Biographie

Goeschen, Adolph

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Generalsuperintendent
* 20. Februar 1803 in Königsberg i.Pr.
† 27. März 1898 in Hamburg-Harburg

Väterlicherseits stammte Goeschen aus einer Gelehrten- und Verlegerfamilie, aus der mütterlichen Familie kamen verschiedene Gelehrte und hohe Beamte. Schon 1805 zog er mit seinen Eltern von Königsberg zunächst nach Magdeburg und später nach Berlin, wo er ab Ostern 1812 das Werdersche Gymnasium besuchte und sehr bewußt die Jahre der Befreiungskriege erlebte. Schon früh turnte er bei Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852), bis das Turnen im Zuge der „Demagogenverfolgung“ 1819 verboten wurde, wodurch Goeschen seinen ersten Freundeskreis verlor.

Nach dem Abitur zu Michaelis 1820 begann er in Berlin Theologie zu studieren, war hier Schüler des Theologen Friedrich Schleiermacher (1768-1834) – der ihm schon Konfirmandenunterricht erteilt hatte – und kam mit der verbotenen Deutschen Burschenschaft in Berührung, ohne allerdings Mitglied zu werden. Trotzdem wurde er von der Polizei verhört und erhielt danach Stadtarrest, d.h. er durfte Berlin nicht verlassen. Nach Aufhebung der Strafe verließ er Berlin, da er sein Studium an der Universität Tübingen fortsetzen wollte. So war er bei einer Erneuerung seines Stadtarrests nicht mehr greifbar. In Tübingen studierte er ab Ostern 1822 und ging nach zwei Semestern an die Universität Göttingen, wohin sein Vater inzwischen als Professor der Rechte berufen worden war. Auch in Göttingen hatte Goeschen Kontakt zur Burschenschaft, doch vor möglichen erneuten Verhören erreichte Professor Barthold Georg Niebuhr (1776-1831), Jurist an der Universität Bonn, bei Vater Goeschen, daß Sohn Adolph – entsprechend einer verbreiteten Verwendung älterer Studenten und junger Theologen in jener Zeit – die Stelle eines Hauslehrers seiner Kinder übernahm. In Bonn kam er häufiger mit Universitätslehrern zusammen als im Elternhaus.

Während seiner Hauslehrerzeit reiste Goeschen Michaelis 1824 zur Ablegung des ersten theologischen Examens nach Hannover. Erst Ostern 1825 kehrte er nach Göttingen zurück, um zwei jüngere Geschwister zu unterrichten und nebenher an der Universität Vorlesungen zu hören und in der Universitätskirche zu predigen. Ab Herbst 1826 war er für zwei Jahre Repetent am Theologischen Stift und unterwies jüngere Studenten der Theologie. Im Februar 1827 gründete er in Göttingen zusammen mit anderen eine Missionsgesellschaft, die ihre Tätigkeit aber bald wieder einstellen mußte, da die Behörden sie fälschlich für eine gefährliche pietistische Einrichtung hielten.

