Biographie

Grundmann, Günther

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Kunsthistoriker
* 10. April 1892 in Hirschberg/Schlesien
† 19. Juni 1976 in Hamburg

Das Lebenswerk Günther Grundmanns kann man mit dem Kulturerbe und der lebendigen Kunst Schlesiens identifizieren, obzwar damit noch lange nicht alles über ihn gesagt ist. Der aus einer alten Kaufmannsfamilie Stammende wurde in Hirschberg, in herrlicher Naturlandschaft, in einer von Geschichte und Kunstgeschichte Schlesiens geprägten Stadt und in einer Region geboren, die vor allem durch Meister der Mystik und die Brüder Gerhart und Carl Hauptmann in die Literaturgeschichte eingegangen ist. Grundmann studierte Kunstgeschichte an den Universitäten München Breslau, wo er 1916 promoviert wurde.

Die erste Lehrtätigkeit führte den jungen Kunsthistoriker zurück in seine Heimat als Dozenten an die traditionsreiche Holzschnitzschule Bad Warmbrunn (übrigens hat er nicht lange vor seinem Tod seinen letzten Vortrag zur Kunst Schlesiens in Hamburg auf einer Tagung des die Tradition der Schule weiterführenden Bildhauerkreises Ernst Rülke gehalten). 1937 wurde er Lehrbeauftragter für Denkmalpflege an der Universität Breslau. 1938 erhielt er den Lehrstuhl für Baugeschichte und Bauformenlehre an der Technischen Hochschule ebenda.

1932 war Grundmann Provinzialdenkmalpfleger für Niederschlesien. In diesem Amte erwarb er sich hohe Verdienste um die Erhaltung kostbaren Kulturguts, insbesondere in den Kriegs- und Krisenjahren, als es ihm weit vorausschauend gelang, hervorragende Kunstschätze in und aus Schlesien zu bergen. Nach einer Zwischenstation auf der Veste Coburg als Direktor der dortigen Sammlungen kam er 1950 als Direktor an das Altonaer Museum in Hamburg (bis 1959), wo er stets auch um die Pflege und Bekanntmachung der Kunst aus Schlesien in allen ihren Bereichen bemüht war, ohne die allgemeinen Aufgaben zu vernachlässigen, die ihm neben seiner Museumstätigkeit durch die Betrauung mit Amt des Landesdenkmalpflegers, ab 1951 als Vorsitzender der Vereinigung Deutscher Landesdenkmalpfleger und – im selben Jahr – als Honorarprofessor an der Universität Hamburg zufielen.

Als Grundmann 1959 aus dem aktiven Dienst ausschied (ausgezeichnet mit dem Großen Bundesverdienstkreuz), setzte er sich noch lange nicht zur Ruhe. Er widmete einen beträchtlichen Teil seiner Zeit seinen Ehrenämtern in Wissenschaft und Kulturpflege, als Vorsitzender, dann als Ehrenvorsitzender des Kulturwerks Schlesien oder im Herder-Institut, in dem er für den Kunstbereich Maßstäbe setzte, Publikationen verfaßte oder anregte und Sammlungen anlegte (Bilddokumentationen der Kunstwerke Schlesiens im Lande und der Kunst des Ostens in Sammlungen der Bundesrepublik Deutschland). Zudem wirkte er im Johann-Gottfried-Herder-Forschungsrat, dessen Präsident er von 1963 bis 1972 war, als Mitglied der Deutschen Unesco-Kommission, in den Stiftungsräten des Ostdeutschen Kulturrats und der Ostdeutschen Galerie Regensburg.

Unter den vielen Ehrungen und Auszeichnungen, die Grundmann zuteil wurden, müssen vor allem der Preis für Denkmalpflege der Fritz-Schumacher-Stiftung 1963 und der Georg-Dehio-Preis der Künstlergilde 1966 hervorgehoben werden.

