Biographie

Göppert, Heinrich Robert

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Arzt, Botaniker
* 25. Juli 1800 in Sprottau/Schlesien
† 18. Mai 1884 in Breslau

Die Herausbildung der Steinkohle war für die Wissenschaft ein frappantes Problem. Die Forschung hatte unter anderem auch die Frage nach dem Ursprungssubstrat der Kohle zu beantworten. Auf die organische Herkunft der Kohle wies 1706 als einer der ersten Jacob Scheuchzer. Erst am Ende des 18. Jahrhunderts wurde diese Annahme vor allem von vielen französischen und englischen Wissenschaftlern bestätigt. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts konnte dank des Fortschritts in vielen Wissenschaftszweigen die organische Herkunft der Kohle bewiesen werden. In den Jahren 1835 bis 1838 beschrieben W. Hutton und B. Link die Zellenstruktur der Kohle, die unter dem Mikroskop sichtbar war. Aber erst Heinrich Robert Göppert ermittelte auf Grund einer im Jahre 1848 durchgeführten Analyse der mikroskopischen Untersuchungsergebnisse, daß sich in der Schicht des Kohlenlagers dieselben Pflanzengattungen feststellen lassen, die in der Nachbarschaft der Kohlenschicht zu finden sind, und eben sie das kohlebildende Material lieferten. Göpperts Forschungen, die er in den Jahren 1834 bis 1884 trieb, brachten ihm den Rang eines der hervorragendsten Paläontologen im 19. Jahrhundert ein.

Heinrich Robert Göpperts Vater war Apotheker und Königlich preußischer Forstrat. Des Sohnes lebhaftes Interesse für Naturwissenschaften datierte seit der Schulzeit. Zwischen 1812 und 1816 besuchte er das Gymnasium zu Glogau. Danach setzte er seine Ausbildung in zwei Gymnasien zu Breslau fort. In dem katholischen Gymnasium des Hl. Matthias unterrichtete damals August Kaluza, ein hervorragender Lehrer. Er war derjenige, der beim jungen Göppert die Liebe zur Botanik weckte. August Kaluza war Pfarrer und Verfasser vieler interessanter Schriften aus dem Bereich der Mineralienkunde und Kartographie, war auch Autor einer mineralogischen Karte Schlesiens im Maßstab 1:284000.

Während des Aufenthalts in Breslau besuchte Göppert oft den Botanischen Garten. Nach dem Abschluß der Gymnasialausbildung kehrte er 1816 in die Vaterstadt zurück, um in der Familienapotheke zu arbeiten. Im Jahre 1820 legte er die Prüfung an der Universität zu Breslau ab, die ihm die Berechtigung verlieh, als Apothekergehilfe arbeiten zu dürfen. Vorsitzender der Prüfungskommission war der Seksuologe und Embryologe Professor Rudolph Christian Treviranus (1779-1864). Treviranus hielt in den Jahren 1816 bis 1818 Vorlesungen am Lehrstuhl für Philosophie. Später wechselte er auf den Lehrstuhl für Medizin. Er war Ordinarius und zugleich Direktor des Botanischen Gartens in Breslau. 1829 siedelte er nach Bonn über.

Nach Ablegung der Prüfung trat Göppert in die Apotheke seines Großvaters zu Neisse ein. Die Beschäftigung machte ihm jedoch keine Freude. Der Wille, seine Ausbildung zu erweitern, besonders in den Naturwissenschaften, war bei ihm so stark, daß er sich 1821 zum Wintersemester am Lehrstuhl für Medizin an der Universität zu Breslau einschrieb. Er studierte gleichzeitig Medizin und Naturwissenschaften bei den Professoren Adolf Wilhelm Otto, Wilhelm Hermann, Georg Remer und Rudolph Christian Treviranus. Außerdem belegte er Vorlesungen aus den Gebieten der Philosophie und der Geschichte. Während der Studienzeit heiratete er die Tochter Professor Remers. Nach ihrem Tode vermählte er sich mit ihrer Schwester. Gegen Ende des dritten Jahres seines Studiums im Jahre 1824 geriet Göppert wegen seiner Betätigung in der deutschen Burschenschaft in einen Konflikt mit der Universitätsbehörde. Freiheitsideen und der Drang zur Einheit Deutschlands, für die sich die deutsche Burschenschaft erwärmte, wurden aufgrund der Karlsbader Ministerbeschlüsse des Deutschen Bundes von 1819 auch in Preußen verfolgt. Göppert sollte von der Universität relegiert werden, ohne Recht, das Studium fortzusetzen. Es gelang ihm jedoch die Bewilligung zu erlangen, sein Studium in Berlin unter polizeilicher Aufsicht wieder aufnehmen zu dürfen. In Berlin lernte er bedeutende Botaniker wie Heinrich Friedrich Link, Schlechtendal und Heyn kennen. Er kam mit dem Dichter und Naturforscher Adelbert von Chamisso zusammen, und oft verweilte er im Hause des Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy, wo er seiner Neigung zur Musik nachging.

