Biographie

Grolman, Karl Wilhelm von

Herkunft: Posener Land
Beruf: preußischer General, Militärreformer
* 30. Juli 1777 in Berlin
† 15. September 1843 in Posen

Karl Wilhelm von Grolman zählt zu den charaktervollsten und fähigsten Persönlichkeiten der preußischen Reformzeit. Sohn des preußischen Obertribunalpräsidenten Heinrich Dietrich Grolman, der 1786 geadelt worden war, trat er 1791 unter die schwarz-weißen Fahnen und wurde 1805 Hauptmann. Im preußischen Unglücksmonat Oktober 1806, zuletzt im Stabe des Fürsten Hohenlohe-Ingelfingen, entging er dessen Kapitulation von Prenzlau, da er mit einer Sendung an den König unterwegs war. Anschließend zeichnte er sich im ostpreußischen Winterfeldzug 1806/07 sowohl als Truppenführer als auch als Stabsoffizier aus, wurde schwer verwundet und erhielt, erst dreißigjährig, die Beförderung zum Major. Das Hervortreten der glänzenden Begabung Grolmans führte im August 1807 zu dessen Berufung in die von Schamhorst geleitete Militär-Reorganisationskommission wie später auch in die Immediat-Untersuchungskommission, wo er Scharfblick für die Gründe der Niederlage, Einsicht in das Notwendige und Mögliche sowie Entschlußkraft bewies. „Er huldigt nur dem Verstande und ehrtvon den Gemütskräften nur die Willenskraft", bemerkte Gneisenau einmal über ihn. Zugleich machte sich Grolman unter dem Einfluß Steins, Scharnhorsts und Wilhelm von Humboldts das Reformideal einer Erneuerung des preußischen Staates auf der Grundlage der Erweckung des deutschen Nationalgeistes zu eigen. Die Verbindung dieser Neuorientierung mit seinem stark ausgebildeten Ehrgefühl bestimmte Grolman, nachdem der Kaiser in Wien im Frühjahr 1809 Napoleon den Krieg erklärt hatte, dazu, seine erst im März desselben Jahres angetretene Stellung im neugebildeten preußischen Kriegsministerium wieder aufzugeben und zu den österreichischen Fahnen zu eilen. Er, der bereits 1807 seine Frau Sophie, geborene von Gerlach, verloren hatte (und sich 1816 nochmals vermählen sollte), focht in Franken und Sachsen und ging Anfang April 1810 nach Spanien, wo sich, wie er glaubte, das Schicksal Europas entscheiden mußte. Als Bataillonskommandeur in der Legion extranjera geriet er im Januar 1812 in französische Gefangenschaft und wurde nach Autun in Burgund gebracht, von wo er aber fliehen konnte. Im August war er in Jena, studierte hier bei Heinrich Luden Geschichte, reiste nach dem Bekanntwerden des Winterdebakels Napoleons in der Neujahrsnacht 1813 nach Berlin und trat, dem König nach Breslau folgend, wieder in preußische Dienste. „Er war ganz jung geblieben", notierte sein Schwager Leopold von Gerlach, der ihn über sechs Jahre nicht gesehen hatte, „und ebenso gut und lebhaft als sonst".

Grolman, der in Spanien das Ideal der konstitutionell beschränkten Monarchie in sich aufgenommen hatte, das er hinfort zu seinem Überzeugungsschatz zählte, kam erst im Herbstfeldzug 1813 zu einer seiner Führungsgabe entsprechenden Verwendung; der König hatte ihm nicht vergessen, daß er im Jahre 1809 seine Dienste verlassen hatte. Als Stabsoffizier im II. Korps unter Kleist trug er Ende August bei Kulm, schwer verwundet, wesentlich zur Niederlage Vandammes bei. Als Oberst hatte er Anteil an der Entscheidung der Leipziger Völkerschlacht, wofür er das Eichenlaub zum Orden pour le mérite verliehen bekam, der bereits seit 1807 seine Brust zierte.

