Biographie

Goltz, Rüdiger Freiherr von der

Herkunft: Pommern
Beruf: Landesdirektor, Politiker
* 17. Juli 1837 in Kreitzig, Kr. Schivelbein/Pommern
† 29. Juni 1910 in Stettin

In Kreitzig, kaum 15 km nördlich der alten Kreisstadt Schivelbein, kam Karl Eduard Joachim Rüdiger Freiherr von der Goltz als einziges Kind des Landrats und Landesdirektors der Neumark Karl Frhr. von der Goltz zur Welt; seine Mutter war eine geborene von Arnim. Wer nun Schivelbeins geographische Lage in der Mitte Pommerns weiß und die Tätigkeit des Vaters als Landesdirektor der Neumark bedenkt, mag sich erinnern, daß der ganze Kreis bis 1816 zu Brandenburg gehörte und erst in einer großen Verwaltungs- und Gebietsreform zum Land Pommern zurückkehrte, das bereits nach Erlöschen des pommerschen Herzogshauses 1637 rechtlich ein Teil Brandenburg/Preußens geworden war.

Der zukünftige Großgrundbesitzer promovierte 1859 in Berlin mit einer juristischen Arbeit „De damno ferino eiusque restitutione“ (Über Wildschaden und Pflicht zur Beseitigung), die er lateinisch öffentlich zu verteidigen hatte. Vom Militär wegen seiner stets schwachen Gesundheit abgelehnt, galt er dennoch als guter Reiter und Schütze. – Auf Auslandsreisen konnte er seine landwirtschaftlichen und Verwaltungskenntnisse vergleichen und erweitern. Dabei gelangte er auch zu politisch liberalen Einsichten, die ihm später nützlich wurden. Hatte er sich schon zu Lebzeiten des Vaters landwirtschaftlich intensiv und fortschrittliche betätigendürfen, so mußte er nach dessen Tod 1865 die Beamtenlaufbahn unterbrechen und den Besitz vollverantwortlich leiten, dazu trat schnell die Nachfolge in der Führung des Kreises. Zielstrebig, aufgeschlossen und weitsichtig, für sich selbst außer ordentlich bedürfnislos, hat er sowohl dem eigenen wie dem öffentlichen Besitz gegenüber treu und sozialdenkend seine Pflicht erfüllt, die körperliche Leistungsgrenze kaum achtend.

Erst 1868, nach dem Tode seiner Frau Marie geb. von Bassewitz die ihm ihn sehr glücklicher, doch nur dreijähriger Ehe 2 Söhne geboren hatte, trat er aus der ihm eigenen Zurückhaltung heraus. Sein wacher Geist und das Gefühl eigener Verpflichtung suchten nun in parlamentarischer Tätigkeit Erfüllung. 1870 wurde er Landtags-, schon 1871 Reichtstags-Abgeordneter und 1898 Mitglied de Herrenhauses. Stand er zunächst im konservativen Lager, so brachten ihn seine liberalen Ansichten zu den Freikonservativen. Er folgte damit als konstitutioneller Monarchist der Weitsicht Bismarcks sowie seinem hochverehrten Kaiser. Wenn auch scharf Kritik und manch sachliche Differenz ihn vom Kanzler entfernte und eine vorgesehene Berufung als Landwirtschaftsminister verhinderten, hat er doch stets positiv und loyal an der Entwicklung des jungen deutschen Staatswesens mitgearbeitet und Bismarcks überlegene Führungsgabe anerkannt.

Die Wahl zum Landesdirektor der Provinz Pommern (1881 bis 1893) nahm er im Pflichtgefühl eigener Verantwortung für die Heimat, doch mit großem Bedenken an, denn es würde nicht ausbleiben, den eigenen Besitz um der größeren Aufgabe willen vernachlässigen zu müssen. – Die sprunghafte Entwicklung und Technisierung im Lande erforderten entsprechende organisatorische Maßnahmen, eine Erweiterung und Anpassung der Verwaltung; er darf als der Schöpfer dieser fortschrittlichen Auffassung in der pommerischen Provinzial-Verwaltung gelten. Als Stichworte mögen hier Feuersozietät, Irrenanstalt in Lauenburg, Hebammenlehranstalt, Sozialversicherung, Eisenbahnbau, allgemeine Elektrifizierung u.a. genannt sein. Auch als Vorsitzender des Provinzialausschusses hat er bis zu seinem Tod trotz mancher trüber Erfahrungen eine Fülle richtungsweisender Anregungen gegeben, die der wirtschaftlichen Entwicklung seiner Heimatprovinz dienten. Unmittelbar nach einer von ihm geleiteten Sitzung am 29.6.1910 traf ihn der Schlag; ein verantwortungsfrohes und arbeitsreiches Leben für König und Vaterland war zu Ende. Er darf zu den führenden Männern Pommerns nach 1870 gezählt werden.

Lit.:Pommersche Lebensbilder, 1. Bd. Stettin 1934: Pommern des 19. und 20. Jahrhunderts. August Stanislaus Graf v. d. Goltz (1725-1795), in: Friedrich Frhr. v. d. Golltz(Bearb.): Nachrichten über die Familie der Grafen und Freiherrn von der Goltz. Straßburg 1885.