Nach dem zweiten Examen in Hannover im Dezember 1828 wurde Goeschen dort am 21. Oktober 1831 ordiniert und als Pfarrer an das Zuchthaus in Celle versetzt, da man annahm, daß seine angeblich pietistischen Ansichten dort wohl am wenigsten Schaden anrichten könnten. Seite Tätigkeit in Celle wurde für seine spätere Arbeit wegweisend. Nachdem der neue, antikonstitutionell gesinnte König Ernst August von Hannover (1771-1851) noch im Jahr seiner Thronbesteigung 1837 das liberale Staatsgrundgesetz von 1833 aufgehoben hatte, wurden die dagegen protestierenden hannoverschen Beamten zum Teil zu Zuchthausstrafen verurteilt. Den in Celle einsitzenden Beamten begegnete Goeschen mit großem Takt. Als die Engländerin Elizabeth Fry (1780-1845), der „Engel der weiblichen Gefangenen“, im Jahre 1840 Deutschland bereiste, besuchte sie auch das Zuchthaus von Celle und hielt dort eine Ansprache. Durch sie wurde Goeschen in seinen Überlegungen zur Inneren Mission bestärkt, „welche nicht nur die Verhältnisse der Gefangenen bessern, sondern auch den Entlassenen Arbeitszuwendung und sittliche Heilung verschaffen wollte.“ (Hannoversches Sonntagsblatt 1898, Nr. 15, S. 130, zitiert nach: Ergänzung zur Familienchronik, S. 22). Goeschen selbst ging mit gutem Beispiel voran: Um diese Zeit nahm er in seine Familie eine zu lebenslanger Zuchthausstrafe wegen Mordes an ihrem Mann verurteilte Frau auf. Sie kam nur unter der Bedingung frei, daß Goeschen sie in seine Familie aufnahm. Diese Frau wurde später immer als „unser guter Engel“ bezeichnet und wirkte bis zu ihrem Tod als „guter Geist“ in der Familie.

Nach einigen Jahren als Pfarrer in Wunstorf bei Hannover (1842-1848) ging Goeschen als Superintendent nach Ilfeld, Kreis Nordhausen (1848-1855), wo es aber für seine Kinder keine Möglichkeit gab, ein Gymnasium zu besuchen. Deshalb war es für sie gut, daß Goeschen im Jahr 1855 schließlich Generalsuperintendent des Fürstentums Lüneburg, Harburg-Dannenbergschen Anteils wurde und damit auch Mitglied der Kirchenregierung des Königreichs Hannover. An seinem neuen Amtssitz in Harburg erlebte er auch den Krieg von 1866, in dessen Folge das Königreich Hannover von Preußen zunächst besetzt und danach annektiert wurde. In seiner Autobiographie erwähnt Goeschen die für Hannover so einschneidende „preußische Okkupation“ aber nur kurz. Von Harburg aus wirkte er viele Jahre sehr erfolgreich und wurde erst 1885 bei einer Neuorganisation der Kirchenbehörden in den Ruhestand versetzt. Danach unterstützte er seinen lange in Harburg als preußischer Landrat wirkenden Sohn Bernhard (1833-1923, am 1. Januar 1900 in den erblichen Adelsstand erhoben) in kirchenrechtlichen Fragen.

Für seine zukunftweisende Tätigkeit beim Aufbau der Inneren Mission und als Generalsuperintendent erhielt Goeschen vom König von Hannover den Guelphen-Orden, später vom preußischen König den Roten Adlerorden 3. Klasse. Sehr bemerkenswert ist auch sein für die damalige Zeit ungewöhnlicher Umgang mit den Strafgefangenen.

Quelle: Familienchronik Goeschen, masch.schriftl., im Besitz von Dr. Andreas G., darin auf den Seiten 130-178 eine Autobiographie von Adolph G. von 1874.

Lit.:Auskunft von Dr. Andreas Goeschen und Dr. Erwin Friz. – Biogr. Jb. u. Dt. Nekrolog 3, 1898, S. 250 (Nachruf von Kohlschmidt); 5, 1900, Totenliste 1898, Sp. 23. – Nachruf in: Allg. evang.-luth. Kirchenztg. 31, 1898, Nr. 14 vom 8.4.1898, Sp. 343. – (Zur Familie:) NDB Bd. 3, 1957, S. 579: Delbrück 6. – Gotha. Gen. Tb. d. Briefadeligen Häuser 1, 1907, S. 216; Gotha. Gen. Tb. d. Adeligen Häuser, Alter Adel u. Briefadel 23, 1931, S. 224-225. – Götz v. Selle, Hg.: Die Matrikel d. Georg-August-Univ. zu Göttingen 1734-1837 (Veröff. d. Hist. Komm. für Hannover…, 9.3), Göttingen 1937, S. 687, Nr. 29916 u. S. 745, Nr. 31987.

Bild: Familienchronik Goeschen.

 

  Klaus Bürger