Anfang 1814 war es neben Blücher und Gneisenau Grolman, der im Gegensatz zur österreichischen Konvenienzpolitik, die das französische Empire zu einem Baustein des europäischen Gleichgewichts machen zu können glaubte, auf eine Fortsetzung der Operationen gegen Frankreich mit dem Ziel Paris drängte; die auf Grolmans Vorschlag hin Ende Februar erfolgte Lösung der Schlesischen Armee unter Blücher von der bewegungslos verharrenden Hauptarmee und ihre Vereinigung mit Teilen der Nordarmee zum Zwecke des gemeinsamen Vormarschs auf dem rechten Ufer der Marne auf Paris sowie die Niederlage Napoleons bei Laon (9. und 10. März), der dem entgegengetreten war, brachten das militärische Geschehen wieder in Bewegung und trugen so wesentlich zur Überwindung der politischen Hemmungen im Lager der Verbündeten bei. Ende März fiel Paris; am 6. April dankte Napoleon ab. Nach dessen Rückkehr von der Insel Elba im Frühjahr 1815 wurde Grolman, seit Ende Mai 1814 Generalmajor, in der Nachfolge Gneisenaus Generalquartiermeister in Blüchers Armee, die es zusammen mit den Engländern dahin brachte, daß Napoleon, um ein Wort Ernst Moritz Arndts zu gebrauchen, „an seinen Prometheusfelsen St. Helena geschmiedet" werden konnte. „Herrlich ist es, daß an der Spitze der Armee Leute von so entschiedener, felsenfester Rechtschaffenheit und Redlichkeit stehen wie Gneisenau und Grolman", schrieb Ludwig von Gerlach an seine Mutter. Nach dem Zweiten Pariser Frieden im November 1815 trat Grolman unter dem ersten preußischen Kriegsminister Hermann von Boyen, der ihn einen „altrömischen Charakter" nannte, in dessen Ministerium als Direktor des 2. Departements ein, das im Sinne Scharnhorsts zur Keimzelle des (später vom Kriegsministerium losgelösten) modernen Generalstabes wurde, der einerseits eigenverantwortliches Führungsorgan, andererseits aber die hohe Schule des preußischen Offiziers werden sollte. „Während Clausewitz in der Stille des Gelehrtenzimmers seine Lehre vom Kriege ausarbeitete, hat Grolman im gleichen Sinne wie jener mit der praktischen Ausbildung der Generalstabsoffiziere in den ersten Jahren nach den Befreiungskriegen den Grund gelegt für die geistige Schulung und Führung der preußischen Armeen im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts." (E. Kessel)

Indessen führte aber das Hervortreten restaurativer Kräfte, namentlich solcher des Hofes, dazu, daß im Dezember 1819 mit Minister von Boyen auch Grolman, dessen Prinzipienfestigkeit (selbst Nebensächliches betreffende) Kompromisse ausschloß, um seinen Abschied einkam und diesen mit dem Ausdruck königlicher Ungnade genehmigt erhielt. 1825 trat er als Generalleutnant und Kommandeur der 9. Division in Glogau in den aktiven Dienst zurück, stand während des polnischen Auf Standes 1830 unter Gneisenau an der preußischen Ostgrenze und wurde 1832 interimistisch und 1835 definitiv als Kommandierender General des 5. Armeekorps in Posen dessen Nachfolger sowie 1837 zum General der Infanterie befördert.

Von den preußischen Reformern war es vor allem Grolman, der in der Umgebung des Königs (und bei seinen Schwägern von Gerlach) als „Jakobiner" und Demokrat galt. Er war ein Kind des beginnenden nationalstaatlichen Zeitalters, das (vor allem in der Gestalt Napoleons) den modernen Vernichtungskrieg und scharfe nationale Gegensätze und Leidenschaften mit der Erscheinung des nationalen Hasses hervorgebracht hatte. So verwundert es nicht, daß Grolman nach der polnischen Erhebung von 1830 zu den Verfechtern einer harten Polenpolitik zählte und in diesem Sinne die Aufteilung der Provinz Posen empfahl. Im Jahre 1815 war er wie Blücher und Gneisenau für eine nachhaltige Züchtigung Frankreichs eingetreten. Ludwig von Gerlach hatte sich damit nicht befreunden können. „Dies wüste Losziehen gegen ganz Frankreich und das ganze Volk, Teilung des Landes, Zerstörung von Paris und Salz darauf streuen, wie heute Grolman sagte", so heißt es in einem Brief an seine Mutter, „das kommt aus keinem guten Geist."

Werke: Geschichte des Feldzuges 1815 in den Niederlanden, 2 Bde., 1837. – Geschichte des Feldzuges 1814, 4 Bde., 1842.

Lit.: E. von Conrady: Leben und Wirken des Generals Karl von Grolman, 3 Bde., Berlin 1894-1896. – Kurt von Priesdorff: Soldatisches Führertum, Bd. 4, S. 238-247. – Heinz Kraft: Karl Wilhelm Georg von Grolman, in: Neue deutsche Biographie, Bd. 7 (1966), S. 123-125. – Eberhard Kessel: Grolman und die Anfänge des Preußischen Generalstabes, in: Militärwissenschaftliche Rundschau 1944, Heft 2, S. 120-129. – Hans Joachim Schoeps (Hrsg.): Aus den Jahren preußischer Not und Erneuerung. Tagebücher und Briefe der Gebrüder Gerlach und ihres Kreises. 1805 -1820, Berlin 1963.

Bild: Nach einem Gemälde von Franz Krüger, Bildarchiv Stiftung Mitteldeutscher Kulturrat.