen, hatte auch Fleming Gloger zur Flucht überreden wollen. Um jedoch ein drohendes Zerwürfnis mit dem Freund abzuwenden, blieb Fleming schließlich trotz seines großen Unbehagens in Leipzig. Diese stoische Lebensphilosophie, Standhaftigkeit im Unglück zu beweisen, bewunderte Fleming an seinem Freund. Sie kommt v.a. in Glogers Epigramm „Als Leipzig nicht daheime war“ (Lappenberg, 672) zum Ausdruck. Ironisch-kritisch richtet sich Gloger gegen die Flüchtigen, die ihr eitles irdisches Hab und Gut zu retten versuchen. Nicht ihnen ist der Sieg Leipzigs über Tilly zu verdanken, sondern den in der Stadt ausharrenden, meist armen Gläubigen, über die Gott schützend seine Hand legte. Der Reichtum der Stadt läßt sich, so die Pointe, allein an der Armut und dem tiefen Gottvertrauen der Bewohner ermessen.

Im Namenstagsgedicht „Auf Herren Paull Flemings Namenstag, begangen in Leipzig den 29. Juli 1630“ (Lappenberg, 654 f.) dankt Gloger dem Schicksal, das ihm Fleming zur Seite stellt; denn ihm ist die Freundschaft mit Fleming vorbestimmt. Er sieht sich deshalb entschieden veranlaßt, dieses Fest mit einer feierlichen Zeremonie zu begehen, um dem Freund in aller Aufrichtigkeit seine innige Verbundenheit zu bekunden. Zentrales Motiv dieser Freundschaft ist die Treue, verbildlicht durch die beliebte Band-Metaphorik. Denn das Namenstagsgedicht soll ein „Geschenk vnd Anbindbändelein“ (V. 63) sein, das die enge Verbundenheit zwischen Fleming und Gloger symbolisiert. Auch im Gedicht „Auf Herren Paul Flemings Namenstag 1631. Juni 29“ (Lappenberg, 661) überlegt das lyrische Ich, wie er dem Freund seine treue Verbundenheit weiterhin bezeugen kann. Es ist eine nachdrückliche Versicherung, daß Fleming doch bereits sein anderes Ich, sein ewiger Herzverbündeter ist: „Ich bleibe dir verpfändt, du bleibest mir verbunden.“ (V. 12).

Wie keine andere Freundschaft unter den Barockpoeten ist diese zwischen dem Habelschwerdter Gloger und dem Hartensteiner Fleming in die Literaturgeschichte eingegangen, obwohl sie doch kaum länger als zwei Jahre währte: Um 1628/29 schlossen beide in Leipzig ihren Freundschaftsbund, am 16. Oktober 1631 wurde er durch Glogers Tod jäh auseinander gerissen. Zeitlebens dachte Fleming an seinen Freund zurück, schrieb zahlreiche Elogen auf seinen Tod und sammelte seine noch unveröffentlichten Gedichte – darunter u.a. Freundschafts- und Liebesgedichte.

Aber noch heute steht Georg Gloger im Schatten Paul Flemings und der Literaturgeschichte. Gewiß ist sein Werk vor allem quantitativ nicht mit dem seines Freundes vergleichbar. Doch setzte er den unmittelbaren Kriegswirren seine Antwort als Dichter entgegen, indem er eine Dichtersozietät schuf, als dessen wichtigste Gestalt der bis heute bekannte Barockdichter Fleming hervorgegangen ist.

Lit.: Josef Joachim Menzel (Hrsg.): Schlesier des 15. bis 20. Jahrhunderts. Bd. 7, Stuttgart 2001, S. 57-61. – Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 9, S. 241. – J. M. Lappenberg (Hrsg.): Paul Flemings Deutsche Gedichte. Stuttgart 1863 (Reprint Darmstadt 1965). – Walther Killy: Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache. Berlin 1998, S. 64462 f. (Digitale Bibliothek Bd. 9). – Arno Lubos: Geschichte der Literatur Schlesiens. Bd. 1/1: Von den Anfängen bis ca. 1800. Würzburg 1995. – Jörg-Peter Findeisen: Der Dreißigjährige Krieg: eine Epoche in Lebensbildern. Graz 1998.

Sandra Kersten