Günther Grundmann, von grandseignoraler Erscheinung und zugleich von herzlicher Unmittelkeit, vor allem, wenn es sich um seine großen Anliegen, nämlich Kunst und Kultur Schlesiens handelte, verband auf glückliche Weise immenses Wissen und eine geradezu unheimliche Fülle von Detailkenntnissen mit Qualitätsbewußtsein und dem großen Überblick, mit dem Gespür für das Wesentliche. Grundmann erfüllte Verantwortungsbewußtsein für das Schöpferische und das Geschaffene, und er hatte die Gabe, seine Gelehrsamkeit auf glückliche Weise in Allgemeinverständlichkeit zu übersetzen, im geschriebenen wie im gesprochenen Wort ebenso den anspruchsvollen Fachmann wie das allgemeine Publikum anzusprechen und zu begeistern – als ein Forscher, Bewahrer, Erneuerer, Sammler und Vermittler.

Grundmann war auch ein leidenschaftlicher Zeichner, der aus seiner Heimat wie aus verschiedenen Kulturlandschaften, die er aufsuchte, mit Stift und Pinsel festgehaltene architektonische und topographische Schönheiten als bleibende Ausbeute mitbrachte. In dem zu seinem 75. Geburtstag erschienenen Bildband und einigen Ausstellungen ist das dokumentiert. Die Künstlergilde will diese seine schöpferische Seite in einer Ausstellungsreihe im Jahre 1992 in Erinnerung bringen.

Grundmann konnte auch sehr streng und leidenschaftlich werden, etwa, wenn er historische Gegebenheiten, namentlich solche des deutschen Ostens, verfälscht sah. So trat er in mehreren Publikationen und im Rundfunk Kardinal Wyszinski entgegen, nachdem dieser in Breslau proklamiert hatte, aus den Steinen des Breslauer Doms spräche „die polnische Seele“.

Noch ist nicht alles veröffentlicht, was Grundmann geschrieben hat. Bereits die ersten, heute kaum noch erreichbaren Veröffentlichungen galten Schlesien, so die Gruftkapellen des 18. Jahrhunderts in Niederschlesien und der Oberlausitz, 1916, Die schlesischen Architekten im Dienste der Herrschaft Schaffgotsch und der Prostei Warmbrunn, 1931, Das Riesengebirge in der Malerei der Romantik,1931,Die Baumeisterfamilie Frantz, 1934, Die Klosterkirche in Trebnitz, 1940, oder Karl Friedrich Schinkel. Band Schlesien des Gesamtwerkes, 1941. Zu den führenden Geistern, denen Grundmann nahegekommen war, zählte Gerhart Hauptmann. Seine Erinnerungen an ihn hat er 1953, eine Monographie über seinen Urgroßvater Friedrich Wilhelm Grundmann, einen Industriepionier in Oberschlesien, 1956 vorgelegt. In seinem Erinnerungsbuch „Erlebter Jahre Widerschein“ stehen neben vielen anderen auch Kapitel über seine Begegnungen mit Gerhart Hauptmann.

Weitere Werke: Das Riesengebirge in der Malerei der Romantik, München 21953. – Dome, Kirchen und Klöster in Schlesien, Frankfurt am Main 1963. – Die Warmbrunner Holzschnitzschule im Riesengebirge. Silesia, Publikationen des Kulturwerks , München 1967. – Kunstwanderungen in Schlesien, München 1966. – Barockfresken in Breslau, Frankfurt am Main 1967. – Zum Vergnügen gezeichnet, Frakfurt am Main 1967. – Der evangelische Kirchenbau in Schlesien, Frankfurt am Main 1970. – Schlesische Barockkirchen und Klöster. Lindau und Konstanz 1958. – Kunstwanderungen im Riesengebirge, München 1969. – Erlebter Jahre Widerschein, 1972. – Von schönen Häusern, guten Freunden und alten Familien in Schlesien, München 1972. – Stätten der Erinnerung. Grabmale und Denkmäler aus acht Jahrhunderten, Konstanz 1964. – Stätten der Erinnerung. Denkmäler erzählen schlesische Geschichte, München 1966. – Unsere Städte in Gefahr. Ihre Vergangenheit und ihre Zukunft, Hamburg 1964. – Burgen, Schlösser und Gutshäuser in Schlesien, Frankfurt a. M. 1970 mit Wolf Schadendorf: Schlesien, München 1962.

Bild: Künstlergilde Esslingen