Im Januar 1825 wurde Göppert an der Universität zu Berlin aufgrund seiner Dissertation, Nonnula de plantarum nutrione durch Link promoviert. Nach Ferdinand Cohn kamen in dieser Doktorarbeit Göpperts Beobachtungsgabe und der wahre Geist des Experimentierers zum Vorschein. Opponenten der Arbeit waren Göpperts Freunde aus der Berliner Zeit: Brandt, der spätere Zoologe, Akademiker in St. Petersburg, und Ratzenburg, der später Professor an der Akademie für Forstwissenschaft in Eberswalde wurde.

Im Jahre 1826 ließ sich Göppert in Breslau nieder, wo er seiner Berufspraxis als Arzt nachging. Mit einer Abhandlung aus der Botanik De acidi hydrocyanici vi in plantes commentatio habilitierte er sich 1827 am Lehrstuhl für Medizin an der Universität zu Breslau. Die ärztliche Praxis genügte seinen ehrgeizigen wissenschaftlichen Bestrebungen nicht. Bewundernswert war seine Tätigkeit in beiden Disziplinen, der Medizin und der Naturwissenschaft. Viele Jahre diente er als Arzt den Armen, und als Arzt betreute er auch das katholische Gymnasium St. Matthias in Breslau. Seit 1826 arbeitete er im Krankenhaus St. Elisabeth und dann (ab 1830) im Krankenhaus Aller Heiligen. Im Botanischen Garten war er ab 1827 als Konservator angestellt. 1828 hielt er Vorlesungen aus der Botanik an der Breslauer Universität, ohne seine ärztliche Praxis zu vernachlässigen. Seine Forschungen im Bereich der Botanik hatten in mancher Hinsicht eine bahnbrechende Bedeutung, da sie neue wissenschaftliche Perspektiven eröffneten. Er befaßte sich mit Forschungsarbeiten aus dem Bereich der Morphologie, Physiologie und Pathologie in der Pflanzenwelt.

In den Jahren 1831 bis 1832 engagierte sich Heinrich Robert Göppert kräftig in der Bekämpfung der Cholera in Breslau. Die Schlesische Cholera-Zeitung von 1831 bis 1832 enthält reiches dokumentarisches Material über Göpperts ärztliche Tätigkeit. Als Mitglied des Ärztlichen Comités für Schlesien war er einer von den Herausgebern dieser Zeitung. Während der Choleraepidemie sammelte er im Krankenhaus für Cholerakranke in Neu-Scheitnig, wo er die Leitung nach Dr. F. Seidel übernahm, reiches Material über die Krankheit. In der Schlesischen Cholera-Zeitung druckte er Ratschläge zur Vorbeugung vor der schädlichen Wirkung des Chlors auf die Atemwege ab. Chlor wurde damals als Desinfizierungsmittel gebraucht. Über die chemische Desinfizierung der Wohnungen und häuslicher Gegenstände veröffentlichte er viele Anweisungen. Die Protokolle von Sitzungen der Medizinischen Sektion der Schlesischen Gesellschaft fanden so wie Berichte der Ärzte aus anderen schlesischen Ortschaften ihren Platz in den Spalten der Zeitung. In zwei Ausarbeitungen stellte er unter Berücksichtigung der amtlichen Angaben den Verlauf der Choleraepidemie in Breslau dar. Seine statistischen Angaben enthielten Zahlen der Erkrankten und Todesfälle in den Jahren 1831 bis 1832. Wahrscheinlich sind das die einzigen Zusammenstellungen, die es gibt. Viele Informationen über die ärztliche Tätigkeit Göpperts im Krankenhaus für Cholerakranke in Neu-Scheitnig finden sich in einer Berichterstattung von Dr. F. Seidel, die auch Vermerke über die übrigen Ärzte und das Hilfspersonal, über die Krankheitserscheinungen bei der Cholera, den Verlauf der Krankheit, die Prognose, die angewandten Arzneimittel und ihre Heilwirkung enthält. Diese Angaben lagen zusammen mit amtlichen Dokumenten dem zusammenfassenden Bericht vom Verlauf der Epidemie 1831 bis 1832 in Breslau zugrunde und wurden in der Schlesischen Cholera-Zeitung publiziert.

