Biographie

Gryphius, Andreas

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Dichter
* 2. Oktober 1616 in Glogau/Niederschlesien
† 16. Juli 1664 in Glogau

Andreas Gryphius, der bedeutendste deutsche Lyriker und Dramatiker des siebzehnten Jahrhunderts, wurde durch die Nöte des 30jährigen Krieges, durch Glaubensverfolgung und persönliche Schicksalsschläge geprägt. Seinen Vater, Archidiakon der lutherischen Kirche zu Glogau, verlor er im Alter von vier Jahren. Wegen der Zwangsrekatholisierung folgte Gryphius 1628 seinem Stiefvater Michael Eder nach Driebitz ins polnische Exil. Im 16. Lebensjahr bezog er das lutherische Gymnasium in Fraustadt in Niederschlesien, wo er während der Pestzeit das lateinische Epos Herodis Furiae et Rachelis lachrymae (1634) beendete. Seit Sommer 1634 studierte Gryphius am Akademischen Gymnasium der Stadt Danzig. Aus der Enge des provinziellen Pastorenhauses kam er in eine weltoffene Hafenstadt und erhielt die Stelle des Präzeptors im Hause eines Schotten, des polnischen Admirals Alexander von Seton. Poesie unterrichtete den jungen Schlesier der bekannte Mathematiker und Astronom Peter Crüger, ein begeisterter Opitzianer. Zu Danzig schrieb Gryphius seine ersten datierbaren deutschen Verse. 1636 zog er als Hauslehrer nach Schönborn bei Freystadt in Schlesien. Sein Brotherr, der ehemalige kaiserliche Fiskal von Niederschlesien, Georg von Schönborner, krönte ihn als Hofpfalzgraf zum Dichter und ernannte ihn zum Magister. In Lissa in Polen erschien 1637 Gryphius‘ erste deutsche LyriksammlungSonnete, die bereits einige seiner berühmtesten Gedichte in Erstfassung enthält. 1638 bis 1644 studierte Gryphius in Leiden Jura. Gleichzeitig hielt er Kollegs über Poesie, Astronomie, Chiromantie und Anatomie. Zwei Jahre verweilte er in Frankreich. Über Marseille fuhr er 1646 nach Rom, wo er den Papst sah und die Katakomben besichtigte. In Venedig überreichte Gryphius dem Senat ein lateinisches Epos über die Leiden Christi Olivetum. In Straßburg beendete er sein erstes Trauerspiel Leo Armenius.

Nach neun Jahren, Ende 1647, kehrte Gryphius wieder nach Fraustadt, damals zu Polen gehörig, zurück. Anfang 1649 heiratete er. Sein ältester Sohn Christian, Rektor des Breslauer Maria-Magdalena-Gymnasiums, genoß später als Gelehrter und Dichter hohes Ansehen. Von 1650 bis zum Tod leitete Andreas Gryphius als Syndikus der Glogauer Landstände klug und besonnen deren Geschäfte. 1653 veröffentlichte er die Sammlung Glogauisches Fürstenthumbs Landes Privilegia, um die wichtigen Urkunden zu sichern. Im Jahr 1662, in die Fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen, erhielt Andreas Gryphius den ehrenvollen Namen „der Unsterbliche“.

