Biographie

Gonzenbach, Paul von

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Oberst, Festungsbauer
* 21. Juli 1724 in Leipzig
† 28. Oktober 1799 in Pillau

Viele Leistungen, die das oft bewunderte historische Lebenswerk von König Friedrich dem Großen ausmachen, wurden ermöglicht durch eine Vielzahl von Helfern, die ihm in den verschiedenen Bereichen zur Verfügung standen. Einer dieser Helfer, die nur hin und wieder beiläufig erwähnt werden, ist der aus einer Schweizer Familie stammende Offizier Paul von Gonzenbach, dessen Name mit dem preußischen Festungsbau im 18. Jahrhundert untrennbar verbunden ist.

Die Familie Gonzenbach war Inhaberin der Gerichtsherrschaft Hauptwil in der schweizerischen Landgrafschaft (und dem späteren Kanton) Thurgau. Der Vater betätigte sich als Textilkaufmann und hatte eine vermögende Hugenottin aus Lyon geheiratet. Paul von Gonzenbach wurde als viertes von sechs Kindern geboren. Er erhielt eine gute Grundausbildung, verschmähte aber den Hochschulbesuch und trat 1742 im schlesischen Neiße in den preußischen Militärdienst. 1747 Leutnant geworden, betätigte er sich vornehmlich als Werbeoffizier, konnte sich aber auch auf technischem und organisatorischem Gebiet auszeichnen, so daß er im Siebenjährigen Krieg, als Generalquartiermeister im Kapitänsrang, Adjutant des Generals (und Freundes König Friedrichs) de la Motte Fouqué wurde. Er kämpfte tapfer an dessen Seite, geriet 1760 bei Landeshut in Schlesien verwundet in österreichische Gefangenschaft und kam erst nach dem Friedensschluß 1763 zusammen mit Fouqué wieder frei. König Friedrich übertrug dem zum “Capitain” Beförderten 1764 die Leitung des Glatz-Silberberger Festungsbaus, bis ihm nach dem Erwerb Westpreußens 1772 infolge der Ersten polnischen Teilung eine neue und größere Aufgabe im Nordosten des Landes zuteil wurde.

Sogleich nach der Inbesitznahme Westpreußens hatte der König den Plan gefaßt, an dem Straßenknotenpunkt und Weichselübergang Graudenz eine Festung anzulegen, die der Verteidigung Ostpreußens dienen sollte. Nachdem ein Versuchsprojekt 25 Kilometer weichselabwärts gescheitert war, erhielt Gonzenbach im November 1775 den Auftrag, auf der nördlich bei Graudenz gelegenen Höhe mit den Planungsarbeiten für eine Festung zu beginnen. Die Schwierigkeiten waren erheblich; es fehlte an Ziegeleien, Steinbrüchen und Arbeitern – alles mußte von außerhalb mit teilweise erheblichen Mehrkosten herangeschafft werden. Der König, der in seiner bekannten kleinlichen Art sich um alles kümmerte und ständig auf dem laufenden gehalten werden mußte, stellte die finanziellen Mittel in ausreichendem Maß bereit und hielt zumindest dadurch Gonzenbach den Rücken frei, so daß es jetzt nur an dessen organisatorischem Geschick und seiner Durchsetzungskraft lag, das Werk in dem vom König gewünschten Tempo voranzubringen. Der Bau, der beim Tode Friedrichs des Großen 1786 annähernd vollendet war (nur das sogenannte Hornwerk fehlte noch), erforderte in Spitzenzeiten rund 5000 Arbeiter, 600 Maurer, 180 Ziegelstreicher, 180 Bergleute und Mineure sowie 180 vierspännige Wagen zum Materialtransport. Verbraucht wurden rund 70000 Klafter Feldsteine und 113 Millionen Ziegel, die aus extra angelegten Ziegeleien in der Nähe stammten. 1783 ließ der König durchblicken, daß ihm der Bau zu langsam gehe; er drängte Gonzenbach und schickte Inspektoren zur Überprüfung, die aber keine Nachlässigkeit feststellten und dem “Ingenieur-Capitain” eine vorzügliche Leistung bescheinigten. Gelegentlich der im folgenden Jahr in Mockrau, nur wenige Kilometer von Graudenz entfernt, stattfindenden Truppenschau besichtigte Friedrich den Festungsbau eingehend und gab öffentlich seine volle Zufriedenheit kund. Der damals schon 60jährige Gonzenbach schrieb darauf an einen Kollegen: “Hierdurch sind meine Gemüts- und Leibeskräfte so sehr gestärkt worden, daß alles Vergangene mich wie ein Traum zu sein deucht und mein ferneres Bestreben nur dahin gehet, mit aller Treue und dem größten Fleiß den ganzen Bau zu beendigen.”