Jonas Graetzer, Arzt und Historiker für schlesische Medizin, war der Meinung, daß die Medizin in Schlesien einen der begabtesten Ärzte verliere, weil Göppert sich immer mehr mit der Botanik beschäftigte. Seit der Gymnasialzeit zu Breslau interessierte er sich für Paläobotanik und Erdgeschichte. Im Jahre 1830 wurde Göppert Sekretär der Sektion für Naturwissenschaften bei der Schlesischen Gesellschaft. In einer Arbeit, die im Jahre 1831 unter dem Titel Über die Wichtigkeit der naturwissenschaftlichen Studien für die zukünftige Ausbildung des Arztes in Breslau erschien, gab er einen unwiderleglichen Beweis seiner Zugehörigkeit zur ärztlichen Zunft. In demselben Jahre wurde er zum Außerordentlichen Professor ernannt. 1832 hielt er auf der Konferenz der Naturwissenschaftler in Wien einen Vortrag aus dem Gebiet der Botanik. Unter dem Einfluß Adolph Wilhelm Ottos wandte er sich seit dieser Zeit vermehrt der Paläobotanik und Erdgeschichte zu. Göppert vertauschte den Lehrstuhl für Medizin, den er zwischen 1831 und 1851 inne gehabt hatte, mit dem Lehrstuhl für Botanik, den Christian Gottfried Nees von Esenbeck, der wegen Beteiligung an revolutionären Geschehnissen 1848 und 1849 von der Universität 1851 entlassen worden war, hatte aufgeben müssen. Gleichzeitig wurde er auch Direktor des Botanischen Gartens in Breslau.

Der Botanische Garten diente wissenschaftlichen Forschungen und didaktischen Zwecken. Er existierte seit der Entstehung der Universität. Der Garten wurde vom Direktor, der zugleich Leiter des Lehrstuhls für Botanik und ordentlicher Professor war, geführt. Die Gartenarbeiten wurden von einem Gärtner, auch Inspektor genannt, organisiert und beaufsichtigt. Mit der Zeit wurde der Garten erweitert. Zu Beginn des XX. Jahrhunderts betrug seine Fläche 5,5 Hektar. Der Zuwachs unter Göppert war erheblich. Sein Verdienst war es auch, daß im Jahre 1854 ein botanisches Museum entstand. Göppert war ein emsiger Sammler, und diesem Talent ist es zu verdanken, daß reiche und sehr wertvolle Exponate ins Museum kamen. Im Jahre 1884 wurde dem Museum ein neu erbautes Gebäude übergeben.

Forschungen, die Göppert trieb, beschränkten sich nicht nur auf Medizin und Paläontologie, er war auch an den Problemen der Landwirtschaft, des Gartenbaus und der Forstbotanik interessiert. Über 30 wissenschaftliche Schriften aus dem Sachgebiet der Paläobotanik und der Paläontologie in Schlesien brachte er zur Veröffentlichung. Er machte sich auch mit Arbeiten der schlesischen Forscher über die fossile Pflanzenwelt und Geognosie bekannt. Im Werk Über die Bestrebungen der Schlesier die Flora der Vorzeit zu erläutern (1835) stellte er die Erfolge der Schlesier auf diesem Gebiet vor. Es war eine der ersten geschichtlichen Erarbeitungen des geologischen Problems in Schlesien. Die von Göppert zusammengestellte Kollektion der Versteinerungen, vor allem der Flora aus dem Karbon in Schlesien, gewann auf der Weltausstellung 1867 in Paris eine Auszeichnung in Gestalt einer silbernen Medaille. Im Jahre 1857 publizierte er einen Wegweiser durch den Botanischen Garten. Diese Publikation wurde mehrfach neu aufgelegt. Der Auflage vom Jahre 1883 gab Göppert ein Terrainprofil der Steinkohlenformation bei, das im Botanischen Garten von naturgemäßen Exemplaren gebildet wurde. Er trieb geschichtliche Forschungen über den Bernstein und war an den eingeschmolzenen fossilen Stücken interessiert. Dabei beschrieb er viele schlesische Ortschaften, in denen der Bernstein gefunden wurde. Der Medizin galt in jenen Jahren die Schrift Die officinellen und technisch wichtigen Pflanzen unserer Gärten, Görlitz 1857. Diese Ausarbeitungen waren für die Pharmazeuten und Studenten der Medizin bestimmt.

Die letzten zehn Jahre seines Lebens beschränkte sich Göppert auf die ärztliche Behandlung seiner Freunde. Sein Nachfolger im Lehramte wurde im Jahre 1885 Adolf Engler, Ordentlicher Professor aus Kiel.