Seine Freuden- und Trauer-Spiele auch Oden und Sonnette gab Gryphius 1657 und 1663 gesammelt heraus. 1698 folgte noch eine von seinem Sohn aus dem Nachlaß des Vaters ergänzte Ausgabe. Andreas Gryphius, politisch und religiös stark engagiert, schrieb für ein gelehrtes Publikum, für Hof und Adel, für Beamte, Geistliche, Lehrer, Studenten, Gymnasialschüler. Auch für ihn ist Opitzens Programm der neuen deutschen Dichtung maßgebend. Die humanistische Gelehrsamkeit, die Kenntnis der Rhetorik und Poetik verbindet er mit dem Interesse für die west- und südeuropäischen Literaturen, die es einzuholen gilt. Die gelehrten Anmerkungen zu seinen Werken belegen eine gute Kenntnis antiker und moderner Dichtung, der Bibel, der Kirchenväter und Emblembücher. Seine Aufmerksamkeit gilt auch der Lyrik und den Dramen der Jesuiten. In Gryphius‘ Trauerspielen führen die Gegner auf der Bühne einen Disput, in dem sie rhetorisch wirkungsvoll ihre Argumente vorbringen. Die Themen sind: Vanitas und Beständigkeit, Widerstandsrecht und Kampf um Macht, Vernunft und Affekte, religiöse, politische und moralische Verhaltensweisen. In seinem deutschen Trauerspiel Leo Armenius (1650) stützt sich Gryphius auf ein Jesuiten-Stück, das er im lutherischen Sinn uminterpretiert. Leo, der den byzantinischen Kaiser Michael I. stürzt, fällt später selbst einer Verschwörung zum Opfer. Der Jesuit verdammt den Herrscher wegen Ketzerei, in Gryphius‘ Spiel findet der bereuende Kaiser im Sterben Gnade. In Catharina von Georgien (1657) muß die Königin, da sie an ihrem Glauben festhält, qualvoll sterben. Der Held des Stückes Papinianus (1659), der oberste Beamte des Reiches, weigert sich, den aus Staatsräson vom Kaiser Caracalla befohlenen Brudermord zu rechtfertigen und wählt damit den Tod. In Carolus Stuardus (1657) verurteilt Gryphius die Hinrichtung König Karls I. von England als ein Verbrechen gegen den Gesalbten und die göttliche Ordnung. Entgegen den Regeln der Poetik sind einfache Adlige die handelnden Personen des Dramas Cardenio und Gelinde (1657), das der „rasenden“ Liebe, die zum Verbrechen führt, die „sittsame“ Liebe entgegenstellt. In dem Lustspiel Absurda Comica Oder Herr Peter Squenz (1658) lacht der Dichter über Meistersinger und Verseschmiede, indem er sich der Rede- und Wortkomik, der Wortverdrehung und des Wortspiels bedient. Die Komödie Horribilicribrifax (1663) gilt dem Maulhelden und der wüsten Sprachmengerei des 30jährigen Krieges. Im Doppelspiel Verliebtes Gespenste ... Die geliebte Dornrose (1661) stellt Gryphius die „hohe Liebe“ der „niederen Liebe“ gegenüber. Den Bauern, die schlesischen Dialekt sprechen, bescheinigt er trotz ihrer Plumpheit ein gutes Herz.

Die Trauerspiele Gryphius‘ haben Schulbühnen und wandernde Komödianten in der Barockzeit aufgeführt. Für die Lustspiele interessierten sich Laientheater. Heute gründet Andreas Gryphius Ruhm vor allem auf seinen in einer ausdrucksstarken, dichten und kunstvollen Sprache geschriebenen Sonetten und Oden. Wie ein alttestamentarischer Bußprediger entwirft er in ihnen grauenvolle Vanitas-Visionen, erhebt Klage über die sündige Welt und mahnt zum Ausharren im Kampf um das Seelenheil.

Werke: Hg. Hermann Palm. 3 Bde., Tübingen 1878-84. Ergänzungsbd.: Hg. Friedrich-Wilhelm Wentzlaff-Eggebert, Tübingen 1938. Neudr. v. Bd. 1-4. Darmstadt 1961. – Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Hg. Marian Szyrocki u. Hugh Powell. 8 Bände. Tübingen 1963-83. – Die wichtigsten Trauer- und Lustspiele erschienen in der Universal-Bibliothek des Reclam-Verlages.

Lit.: Marian Szyrocki: Andreas Gryphius. Tübingen 1964. – Willi Flemming: Andreas Gryphius. Stuttgart 1965. – Conrad Wiedemann: Andreas Gryphius. In: Deutsche Dichter des 17. Jahrhunderts. Hg. v. Harald Steinhagen u. Benno von Wiese. Berlin 1984, S. 435-472. – Eberhard Mannack: Andreas Gryphius. Stuttgart 21986. – Wolfram Mauser: Dichtung, Religion und Gesellschaft im 17. Jahrhundert. Die Sonette des Andreas Gryphius. München 1976. – Hans-Henrik Krummacher: Der junge Gryphius und die Tradition. München 1976.

Bild: Kupferstich von Philipp Kilian, Universitätsbibliothek Breslau