Nach dem Tod König Friedrichs gingen die Arbeiten weiter und erreichten 1789 ihren Abschluß. König Friedrich Wilhelm II., den Gonzenbach von vielen früheren Begegnungen kannte, kam auf seiner Huldigungsreise nach Ostpreußen auch nach Graudenz und inspizierte die Bauten eingehend. Nach seiner Beförderung zum Major berief der König Gonzenbach zum Brigadier und Inspektor der pommerschen Festungen. Zu seinem Dienstbereich gehörten neben Graudenz die Festungen Pillau, Friedrichsburg bei Königsberg, Memel, Lyck, Stettin und Kolberg. Die kriegerischen Verwicklungen jener Zeit ließen es ratsam erscheinen, den Zustand der Festungen genau zu prüfen und gegebenenfalls zu verbessern. Letzteres wurde besonders in Pillau nötig, weshalb Gonzenbach 1790 den Auftrag erhielt, die Festung in gehörigen Verteidigungszustand zu setzen, besonders nach der Seeseite hin. Es begannen umfangreiche Arbeiten, die wiederum die ganze Kraft des Ingenieuroffiziers erforderten, der inzwischen seinen Wohnsitz nach Pillau verlegt und im Jahr 1792 das Patent zum Oberst erhalten hatte. Bei der Zweiten Teilung Polens 1793 fiel auch Danzig an Preußen, wodurch die dort und in Neufahrwasser anfallenden Aufgaben zusätzlich zu bewältigen waren.

Arbeitseifer, Integrität und Pflichtbewußtsein waren die hervorstechenden Eigenschaften dieses Mannes, der fast sein ganzes Leben gleichsam in den Dienst der Verteidigung Preußens gestellt hatte. Er war unverheiratet geblieben und lebte persönlich anspruchslos, hielt jedoch ständige Verbindung zu seinen Verwandten im Thurgau und förderte die Ausbildung seiner Geschwisterkinder. 1793 gestattete er sich den zweiten Urlaub seiner sechsundfünfzigjährigen Dienstlaufbahn und reiste nach dem Familiensitz Hauptwil, wo er (nach seinen eigenen Worten) die glücklichsten drei Wochen seines Lebens verbrachte. In Pillau ging er dann weiter seiner gewohnten Beschäftigung nach, bis ihn im 75. Lebensjahr ein sanfter Tod ereilte. Er wurde am 4. November 1799 mit militärischen Ehren und im Beisein von Vertretern des Königs in der Pillauer Garnisonkirche beigesetzt. “Seine” Festung Graudenz bestand die Bewährungsprobe 1807 beim Feldzug Napoleons gegen Preußen glanzvoll unter ihrem tapferen Verteidiger, General Courbière, der neben Gneisenau in Kolberg zu den erfolgreichen Festungskommandanten zählte, die bis zum Tilsiter Frieden durchhielten.

Lit.: Walter Gonzenbach: Ein Thurgauer im Dienste Friedrichs des Großen, in: Thurgauer Jahrbuch Jg. 44/1969 (1968), S. 65–86 (dort Porträt). – Xaver Froelich: Geschichte des Graudenzer Kreises, T. 1, Graudenz 1868. – Max Bär: Westpreußen unter Friedrich dem Großen, 2 Bände, Leipzig 1909. – Paul Fischer: Graudenz und Feste Courbière, 3. Aufl. Graudenz 1912.

 

    Peter Letkemann