Heinrich Robert Göppert wird ein beachtlicher Platz in der Geschichte der Medizin, Paläobotanik und Geologie in Schlesien zugeschrieben. Besonderen Wert haben seine Theorien über die Genese der Steinkohle, die bis heute an Aktualität nichts verloren haben.

Werke: H.R. Göppert: Weingeist als Mittel gegen die durch Chlor veranlassten Respirationsbeschwerden, in: Schlesische Cholera-Zeitung, Nr. 3, 1831, S. 21-22. – Einige Worte über die Räucherungen zum Schutz gegen die Cholera, in: Schlesische Cholera-Zeitung, Nr. 11, 1831, S. 87-88. – F. Seidel: Bericht über die Cholera: Hospital nr III, in: Schlesische Cholera-Zeitung, Neue Folge, Nr. 5, 1831, S. 130-134. – F. Seidel: Bericht über die Cholera: Hospital nr III, in: Schlesische Cholera-Zeitung, Neue Folge, Nr. 7, 1831, S. 145-149. – Über das Alter der asiatischen Cholera in Indien, in: Schlesische Cholera-Zeitung, Neue Folge, Nr. 12, 1831, S. 183-184. – F. Seidel: Bericht über die Cholera: Hospital nr III, in: Schlesische Cholera-Zeitung, Letzte Folge, Nr. 1, 1831, S. 193-195. – Über das Sterblichkeits-Verhältniss zur Zeit der Cholera, in: Schlesische Cholera-Zeitung, Letzte Folge, Nr. 10, 1831, S. 267-268. – Die Cholera in Breslau, in: Schlesische Cholera-Zeitung, Letzte Folge, Nr. 12, 1831, S. 281-291. – Über die Bestrebung der Schlesier, die Flora der Vorzeit zu erläutern, in: Schlesische Provinzial Blätter, Bd. 10, 1834, S. 107-118, 205-216. – Die Gattungen der fossilen Farnkräuter, verglichen mit den jetzt lebenden, Breslau 1836. – Bemerkungen über die fossile Flora Schlesiens, in: Archiv für Mineralogie, Bd. 9, 1836, S. 581-587. – Der Königliche botanische Garten der Universität Breslau, Görlitz 1857.

Lit.: S. Dawid: Henryk Robert Göppert (Heinrich Robert Göppert), in: Wszechswiat, Nr. 49, 1884, S. 769-770. – J. Graetzer: Lebensbilder hervorragender schlesischer Aerzte aus den letzten vier Jahrhunderten, Breslau 1889, S. 107-113. – K.A. Zittel: Geschichte der Geologie und Paläontologie bis Ende des XIX. Jahrhunderts, München 1899. – K. Pretzsch: Verzeichniss der Breslauer Universitäts-Schriften 1811-1885, Breslau 1905. – F. Pax: Bibliographie der schlesischen Botanik, Breslau 1929. – G. Kaufmann: Die Geschichte der deutschen Universitäten, Bd. 2, Stuttgart 1896. – J.A. Rzymełka: Wkład Wilhelma Blandowskiego górnośląskiego geologa w poznawanie Australii [Der Beitrag des oberschlesischen Geologen Wilhelm Blandowski zur Erforschung Australiens], in: Materiały III Zjazdu Naukowego PTPNoZ 17-18 X, Danzig 1987, S. 126-141. – H. Dziurla: Z dziejów zabudowy, przeobrażen i planowania dawnego zespocu uniwersyteckiego we Wrocławiu [Aus der Geschichte der Bebauung, Transformation und Planung des alten Universitätskomplexes in Breslau], in: Studia i materiały z dziejów Uniwersytetu Wrocławskiego, Bd. 4, Breslau 1995, S. 7-32. – J.A. Rzymelka: Dzieje poznania geologicznego Górnośląskiego Zagłębia Węglowego do 1870 roku [Geschichte der geologischen Erforschung des oberschlesischen Kohlenbeckens bis 1870], Kattowitz 1988, S. 45-46, 164, 168, 170-177, 196, 205, 217-218, 221-224, 226. – W. Kaczorowski: Krocker Antoni Jan (1742-1823), lekarz, botanik [Krocker Anton Johann (1742-1823) Arzt und Botaniker], in: Słownik medycyny i farmacji Górnego Śląska [Medizinisches und pharmakologisches Fachwörterbuch Oberschlesiens], verf. A. Puzio, Bd. 2, Kattowitz 1993, S. 136. – M. Pater: Historia Uniwersytetu Wrocławskiego do roku 1918 [Geschichte der Universität zu Breslau bis 1918], Breslau 1997, S. 201-203, 217-218.

Włodzimierz Kaczorowski